Название | Mit Märchen zum Glück |
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Автор произведения | Helena Beuchert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957203267 |
Anfangs ließ Rosa alles über sich ergehen. Überall griff sie mit ihren Händen zu. Ständig hatte sie ein Ding in der Hand, drehte es, klopfte damit, probierte es im Mund. Bald schon steckte sie es mit anderen zusammen, baute Türme und Mauern. Jede Kiste, jede Schublade füllte sie mit Alltagszeug – so als wolle sie messen, wie viel hineinpasst. Gerne probierte sie auch mit ihrem ganzen Körper aus, wie groß Höhlen und Nischen waren. Tilda musste sie oft befreien, weil sie sich zu weit hineinzwängte.
Wenn die Großmutter sie hinaus ins Freie lockte, versteckte sie sich unter Büschen oder kletterte von Ast zu Ast, als müsse sie deren Spannbreite erfassen.
Am liebsten werkelte sie mit Kabeln und steckte Rohre zusammen. Schon bald wünschte sie sich Technikspielzeug und experimentierte.
»Unsere Ingenieurin«, nannte sie ihr Vater stolz.
Sie wurde ein Papakind wie es im Buche steht. Tilda räumte die Puppen in Kisten und seufzte.
»Alles im Leben wiederholt sich«, sagte sie vor sich hin, um sich zu trösten.
Dann erwartete auch Rosa ein Kind. Doch Luna war von Anfang an ein stilles Baby. Sie schaute nur und schaute. Man meinte, sie wolle sich die Welt mit den Augen einverleiben.
Spielzeug betrachtete sie kurz, drehte es um und ließ es fallen.
Draußen im Garten konnte sie stundenlang ins Geäst der Bäume blicken und dabei zufrieden einschlafen. Wenn man ruhig mit ihr sprach, entlockte man ihr ein Lächeln. Manchmal formte sie die Lippen und versuchte zu antworten. Das klang wie Engelsgeflüster.
»Was bist du nur für ein Wesen?«, fragten Tilda und Rosa wie aus einem Mund.
Aber Luna antwortete nicht. Sie sprach überhaupt erst in einem Alter, als die anderen Kinder den Eltern schon ein Ohr abgeschwatzt hatten.
Und so gesammelt, so in sich ruhend, blieb Luna ihr Leben lang. Sie war zufrieden mit sich selbst, zufrieden mit ihrem beschaulichen Leben, ein Ruhepol in allem Weltentreiben. Auch Männer interessierten Luna nicht, und Kinder betrachtete sie befremdlich.
So können wir leider nicht sagen, wie die Tochter der nächsten Generation geworden wäre. Vielleicht ein Bücherwurm oder eine zarte Prinzessin oder eine wortstarke Revolutionärin oder eine kinderreiche Übermutter. Wer weiß? Wer weiß?
Wo die Elfen leben
Es ist noch gar nicht lange her, da lebte das Elfenvolk mitten unter uns. Sie hatten einen König namens Lupinius. Er war ein Elf wie im Bilderbuch: sanft, edel, immer verträumt und verspielt.
Doch auch ein Elfenreich hat Feinde. Als sein Vater noch lebte, wagte sich kein Fremder über die Grenzen, denn er kreuzte mit seinem Schwert so gekonnt die Winde, dass diese den Eindringlingen ins Fleisch schnitten.
Aber Lupinius wollte kein Schwert führen. Der Wächter des Reiches war Johann. Er hatte seinen Namen von den Johannissträuchern bekommen, unter denen er geboren wurde. Das war bei den Elfen so Brauch. Die bittersüßen Früchte hatten ihm auch ihre Farbe verliehen. Schon wenn er vor Zorn rot anschwoll, fürchteten sich alle. Wenn er aber zu Blau wechselte, nahm jeder Reißaus. Im tiefdunklen Blau ergoss sich Unheil über alle in seiner Nähe.
König Lupinius wiederum schätzte gerade diese Fähigkeit, denn wenn Johann Nachtwache hielt, wagte sich kein Feind in die Nähe des Schlosses.
Linde wurde unter einer Kastanie geboren. Zur Feier des Tages streckte der Baum weiße Kerzen in den Frühlingshimmel. Ein Lindenbaum stand daneben. Er gab ihr seinen Namen und rauschte sie in den Schlaf. Elfine, die Mutter, hätte lieber einen Jungen zur Welt gebracht und ihn Kastanius genannt – daher suchte sie diesen Geburtsort auf. Sie fürchtete sich vor Johann, dem Vater des Kindes. Er lehnte alles Weibliche ab. Selbst seiner Frau, die er doch gewählt hatte, ging er meist aus dem Weg.
