Die Adelaiden. Anna Felder

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Название Die Adelaiden
Автор произведения Anna Felder
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038551331



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plötzlich ausgebrochenen Durst an seinem Tisch, «wenn es Trauben sind, dann wasch sie, hat dir niemand beigebracht, dass man Trauben vor dem Essen wäscht?»

      «Gut, mache ich», sagte das Mädchen gehorsam, sich zur Küche wendend, «aber vorher erklär mir, woher du von meinem Kommen wusstest.»

      «Tu quoque – auch du», musste sich der Großvater sagen, als er aus der Forderung der Enkelin die schon ganz weibliche Erpressung heraushörte.

      «Siehst du», fuhr Ottone fort, indem er auf dem Tisch Fakten und Antworten sammelte, «heute Nachmittag ist schon der Klempner da gewesen, ich habe ihn erwartet, und er ist gekommen: ernst, tüchtig, in kürzester Zeit hat er die Waschmaschine wieder in Gang gebracht. Er ist auch noch jung», sagte er unwillkürlich, als er Giulia wieder entdeckte, «ein paar Jahre älter als du, ich habe ihm die Kekse angeboten, und er hat sie hier an diesem Tisch gegessen. In den Kosovo will er dann gehen, als Freiwilliger, sechs Monate lang, um dort seinen Militärdienst zu leisten, er wird mit den anderen in einer Baracke leben, ohne Freundin, bewaffnet. Tapferer junger Mann: Ich habe ihm gesagt, er soll mir seine Adresse dalassen, damit ich ihm wenigstens ab und zu ein Päckchen Schokolade oder Kekse schicken kann. Aber nimm auch du, nimm nur, es ist genug für alle da.»

      Er hob die halb volle Schachtel hoch, um sie der aufgestandenen Giulia anzubieten, die, durch ihre Jugend im Recht, über Ottones Worte hinweg geräuschvoll ihre Traubenbeute verzehrte.

      «Wasch die Trauben gründlich, bitte, geh und wasch sie.»

      Und während man in der Küche das Wasser rauschen hörte, fielen Ottone zwei Worte ein, die er rasch einem schon gedachten Gedanken hinzufügen wollte. Er nahm einen Bleistift und schrieb sie auf den erstbesten Umschlag, der ihm in die Finger fiel, kritzelte zwei weitere im Zwielicht, als Giulia schon mit den letzten gewaschenen Weinbeeren zurückkam: gelassen, groß geworden, weise.

      «Schreibst du?», erkundigte sie sich mit Adelaides Stimme.

      «Ach, nichts», wehrte der Großvater ab und schob den Umschlag schnell unter die Papiere, «mir waren ein paar Worte eingefallen, die habe ich mir notiert.»

      «Soll ich dir Licht machen?», schlug Giulia vor und näherte sich dem Schalter.

      Ihre Locken, an der Wand vergrößert, glichen einer Wolke.

      «Lass nur, für Adelaide ist es gut so.»

      «Worte eines Satzes?»

      «Ein Satz» – er blickte sich um –, «ein angefangener Satz wird da schon sein auf einem dieser Stühle.»

      Mit weit ausholenden Gesten wies er auf die Sitzflächen: Überladen, rutschig, bargen sie den Satz.

      «Irgendwo hier fängt er an», versicherte der Großvater, Herr der Umgebung, zu seiner Umgebung sprechend.

      «Habe ich etwas mit dem Satz zu tun?», fragte das Mäd­chen argwöhnisch.

      «Der Fluss hat damit zu tun, kleine Münzenfische im Fluss; oder vielleicht Steine, Beigaben von Steinchen im Grabmal.»

      5.

      Es genügt nämlich, die Augen halb zu schließen über den leuchtenden Schaudern der Strömung, und schon lässt sich das feine Blinzeln der winzigen Fische nicht mehr unterscheiden von dem der Kiesel, Münzenkiesel.

      Sind es die Münzen, die dahingleiten, oder eher die Fische? Bremsen die Münzen sie gar? Sind es die Metallschuppen, die an der Oberfläche hüpfen, oder sind es vielmehr die Centesimi, die Kopf und Zahl im Flussbett Fangen spielen?

      Kieselsteine im Grabmal.

      Es genügt, reglos am Ufer zu stehen, in der eilenden Welle auch den reglosen Himmel wiederzufinden, um nicht mehr zu wissen, ob es der Fluss ist, den wir mit geneigtem Kopf betrachten, oder vielmehr ein Himmel belebt von Wasser mit seinen Fetzen, seinen Fratzen, seinem Geröll, seinen Kreuzen und seinem Glanz, wie wir ihn schon immer mit erhobenen Augen zu sehen glaubten.

      Adelaide liegt auf dem Bett, in ihre Reise ergeben, und in ihren Augen flackert die Überraschung über das Fresko, das es wieder und wieder zu entdecken gilt, klar, unversehrt, denn birgt die Adelaide, die zu Hause an der Oberfläche geblieben ist, in all ihrem Weiß nicht auch die gewesenen Farben, Juwelen, Freuden und Trauer, unterwegs wiedergefunden wie Steinchen in den Sandalen, wie geschenkte Rosen, bereits weitergegeben von Zeugung zu Zeugung, von Adelaide zu Adelaide, angefangen bei Kaiserin Adelheid von Sachsen an der Seite von Otto, Heilige und Gattin, weiter und immer weiter bis auf den heutigen Tag, bis zu Giulia heute Nacht?

      Achtzehn Jahre; oder auf der Reise Adelaides – Ottone steht am Ufer und wacht über sie mit halb geschlossenen Augen – achtzehn schon vollendete in Mengen von anderen achtzehn, vermischt und wieder aufgetaucht in ständigem Wechsel von Zahlen, Zeiten, Epochen und Pudermoden, die nach und nach in die Strömung eingeflossen sind: um sich zu spalten, sich zu spiegeln, zu splittern, sich zu kitten, in Schrei, Rülpser, Röcheln zu zerbersten und sich nach dem Röcheln wieder zu formen zu neuem Wimmern.

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