Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Sinclair Lewis |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4066338121103 |
3
Obgleich er nicht gut geschlafen hatte, war er früh auf und bei seiner Toilette; er rasierte sich, polierte seine derbe Hübschheit mit Fliederwasser und Talkumpuder auf; er machte sich die Nägel, in kurzem Unterzeug dasitzend, während er auf seinen neuen Anzug wartete, den er zum Bügeln hinuntergeschickt hatte. Der neue Zweck in seinem Leben, das bis vor kurzem so sinnlos gewesen war, machte seinen kecken Blick lebendig und seine starken Muskeln elastisch, während er durch die Gold- und Marmorhalle des Antler-Hotels schritt und Sharon an der Restaurationstür erwartete. Frisch, in einem blaugeränderten weißen Leinenkleid kam sie herunter. Als sie sich trafen, lachte sie und hieß so die Kameradschaft in der Torheit gut. Munter nahm er ihren Arm, führte sie an den erzitternden Kellnerinnen vorbei, die über die Ankunft der berühmten Gottesfrau ganz aus dem Häuschen waren, und bestellte sachverständig.
»Ich hab' eine großartige Idee«, sagte er. »Ich muß heute nachmittag schon fort, aber Freitag bin ich wieder in Lincoln; wie wär' es, wenn Sie bekannt geben würden, daß ich bei Ihrem Meeting als geretteter Geschäftsmann eine Ansprache halten werd', und wenn ich dann am Freitag abend eine halbe Stunde oder so über Christi guten, nüchternen, praktischen Wert, in Dollars und Cents, im Handelsleben sprechen würde?«
»Sind Sie ein guter Redner?«
»Eine große Nummer.«
»Ja, das scheint eine ganz gute Idee zu sein. Schön, machen wir's. Übrigens, was ist denn Ihr Geschäft eigentlich? Eisenbahnräuberei?«
»Ich bin der erste Verkäufer der Pequot-Farmgeräte Company, Sharon, und wenn Sie mir's nicht glauben –«
»Ach, ich glaub's schon. [Sie hätte es nicht glauben sollen.] Ich bin überzeugt, daß Sie die Wahrheit sprechen – öfters. Natürlich werden wir nichts davon sagen, daß Sie Geistlicher sind, wenn nicht jemand drauf besteht zu fragen. Wie wär denn folgendes als Thema: ›Geschäftserfolg durch eine Gideon-Bibel?‹
»Ja, das kann fein werden! Wie ich in irgendeinem Bauernnest war, fürchterliches Wetter, Schnee und Regen und alles – finsterer Himmel, es hat ausgesehen, als würde die Sonne nie wieder scheinen – die Füße ganz naß vom Straßenwandern – nichts verkauft, völlig mutlos – ich bin in meinem Zimmer gesessen, hab' vergessen, mir eins von den weltlichen Magazinen zu kaufen, die ich zu lesen gewohnt war – müßig eine Gideon-Bibel in die Hand genommen und das Gleichnis von den Talenten gelesen – am selben Tage erfahren, daß Sie in der Stadt waren – bin hingegangen und bekehrt worden – hab' da eingesehen, daß ich nicht nur des Geldes wegen, sondern auch für das Reich Christi meinen Einfluß als christlicher Kaufmann vergrößern und mehr verkaufen muß. Das hat mein Selbstvertrauen so gestärkt, daß ich's allen andern bei meinen Verkäufen zuvor getan hab'! Und wie ich alles Ihrer inspirierten Kraft verdanke, so daß es mich freut, Zeugnis für Sie ablegen zu können. Und dann auch noch darüber, daß es nicht der armselige Schwache ist, der gerettet werden soll, sondern daß man ein richtiger starker Mann sein muß, um sich nicht darüber zu schämen, daß man alles für Jesus hingibt.«
»Na, ich glaube, das wird großartig werden, Bruder Elmer, wirklich. Und bleiben Sie ziemlich lange bei Ihrem Aufenthalt im Hotelzimmer dort – Sie haben die Schuhe ausgezogen und sich aufs Bett geschmissen, aber Sie waren so unruhig, daß Sie aufgestanden sind und im Zimmer herumgestöbert haben, und da ist Ihnen die Gideon-Bibel in die Hand gekommen. Ich stell mir's großartig vor. Und Sie werden's auch richtig machen, Elmer? Sie werden mich nicht sitzen lassen? Weil ich es ganz groß auf meinen Plakaten ankündigen will. Ich hab' Sie überredet, dafür eigens von Omaha herüberzukommen – nein, das ist nicht weit genug – eigens von Denver. Und wenn Sie sich richtig reinknien und loslegen, wird es sehr zur Herrlichkeit Gottes beitragen und den Erfolg des Meetings beim Seelengewinnen vergrößern. Wollen Sie?«
»Meine Liebe, ich werd' meine Sache so machen, daß Sie mich in jeder Stadt werden haben wollen, in die Sie gehen. Sie können sich drauf verlassen.«
»Hm, das werden wir ja sehen, Elmer. Hier kommt Cecil Aylston – kennen Sie meinen Assistenten? Er sieht fürchterlich bös aus. Er ist ein lieber Kerl, aber so schrecklich klug und gebildet und alles mögliche, und immer will er mich bekritteln, damit ich auch so fein werd'. Aber Sie werden ihn gern haben.«
»Das werd' ich nicht! Wenigstens werd' ich dagegen ankämpfen!«
Sie lachten.