Verwirrt lief Elfine nach Hause und überließ ihr Mädchen den Kräften der Natur.
Linde wuchs heran – gestärkt vom betörenden Duft ihrer Patentante, umsorgt von heilendem Lindenblütensaft. Sie rannte den Hummeln hinterher und spielte mit den Bienen und Schmetterlingen. Die fliegenden Tiere wurden ihre besten Freunde, und wenn sie mit ihnen herumtanzte, wippten die Zweige der Bäume den Takt dazu.
Nach Hause in die Elfenburg wagte sie sich nur am Abend, wenn Johann, ihr Vater, schon zur Nachtwache im Königsschloss unterwegs war.
Leider hatten auch die sanften Elfenmädchen, die am Tag bei König Lupinius weilten, vor ihm Angst und flohen aus dem Palastgarten, wenn es zu dämmern begann. Der König konnte noch so bitten – keines wollte dem strengen Wächter begegnen. Johann lehnte alles Zarte ab und verscheuchte die Mädchen gnadenlos aus dem Schloss. Daher hatte Lupinius noch keine Frau an seiner Seite. Er war darüber traurig und wusste sich nicht zu helfen. Nachts quälte ihn die Einsamkeit, während ihn zwischen seinen blonden Locken schon die ersten grauen Haare warnten.
Auch das Elfenvolk sorgte sich um seinen König. Die Ältesten raunten oft miteinander und gaben dem König allerlei eindeutig zweideutige Ratschläge.
Doch dieser schüttelte nur den Kopf. Er hatte das fröhlich leuchtende Wesen der Lupinen geerbt, unter denen er das Licht der Welt erblickte. Stets lächelte er, kicherte über Albernheiten und spielte mit den Elfenmädchen Fangen.
Als Linde alt genug war, um auch in den Garten des Königs eingeladen zu werden, bat sie ihre fliegenden Tiere, doch mitzukommen. Zuerst wollte sie Lupinius damit nur eine Freude machen und das gemeinsame Spiel erfüllen. Doch dann läutete die Turmuhr zu Abend. Alle liefen davon und riefen angstvoll: »Johann kommt, rettet euch!«
Nur Linde blieb bei Lupinius stehen und nahm seine Hand. Sie winkte ihren Freunden flehentlich zu, und die verstanden.
Bunte Schmetterlinge setzten sich auf ihre Schultern und kitzelten die beiden mit ihren Flügeln am Hals, um das Lächeln in ihren Gesichtern wieder zu wecken.
Die Hummeln umflogen ihre Köpfe und formten Ringe in der Luft.
Die Bienen aber schwärmten Johann entgegen und drängten ihn zurück – Schritt für Schritt musste er weichen. Der Zorn blieb ihm im Hals stecken, während die Angst ihm grauweiß ins Gesicht kroch.
Linde und Lupinius schauten gebannt zu.
In der Luft hing eine furchtgeladene Spannung – zum Schneiden dicht. Würden die Bienen den Kampf gewinnen?
Auch die Lupinen und Linden ringsherum spürten die Gefahr und entsandten alle Insekten, die gerade an ihren Blüten saugten.
Das war ein Summen und Surren in der Luft, ein Raunen und Zischeln! Der zornig blassblaue Wächter stolperte rückwärts zum Tor hinaus und versteckte sich in den Büschen.
Erst als die Nachtkühle ihre zarten Flügel zu lähmen begann, ließen die Insekten von ihm ab. Eilig flatterten sie nach Hause, aber nur, um am nächsten Abend wieder in großen Trauben überall im Garten zu hängen und auf Johann zu warten.
Der begnügte sich fortan mit der Außenwache und wagte sich nicht mehr hinter die Mauern. Linde und Lupinius nahmen das Schloss in Besitz und erfüllten es mit perlendem Lachen bei Tag und bei Nacht.
»Bleib für immer bei mir!«, flüsterte ihr der König schon am ersten Abend zu und brachte damit ihre hellgrünen Augen zum Leuchten.
Sie feierten ein prächtiges Hochzeitsfest, wie es nur ein Elfenvolk zu feiern versteht.
Und ihre Liebe war gesegnet, denn sie bekamen viele Elfenmädchen. Sie hießen Hortensie und Rosana, Glöckchen und Sonja, Jasmin und Nelke. Alle waren so unbeschwert fröhlich und leuchtend wie die Blumen, unter denen sie zur