Название | Music Lovers |
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Автор произведения | John Densmore |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456827 |
Der Jazz-Titan Thelonius Monk brachte es perfekt auf den Punkt, als er eine Liste der zehn wichtigsten Eigenschaften erstellte, die ein guter Musiker benötigt. Ganz oben stand bei ihm das Timing: „Vor allem, wenn du nicht der Schlagzeuger bist!“ Das war ein richtig cleverer Kommentar. Monk wusste, dass ein Saxofonist zwar wie ein Irrer Solos vom Stapel lassen konnte, es aber alles nichts nutzte, wenn das innere Metronom nicht richtig eingestellt war. Wenn es einem am musikalischen Timing mangelt, fühlt es sich an, als würde man im Krankenhaus auf einer Pritsche liegen und dabei zusehen müssen, wie das eigenen EKG auf und ab fluktuiert.
Mein Mentor Elvin Jones brach am 18. Mai 2004 zur anderen Seite durch. Doch sein Schaffen hinterm Schlagzeug war so einprägsam und stark, dass man seinen Puls noch über Jahrhunderte hinweg wird vernehmen können. Elvin Jones, diese polyrhythmische „Jazz-Maschine“ und der Motor hinter Coltrane, war über den Jordan. Er hatte eine bahnbrechende Vorarbeit für alle anderen Takthalter geleistet. Er war der erste, der sich wirklich von der Aufgabe verabschiedete, als Uhrwerk zu fungieren. Stattdessen improvisierte er durchgehend, ohne dabei die Orientierung und den Takt aus den Augen zu verlieren.
Für Schlagzeuger ist es am wichtigsten, ein konstantes Tempo zu halten. Ganz egal, was für einen Rhythmus man spielt, wenn der Pulsschlag nicht sitzt, wird man nicht zum Publikum durchdringen. Die amerikanischen Ureinwohner betonen gerne, dass die Trommeln, die sie für ihre Tänze einsetzen, einen schnörkellosen, monotonen Rhythmus vorgeben, weil dieser den Herzschlag von Mutter Erde repräsentiert. Wir Schlagzeuger wissen, dass der Herzschlag unserer Mütter das erste Musikinstrument war, das wir jemals zu hören bekamen. Wenn der rhythmische Pulsschlag auch nur im Geringsten kompromittiert ist, wird sich das auf das gesamte Ensemble auswirken, mit dem man spielt. Als ob sie sich noch immer im Bauch der Mutter befänden und der Puls der Mutter aussetzen würde. Wenn der Beat aber Konsistenz vermittelt, fühlt sich der Hörer geborgen, kann zum Sound grooven und sich in einen Song, der in seiner Funktion an warmes Fruchtwasser erinnern mag, so richtig eintauchen.
Als Spezies haben wir seit jeher versucht, in den Schoß der Mutter zurückzukehren. Das ist auch der Grund, warum wir uns zum Rhythmus bewegen, warum wir tanzen. Wenn Leute zu Jazz grooven, zu Reggae oder Hip-Hop tanzen, bewegen sie sich immer auf der Eins, also dem ersten Beat eines Takts. Als wären unsere Körper elektrisch mit dem Puls eines Songs, dessen Herzschlag, verbunden.
Ich traf Elvin zum ersten Mal 1963. Nervös zeigte ich dem Türsteher im Shelly’s Manne Hole, einem Jazz-Schuppen in Hollywood, meinen gefälschten Ausweis aus Tijuana. Er sah ihn sich an und warf mir einen Blick zu, der zu sagen schien: Dein Ausweis ist ein ganz klarer Fake, Kleiner. Dann winkte er mich in den Club rein, in dem ich meinen Helden sehen wollte. Mit meinen 16 Jahren hatte ich mich bereits durch Coltranes LPs auf Impulse! Records gehört. Ich fütterte diese Musik meinen Ohren wie Bonbons. Es fühlte sich so an, als würden die Musikgötter mit jedem neuen Album einen akustischen Eisbecher mit heißer Karamellsauce kredenzen. Auch in meiner Autobiografie Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors brachte ich diese Obsession zur Sprache: „Immer, wenn ich die Plattennadel auf eine Coltrane-Platte senkte, versetzte mich die kraftvolle, treibende Energie in meiner Vorstellung in den Körper des Schlagzeugers Elvin Jones. Der Takt pulsierte in meinen Adern.“ Nachdem ich bereits jede Nuance seines Stils mithilfe der Schallplatten seziert hatte (inklusive seinem Stöhnen zwischen den Viertelnoten), sollte ich Elvin nun zum ersten Mal in Fleisch und Blut gegenübertreten. Es sollte nicht das einzige Treffen bleiben, was ich aber noch nicht wusste. Er saß hinter einer der herausragendsten Formationen in der Geschichte des Jazz – und er tat das mit seinem typischen breiten Grinsen im Gesicht. Die Beatles waren noch keine feste Größe und Elvin Jones war meine Muse.
