Essentielles Sein. A.H. Almaas

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Название Essentielles Sein
Автор произведения A.H. Almaas
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783867811538



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es mit dem Rest der Zeit?

      Erst gebt ihr euch selbst auf, und dann fangt ihr an, nach Befriedigung zu suchen. Ihr habt das Gefühl, daß etwas fehlt; deshalb seid ihr immer auf der Suche, werdet immer hektischer, während nichts von dem, was ihr euch aneignet oder erreicht, euch erfüllt. Zu diesem ganzen Muster kommt es, weil ihr aufgehört habt zu sein. Wenn ihr euch einfach da sein laßt, dann müßt ihr nirgendwohin gehen und nach nichts suchen, weil alles da ist. Es ist nicht so, daß nur bestimmte Menschen damit zufrieden sind, einfach nur zu sein, und andere nicht. Wir alle fühlen uns befriedigt, wenn wir wir selbst sind. Das ist eine Eigenschaft unserer menschlichen Natur. Es gehört zu unserer natürlichen Ausstattung. Es ist die Bedeutung des Menschseins. Alles, was wir tun müssen, ist, uns sein zu lassen.

      Wenn ihr euch in diesem Moment einfach fühlt, auch wenn ihr euer Sein vielleicht nicht auf eine volle, befriedigende Weise fühlt, dann werdet ihr ganz natürlich dessen gewahr, was euer Sein blockiert. Was hält mich davon ab, in diesem Moment zu sein? Warum möchte ich woandershin? Warum denke ich dauernd darüber nach, was mich glücklich machen wird? Wir können auf eine natürliche Weise neugierig werden und anfangen, nach und nach die Überzeugungen, Hoffnungen und Ängste aufzudecken, die uns daran hindern, unseres Seins gewahr zu sein.

      Wenn wir innehalten und nachdenken, dann erkennen wir, daß Glück nicht etwas ist, das wir irgendwo bekommen können, und auch nicht das Resultat von irgendetwas, das wir unternehmen. Das Gewebe unseres Seiendseins (beingness) an sich ist selbst das, wonach wir eigentlich immer suchen. Wir suchen Lust, Freude, Glück, inneren Frieden, Stärke, Macht. Aber das sind einfach Aspekte unserer Existenz. Unsere Natur, unser Ursprung ist das Kostbarste, was es gibt. Die Existenz an sich ist eine Freude, eine Wonne. Diese Existenz, diese Freude ist das Zentrum der Wirklichkeit, zu jeder Zeit.

      Weil wir unseren Ursprung und unsere wahre Natur vergessen, neigen wir dazu, an den Rändern unserer Existenz zu bleiben und uns niemals in unserem Zentrum und von unserem Zentrum aus leben zu lassen. Das ist eine ziemlich tragische Geschichte. Wenn euch Lehrer sagen, daß ihr schlaft oder euch verirrt habt, dann meinen sie, daß ihr von eurer Existenz abgeirrt seid. Ihr schlaft in Bezug auf euer Seiendsein. Aber genau genommen habt ihr euch nicht in dem Sinn verirrt, daß ihr irgendwo anders wart – erst wart ihr verirrt, und jetzt seid ihr hier. Eigentlich wart ihr die ganze Zeit hier. Ihr seid eigentlich immer hier gewesen, aber ihr habt immer woanders gesucht. Euer Seiendsein ist das, was spürt, was schaut, was fühlt.

      Wir sind Seiendsein (beingness), nicht ein Gedanke, der auf einen anderen Gedanken folgt. Wir sind etwas viel Fundamentaleres, etwas viel Substantielleres als das. Wir sind ein Seiendsein, eine Existenz, eine Präsenz, die die Gegenwart durchtränkt und unseren Körper füllt. Wir entfernen uns so weit von uns selbst, aber das, wonach wir suchen, ist so nah. Wir richten unsere Aufmerksamkeit dauernd darauf, ob die Situation dem entspricht, was wir wollen, oder nicht. Ist sie gut oder schlecht? Aber die Bedeutung jeder Erfahrung ist unsere reine Präsenz, nichts anderes. Der Inhalt jeder Erfahrung ist einfach eine äußere Manifestation dieser zentralen Präsenz.

      Welchen Sinn hat es also zu warten? Worauf genau wartet ihr? Wird euch irgendjemand das geben, was ihr immer gewollt habt? Wird ein Zug vom Himmel kommen und euch tolle Sache bringen? Aber nichts, was je geschehen kann, kann so gut, so kostbar wie das sein, was und wer ihr seid.

      Was euch davon abhält zu sein, präsent zu sein, ist nichts als eure Hoffnung auf die Zukunft. Die Hoffnung darauf, daß etwas anders werden wird, läßt euch weiter einer Phantasie von der Zukunft nachjagen. Aber das ist eine Fata morgana, ihr werdet nie dorthin gelangen. Die Fata morgana hält euch davon ab, das Offensichtliche, die Kostbarkeit des Seins, zu sehen. Sie ist ein großer Irrtum, ein großes Mißverständnis dessen, was euch befriedigt. Wenn ihr der Fata morgana folgt, dann lehnt ihr euch selbst ab.

