Название | Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens |
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Автор произведения | Yungdrung Wangden Kreuzer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867813464 |
Er leidet daran, und doch kann er seine Last und unruhig gespannte Tätigkeit von Körper, Rede und Geist nicht lassen. Alles ist Mühe an ihm, aber sein Mühen ist vergeblich und endet seine Schmerzen nicht, denn an etwas anhaften, das seiner Natur nach vergänglich ist, erzeugt notwendigerweise Angst vor Verlust und viele andere Leiden.
Sisyphos ist nicht durch die Götter verdammt, sondern durch sich selbst. Er selbst kann nicht loslassen, will noch nicht loslassen und leidet an seinem Widerstand gegen die Natur und an seiner selbstauferlegten Last. Niemand wird sie ihm nehmen, wenn er sie selbst noch behalten will – so ist es eingerichtet, dass ein jeder für sich selbst erkennen soll, was sein Tun für Folgen hat, und selbst spüren, ob er genug getan und nun bereit zur Ruhe ist.
Wenn der Mensch aber bereit ist, lässt er los; und wenn er sich nicht mehr selbst bindet, ist er frei. Frei und unsterblich sind wir dann, denn nur wegen unseres Festhaltens ist es, dass wir einen materiellen Körper haben, der dem Tod unterworfen ist.
Sei es durch Enttäuschungen oder eine direkte Begegnung mit dem Tod in der Verwandtschaft oder im Kreis der Freunde und Bekannten oder ohne ersichtlichen Anlass von innen her, von der Stimme im eigenen Herzen erweckt – ich glaube, jeder Mensch beginnt sich irgendwann im Laufe seiner persönlichen Entwicklung zu fragen, ob seine Bemühungen um vergängliche Objekte und weltliche Ziele über das nötige Maß hinaus überhaupt sinnvoll sind. Er beginnt mit Recht zu zweifeln, ob sie das Glück, die Erfüllung und Zufriedenheit, die er in ihnen sucht und sich wünscht, wirklich geben können; und vom ständigen Wiederholen derselben Erwartungen und Handlungen frustriert, versucht er, deren Sinn und Wirkung zu verstehen. Vielleicht wird auch er dann ein Suchender nach Wahrheit, einer, der sein Leben und Tun infrage stellt und beginnt, das Treiben und Denken, das Wünschen und Fürchten in sich selbst zu beobachten.
Im Menschen denkt ja der Geist über sich selbst nach und versucht, sich selbst zu verstehen und zu erkennen. Das ist das eine, und wir suchen mit unserem Denken im Außen und in vielerlei Schriften nach Antwort.
Das andere ist, dass wir um der Wahrheit willen schließlich über Denken und Philosophie hinausgehen und in unseren stillen Meditationssitzungen lernen, das Kommen und Gehen unserer Gedanken zu beobachten, ohne auf diese zu reagieren. Dadurch erkennen wir nach und nach deren Qualität und Natur und entdecken den Zustand reiner Präsenz, frei von allen Gedanken. In der Stille reinen Erkennens ruhend, erfahren wir Sinn und Sein als eins. Wir ruhen dann im unaussprechlichen Sinn, wie es im Dzogchen genannt wird.
Es ist nicht einfach, sich aus der Bezauberung durch die Vielfalt der eigenen Wahrnehmungen und die sie begleitende Trance des begrifflichen Denkens zu befreien. Es ist, wie der erste Patriarch des Zen in China Bodhidharma sagte, das schwerste und gleichzeitig sinnvollste Werk, das ein Mensch vollbringen kann.
Die Träume des Mikrokosmos Mensch steigen aus den Tiefen seines Unterbewussten auf, in dem die Spuren all seiner früheren Erfahrungen und Handlungen mit ihrem Wohl und Wehe gespeichert sind; und er hat schöpferisch und leidend Anteil am Traum des Makrokosmos, am Traum der gesamten sichtbaren und unsichtbaren Universen, die ihrerseits aus dem kollektiven Speicherbewusstsein aller Wesen entstehen und von ihrem Denken aufrechterhalten werden.
Dem Buddhismus nach erscheint ein jeder Traum, der ja nur aus dem Lebenslicht des eigenen Geistes gebildet ist, als Ausdruck eines bestimmten Denkens und Wollens und einer Sehweise, welche normalerweise selektiv und völlig von früheren Gewohnheiten konditioniert ist. Einstein formulierte eine Erkenntnis aus seinen Forschungen mit den Worten: »Die sogenannte Realität ist eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige.«
Wir sind in der Begegnung mit unserer eigenen Vision genauso eingeschränkt und verblendet wie in unserer Begegnung mit der Welt da draußen, die wir fälschlich für wirklicher halten als unsere Vision im Traum.