Coltrane stand ganz vorne, aber ich fixierte meinen Blick auf den Mann, der im Hintergrund saß. Ich hörte staunend zu, wie Elvin einen Beat anspielte, denn nächsten aber nur andeutete, oder manchmal zwei zur selben Zeit spielte. Das zwingt die Gehirnzellen, sich anzustrengen, und kreiert Spannung. Shyamdas, der verstorbene Kirtan-Sänger, sagte, dass man den „Tal“ (Hindi für Takt) ehren müsste und sich immer darüber im Klaren sein sollte, wo sich die Eins befände. Elvin tat genau das und konnte immer noch die Rhythmen wie mit einem Schneebesen durcheinanderwirbeln, um den Hörern mehrere unterschiedliche Gerichte innerhalb von vier Takten aufzutischen. Und all das gelang ihm mit einem großen Lächeln im Gesicht.
Seine Rhythmen befanden sich fortwährend auf Messers Schneide. Als ob er gleich in sein Schlagzeug hineinkippen würde –
was natürlich nie passiert ist. Der Pulsschlag war immer da, diese Verbindung zum Göttlichen. Elvins ununterbrochener „Dialog“ mit Coltrane inspirierte mich später dazu, einen ähnlichen Ansatz bei meiner musikalischen Zusammenarbeit mit Jim Morrison anzustreben. Es war Jones’ lockere Spielweise, die mir den Mut verlieh, den stetigen Beat bei „When The Music’s Over“ während Morrisons „Rap“ über die Welt buchstäblich zu unterbrechen, um bloß ein paar expressive Schläge auf mein Schlagzeug prasseln zu lassen. Meine Intuition gab mir irgendwann vor, zum Groove zurückzukehren, so wie der Pianist McCoy Tyner wieder einsetzte, wenn sich Elvin und Coltrane einen ihrer intensiven musikalischen Schlagabtäusche geliefert hatten.
Zwischen den Sets im Manne Hole begab ich mich auf die Toilette, aber nicht etwa, weil ich mich erleichtern musste, sondern weil sich diese direkt neben der Garderobe befand. Ich hörte Stimmen und Gelächter. Ich wusch mir solange die Hände, bis ich hörte, dass die Stimmen sich hinaus auf den Flur begaben. Dann trocknete ich mir die Hände an meinen Hosenbeinen ab und öffnete die Tür. Coltrane stand direkt vor mir und musterte mich. Aus Respekt verhielt ich mich aber ganz cool, vermied direkten Augenkontakt und deutete mit einer Kopfbewegung an, dass das Klo frei wäre. Aber Coltrane trat nicht ein. Stattdessen ging er an mir vorbei und nickte. Als das letzte Set vorüber war, lungerte ich noch einmal ein wenig am Klo ab und hörte wie Elvin „Hotel, Hotel“ zu Coltrane sagte. Ich nehme an, er wollte auf sein Zimmer gehen. Ich wiederholte die kurze Phrase gegenüber meinen Freunden immer wieder in den nächsten Tagen. Sie müssen mich für verrückt gehalten haben.
Das nächste Mal, dass ich Zeuge wurde, wie die Muse sich mittels Elvins direktem Draht zur Sonne bemerkbar machte, war bei einer Show in der Royce Hall der UCLA. Die stilprägendste Jazz-Combo aller Zeiten wurde nun zusehends immer populärer, doch Coltranes kontinuierliche Annäherung an „das Neue“, gepaart mit seinem Sinn für Integrität, pushte das Quartett in musikalische Richtungen, die manche Leute nur schwer verdaulich fanden. Auf mich traf das nicht zu. In der Royce Hall saß ich in der ersten Reihe, während sie einen einzigen Song spielten, der sich über 45 Minuten erstreckte. Eine Hälfte des Publikums suchte erzürnt das Weite, bevor die Musiker ihr Werk zu Ende gebracht hatten. Die neuen Fans hatten es einfach nicht mehr ausgehalten, weil sie die Darbietung nicht verstanden. Da ich mit seinem Werdegang vertraut war, begeisterte ich mich sehr für John Coltranes experimentelle Exkursionen in die Weiten des Raums. Wenn er nicht selbst dazu beigetragen hätte, zusammen mit Miles Davis Begriffe wie Bebop und Cool Jazz zu definieren, hätte er nicht die Erlaubnis gehabt, sich nach „draußen“ zu begeben. Aber eigentlich ging es hier um das „Innere“, wie eine seiner Kompositionen, „Chasin’ the Trane“, veranschaulicht. In der Mitte dieser langen Nummer überließ der Pianist McCoy Tyner die Rhythmussektion sich selbst. Der Bassist Jimmy Garrison und Elvin mussten sich nun ihrem Anführer stellen. Coltrane drehte sich um und lieferte sich mit dem Rücken zu uns ein Duell mit meinem Percussion-Idol. Es war eine 20 Minuten lange hochemotionale Katharsis, wie ich sie niemals zuvor oder danach von irgendeinem anderen Musiker erlebt habe. Die beiden verabschiedeten sich von dieser Welt, wie es schon in dem alten Song „Out of This World“ von Johnny Mercer hieß, den sie auf einem ihrer Alben gecovert hatten. Das Fernsehen bildet nicht die Welt ab. Die echte Welt befindet sich hinter unserer Welt, wie es die Iren ausdrücken würden. Die echte Welt ist, so wie auch die Natur, unendlich.
Elvins Power passte perfekt zum Tenor-Saxofonisten Coltrane. Er sah aus wie jemand, dem man nicht in einer finsteren Gasse über den Weg laufen wollte. Doch er strahlte auch Liebe aus. Mir war klar, dass es auch seine Power sein würde, die Elvin letzten Endes zum Verhängnis werden würde. Wenn man sich mit Leib und Seele der