      Wenn ihr euch sein laßt, euch in die Wirklichkeit einsinken laßt, kann es allerdings dazu kommen, daß ihr unangenehme Dinge erlebt: aber das sind einfach die Barrieren, die euch daran hindern zu sein. Mit der Zeit, durch die Präsenz, werden sie sich auflösen. Es kann sein, daß ihr Unbehagen, Angst, Verletztheit, verschiedene negative Gefühle verspürt. Das sind die Dinge, denen ihr auszuweichen versucht, indem ihr nicht hier seid. Aber sie sind nur die Ansammlung dessen, was ihr unter den Teppich der Unbewußtheit gekehrt habt; das seid nicht ihr. Das sind die Dinge, denen ihr auf dem Weg zum Seiendsein begegnet und mit denen ihr euch konfrontiert. Wenn wir diese Gefühle anerkennen und verstehen, während wir präsent sind, dann lösen sie sich auf, weil die Vorstellung von uns selbst, auf der sie beruhen, nicht wirklich ist.

      Wenn sich die Illusionen auflösen, dann wird das, was wirklich, was eure Natur ist, an die Oberfläche kommen und bleiben. Ihr macht einen Reinigungsprozeß durch, nicht weil Sein selbst beschmutzt ist, sondern weil ihr so viele Annahmen und Meinungen über die Wirklichkeit angesammelt habt. Wenn ihr weiter hofft und euch selbst Geschichten erzählt, dann werdet ihr weiter im Zustand des Schlafes bleiben, weil die Wirklichkeit immer noch so ist, wie sie ist, ob es euch gefällt oder nicht. Die Fata morgana hat sich für euch noch nicht verwirklicht, und das wird sie auch nicht tun, wenn ihr noch länger darauf beharrt. Möchtet ihr, daß es irgendwie anders ist? Könnt ihr euch vorstellen, daß euer Glück von etwas anderem abhängt als von eurer Natur?

      Unsere Arbeit hier besteht nicht darin, irgendwohin zu gelangen oder etwas zu erreichen, sondern darin, eurem Sein zu erlauben hervorzutreten. Bewohnt einfach euren Körper. Wir sprechen hier nicht über etwas, das ihr gelegentlich tut, wenn ihr meditiert – und den Rest der Zeit macht ihr dann die wichtigen Dinge in eurem Leben. Tatsächlich denken wir so: „Ich meditiere jetzt, und dann mache ich mit meinem Tag weiter, mache mit meinen wichtigen Terminen weiter.“ Was ist wichtig? Ihr seid wichtig. Ihr müßt nicht irgendetwas Wichtiges tun, um wichtig zu sein. Ihr müßt nicht die Erleuchtung erlangen oder eine edle Tat vollbringen, um eurem Leben Wichtigkeit zu verleihen. Ihr seid. Das ist das Wichtigste, was es gibt. Ihr seid etwas ganz Besonderes, immer. Ihr seid nicht deshalb wichtig, weil jemand denkt, daß ihr etwas Besonderes seid, noch aufgrund irgendwelcher ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Leistungen. Ihr seid wichtig aufgrund eurer Natur, ihr könnt nicht anders als wichtig und kostbar sein. Nichts kann das beweisen oder widerlegen.

      Ihr seid wichtig, weil es ohne eure wirkliche Präsenz keine Bedeutsamkeit im Leben, keinen Wert im Leben gibt. Wenn ihr eurer Existenz gewahr seid, dann ist die Erfahrung ungetrübte Lust. Diese Lust ist da, unabhängig davon, was ihr tut - den Fußboden schrubben, auf die Toilette gehen, irgendetwas Wunderbares schaffen. Jeder Augenblick ist kostbar und voll gelebt. Ihr seid nicht die Gefühle oder die Gedanken oder der Inhalt eures Bewußtseins. Nichts davon ist das, was und wer ihr seid. Ihr seid die Fülle eures Seins, die Substanz eurer Präsenz.

      Wer bin ich?

      Vor einiger Zeit habe ich die Frage gestellt: „Warum seid ihr hier?“ Bei einer anderen Gelegenheit habe ich gefragt: „Seid ihr hier?“ Ich weiß nicht, ob ihr bei diesen Fragen geblieben seid und sie für euch selbst untersucht habt. Heute werde ich eine dritte Frage stellen, die eine natürliche Weiterentwicklung dieser Fragen ist: „Wer seid ihr?“

      Die Antwort auf diese Frage ist keine Formulierung. Wenn also euer Kopf eine herbeizaubert, dann beachtet sie nicht. Wir werden erforschen, ob es möglich ist, die Frage zu beantworten: „Wer bin ich?“ Ich werde euch keine Antworten geben, aber ich werde euch helfen, die Untersuchung zu führen, indem ich euch Fragen stelle, und ihr könnt sie erforschen, während wir sprechen.

      Man sagt immer: „Ich bin ...“ und „Ich möchte ...“; wir wollen also sehen, was „ich“ ist. Wir setzen nicht von vornherein voraus, daß es so etwas wie ein „Ich“ gibt. Wir wollen nicht mit Annahmen beginnen. Wir gehen also nicht davon aus, daß es eine Antwort gibt oder daß es eine einzige Antwort gibt oder daß es keine Antwort gibt. Wir gehen nicht davon aus, daß die Antwort, wenn es eine gibt, in Worten ausgedrückt werden kann. Wir wollen für alle Möglichkeiten offen sein. Wir wollen die Frage in vollkommener Offenheit stellen, bei einer vollkommenen Abwesenheit von Annahmen. Diese Untersuchung wird allein auf unserer Neugier und auf unserem Interesse beruhen, die Wahrheit zu finden. Was ist die Wahrheit, die es hier für euch gibt?

      Wenn ihr fragt: „Wer bin ich?“, dann fällt