Zum besseren Verständnis will ich einen Traum erzählen, den ich vor vielen Jahren hatte und der mir manchmal einfällt, weil er sehr signifikant war. Ich träumte, in einem weiten, leeren Raum zu schweben, als plötzlich eine große Kugel neben mir auftauchte. Sie war etwas kleiner als einer dieser Heißluftballons, aber offensichtlich aus Eisen oder Stahl und sehr massiv.
Ich schwebte direkt neben ihr und konnte sie mit Händen berühren und an ihr kratzen. Ich klopfte darauf, um das Material zu erkunden, und hörte, dass sie hohl war. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich gerade träume, und mir kam die Idee, einfach in das Innere der Kugel hineinzugehen. Ich versuchte es, aber es gelang nicht. Ich versuchte es einige Male, doch vergeblich. Es gelang mir nicht, obwohl ich wusste, dass es ein Traum ist.
Warum gelang es nicht? Wir berühren hier einen ganz wichtigen, signifikanten und entscheidenden Punkt der Bardo-Lehren, auch für den Zustand des Postmortem. Es gab offensichtlich etwas in meinem Unterbewusstsein, eine sehr tiefsitzende Überzeugung, dass eine so hart und realistisch aussehende Materie einfach undurchdringlich ist. Da es ja nur ein Traum war, ist klar, dass nur etwas in mir selbst mich daran hinderte, meinen Willen zu erfüllen – und genau so ist es.
Nur unsere tiefsitzenden Überzeugungen und fixen Vorstellungen, wie die Dinge sind und was wir sind, hindern uns daran, uns frei zu bewegen, zu fliegen und durch Wände zu gehen, alles das ist möglich für den, der sich von diesen Konzepten und unbewussten Glaubenssätzen wirklich gereinigt hat. Viele Yogis der Mahamudra- und Dzogchen-Linien haben in den letzten Jahrhunderten durch die Methode der kontinuierlichen Selbstbefreiung aller Konzepte diese Reinigung karmischer Spuren erreicht und diese freie Beweglichkeit durch vollkommene Luzidität verwirklicht. Sie sind geflogen, konnten ihre Gestalt verändern, konnten durch Wände gehen, haben ihre Hände in Felsen gedrückt, als ob es Butter wäre, sind über das Wasser gegangen und vieles mehr.
Der Tertön Pema Lingpa lebte im 15. Jahrhundert in Bhutan, und eines Tages verkündete er, einen Terma-Schatz des Guru Padmasambhava heben zu wollen. Über hundert Menschen kamen in seinem Geleit und wurden Zeugen eines wunderbaren Schauspiels. Am Ort des ihm geweissagten Schatzes angelangt, einem tiefen Fluss im Gebirge, stieg er mit einer brennenden Kerze in der Hand und voll angekleidet in das reißende Wasser und verschwand in den Fluten. Nach einiger Zeit stieg er zum Erstaunen aller aus dem Fluss wieder herauf und hielt unter seinem Arm eine kleine Truhe mit dem Schatz und in der anderen Hand die noch immer brennende Kerze. Seine kostbaren Kleider aus Seide und Brokat waren vollkommen trocken.
Dieses sublime Wesen, Inkarnationen vorher schon einer der engen Schüler des Meisters Padmasambhava, war ein Siddha, ein Verwirklichter, der schon lange vor diesem Ereignis vollkommene Luzidität erlangt hatte. Er hat die Leerheit aller Erscheinungen realisiert und war selbst völlig leer von jeder Vorstellung.
Den von Padmasambhava sechs Jahrhunderte vor dieser Entdeckung verborgenen Terma-Zyklus von Sadhanas und Dzogchen-Texten haben wir heute noch, und ich habe einige Übertragungen aus diesem Zyklus von S. E. Gangteng Tulku Rinpoche erhalten, einem meiner Lehrer.
Viele Yogis haben durch die systematische Praxis des Dzogchen am Ende ihres Lebens ihren physischen Körper der fünf Elemente aufgelöst in die fünf Farben des klaren Lichts und haben so ein wunderbares Zeichen ihrer völligen Befreiung vom Samsara gegeben.
Der Yogi ruht hierbei in tiefem Samadhi noch im Körper, und dieser wird in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen nach dem Tod immer kleiner, bis er verschwindet, und nur die unbeseelten Teile des Körpers, also Haare und die Nägel von Fingern und Zehen, bleiben zurück. Gleichzeitig erscheinen Regenbogenlichter am Himmel und um das Haus, die auch für normale Sterbliche sichtbar sind. Es sind dies die untrüglichen Zeichen, dass ein Individuum vollkommene Buddhaschaft erlangt hat.
Fälle von dieser Art von Verwirklichung, die durch die Methoden des Dzogchen auch heute noch erreichbar ist, waren in Tibet häufig; und auch bis in unsere Zeit sind noch einige Fälle gut bezeugt. 1998 zum Beispiel erreichte