Der Reverend Cecil Aylston mit dem Flachshaar und dem vortrefflichen britischen Teint glitt zu ihrem Tisch heran, blickte Elmer mit einer Ausdruckslosigkeit an, die aufreizender war als Schimpfworte, setzte sich nieder und sagte:
»Ich möchte nicht stören, Miß Falconer, aber Sie wissen, der Ausschuß der Geistlichen erwartet Sie im Sprechzimmer.«
»Ach du meine Güte«, seufzte Sharon. »Sind Sie hier auch so schrecklich wie sonst? Können Sie nicht hinaufgehen und die Knierei und Beterei erledigen, bis ich mit meinen Rühreiern fertig bin? Haben Sie ihnen gesagt, daß sie die Opfergaben verdoppeln müssen, bevor diese Woche um ist, oder die Seelen in Lincoln können ruhig weiter verdammt bleiben?« Cecil deutete mit einer erschrockenen Kopfbewegung auf Elmer. »Ach, machen Sie sich keine Sorgen wegen Elmer; er gehört zu uns, wird am Freitag für uns sprechen – früher war er ein schrecklich berühmter Prediger, er hat aber jetzt ein größeres Betätigungsfeld im Geschäft gefunden – Reverend Aylston, Reverend Gantry. Jetzt gehen Sie ab, Cecil, und halten Sie die Leute in Frömmigkeit und Eifer. Sind paar hübsche junge Prediger beim Ausschuß, oder sind sie alle alte Besen?«
Aylston antwortete mit einem stummen Blick und schwebte davon.
»Der gute Cecil, er ist so nützlich für mich – er hat mich wirklich dazu gebracht, Gedichte und alles mögliche zu lesen. Wenn er nur nicht schon beim Frühstück so höflich wär! Ich würd' mir nichts draus machen, den wilden Tieren von Ephesus ins Auge zu schauen, aber Förmlichkeit schon bei den Eiern kann ich nicht vertragen. Jetzt muß ich hinaufgehen und mit den Leuten reden.«
»Werden Sie mit mir lunchen?«
»Das werd' ich nicht! Mein lieber junger Mann, jetzt hören meine Albernheiten für diese Woche auf. Von diesem Augenblick an bin ich eine Gesalbte, und wenn Ihnen was dran liegt, sich meine Sympathie zu erhalten – Gott steh' Ihnen bei, wenn Sie kommen und Dummheiten machen wollen, während ich diese steifnackigen Brüder in Christo anpacke! Ich seh' Sie am Freitag – ich werde hier mit Ihnen essen, vor dem Meeting. Und kann ich mich auf Sie verlassen? Gut!«
4
Cecil Aylston war zum guten Teil Mystiker, zum guten Teil Ritualist, ein bißchen Vagabund, ein wenig Gelehrter, häufig Säufer, häufiger Asket, immer Gentleman und immer Abenteurer. Er war jetzt zweiunddreißig Jahre alt. In Winchester und in New College war er als Sprinter, Snob und griechischer Versedrechsler bekannt gewesen. Er hatte die Weihen empfangen, als Kurat in einer besonders schmierigen, alten und finsteren Kirche im Eastend gedient und war fanatischer Anglo-Katholik geworden. Während er mit dem Gedanken spielte, die drei Gelübde abzulegen und in ein Kloster der Church of England einzutreten, warf sein Vikar ihn hinaus; und es wurde nie ganz klar, ob das wegen seiner »römischen Neigungen« geschah, oder wegen der Tochter des Eisenbahnarbeiters, die er geschwängert hatte.
Er wurde in eine düstere, plumpe Steinkirche in Cornwall beordert, trat aber zurück und ging zu den Darbysten, unter denen er, in widerhallenden Eisenkapellen im »Schwarzen Land«, den Ruf genoß, alle vergnüglichen Sünden zu brandmarken. Er kam zu einer Meetingsserie nach Liverpool; er ging in die Huskinson-Docks, sah ein abfahrtbereites Schiff, kaufte sich ein Zwischendeckbillett, nahm den Paß, den er für die geplante Flucht nach Rio