Music Lovers. John Densmore

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Название Music Lovers
Автор произведения John Densmore
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456827



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Margret hatte dann definitiv einen sitzen, was sie noch gesprächiger machte. Ich gab es irgendwann auf, mit ihr mitzuhalten. Außerdem war ich ja als ihr Fahrer eingeteilt. Ein Tequila reichte da schon aus, was mich insgesamt auch weniger kostete! Sie liebte die Mariachi-Musiker und verwickelte jeden, der ihr zuhören wollte, in ein Gespräch. Aber auch wenn jemand nicht zuhörte, ließ sie sich kaum bremsen.

      Ich erwähnte das ermüdende Geplappere auch in meiner Grabrede und erntete großes Gelächter, als ich betonte, dass es mir unmöglich war, mit der 92-jährigen „Peggy Margarita“ Schritt zu halten. Möge sie in Frieden ruhen – vielleicht gönnt sie sich ja jetzt gemeinsam mit Dad noch einen Schlummertrunk.

      Als ich jung war, trieb sie mich mitunter förmlich in den Wahnsinn, aber selbst daran erinnere ich mich heute gerne zurück. Ein paar Tage, bevor sie starb, teilte mir meine Cousine MaryAnn mit, dass ich besser bald die anderthalbstündige Autofahrt hinter mich bringen sollte, um sie noch einmal zu sehen, da sie nun rapide abbaute. Ich sagte ihr, dass ich mich sofort auf den Weg machen würde. Da ich erst ein paar Tage zuvor bei ihr gewesen war, trödelte ich ein bisschen herum. Eine Stunde oder so später brach ich endlich nach Ventura auf. Als ich eintraf, schlief Peggy Margret. Sie war noch nicht auf die andere Seite gewechselt und sollte noch einen Tag länger leben. Allerdings sollte sie nicht mehr aufwachen. Nun wusste ich, dass ich wirklich sofort hätte aufbrechen sollen.

      Das Pflegepersonal meinte, dass sie am Vorabend um 3 Uhr morgens noch wach gewesen wäre, weshalb sie an diesem Tag so früh eingeschlafen war. Man hatte ihr ganz offensichtlich mitgeteilt, dass ich kommen würde, da sie mit ihren türkisenen Ohrringen, einer türkisenen Halskette und leicht verschmiertem Lippenstift im Bett lag. Eine 94 Jahre alte Dame, die sich für ihren Sohn immer noch zurechtmachte – dieses Bild wird mir immer in Erinnerung bleiben.

      II.

      Robert Armour

      * * *

      Das Funkeln

      Das Auge schenkt Einblick in die Seele.

      Robert Armour war ein nerdiger Flötist und mein Musiklehrer an der Highschool. Tatsächlich waren wir Musiker ja alle Nerds. Denn damals galt es noch nicht als „cool“, Musiker zu sein. Die Sportler waren die Coolen. Sie trugen Pullis mit einem Buchstaben drauf, der ihre jeweilige Sportart kennzeichnete – Football, Baseball, Leichtathletik. Umrahmt wurde dieser Letter von einem „U“, das für die University High in West Los Angeles stand. Dorthin wechselte ich im Anschluss an die Daniel Webster Junior High.

      Wenn aber gekreuzte Tennisschläger innerhalb des „U“ für Uni High deinen Sweater zierten, hielten einen damals alle für schwul. Allerdings hatten wir dafür ein viel hässlicheres Wort. Jedoch musste ich mir darüber keine Sorgen machen. Ich war so etwas wie die eiserne Reserve des Tennisteams und wurde letzten Endes für kein einziges offizielles Match nominiert. Also bekam ich auch keinen Buchstaben oder sonstige Abzeichen für meinen Pulli. Zumeist schlug ich den Ball allein gegen eine Mauer.

      Meine Leidenschaft gehörte der Musik. Nachdem ich im Alter von acht mit Klavierstunden begonnen hatte, begeisterte ich mich sofort für dieses Instrument. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen und tendierte bereits in Richtung Jazz. Ich zog es vor, mir bereits vertraute Stücke durch Improvisationen aufzupeppen, anstatt neue Kompositionen zu lernen. Wenn ich diese Nummern spielte, immer und immer wieder, und sie dabei ein wenig abänderte, versetzte mich das in einen Trance-Zustand, da es mir so vorkam, als würde die Zeit stillstehen. Da war ich aber noch zu jung, um zu begreifen, dass die Kunst in der Lage ist, uns aus den Fängen der Zeit zu befreien.

      Als ich an die Webster kam, wollte ich am liebsten gleichzeitig in der Blaskapelle, dem Orchester und dem Jazz-Ensemble mitspielen. Einfach in jeder musikalischen Formation. Dabei war es mir herzlich egal, welches Instrument ich spielen würde. Da ich wusste, dass ich mit dem Klavier weder für die Blaskapelle noch für das Orchester in Frage kam, entschied ich mich für die Klarinette. Eigentlich interessierte ich mich ja für die Posaune. Mir gefiel, wie man mit der linken Hand einen Teil des Instruments vor- und zurückschob. Auch die golden glänzende Optik sprach mich an. Allerdings hatte ich bei meinen Eltern die Platten von Benny Goodman gehört, weshalb die Klarinette irgendwie „cooler“ auf mich wirkte. Vielleicht würden mich die Mädchen mögen, wenn ich Klarinette spielte. Leider trug ich damals eine Zahnspange und der Kieferorthopäde sagte: „Nein, Klarinette kannst du nicht spielen! Immerhin versuchen wir, deine Zähne nach hinten zu begradigen. Dieses Instrument bewirkt aber das Gegenteil!“

      Ich fragte daraufhin Mr. Armour, der auch mein Klassenlehrer war, nach seiner Meinung. „Nun ja, John, für die Band und das Orchester brauchen wir noch einen Schlagzeuger.“ Das hörte sich reizvoll an, da Drums ein Flair von Coolness anhaftet.

      Ich begann mit einer einzelnen Bassdrum. Dann lernte ich mit den Becken umzugehen. Ich arbeitete mich auf diese Weise bis zur Snare durch, auf der man ausgeklügelte, kompliziertere Rhythmen spielt. Mr. Armour ermutigte mich, mich in Geduld zu üben. Später begriff ich, dass ich auf diese Weise genaue Kenntnisse über sämtliche Bestandteile eines Schlagzeugs gesammelt hatte. Alle zusammen genommen repräsentierten sie die gesamte Welt der Percussion.

      Mein musikalischer Mentor riet mir, private Unterrichtsstunden zu nehmen. „Wenn du schnell Fortschritte machen willst, ist das genau der richtige Ansatz“, meinte Mr. Armour. Ich muss meinen Eltern zugutehalten, dass sie nicht nur die Kohle dafür springen ließen, sondern auch gelegentlich mein lärmendes Schlagzeugspiel im Haus duldeten. Ich schreibe „gelegentlich“, da sie mich lieber auf meinem Übungs-Pad aus schwarzem Gummi spielen sahen. Das fand ich aber lahmarschig. Zwar federte der Drumstick zurück wie bei einer echten Trommel, wenn man draufschlug, doch die Oberfläche blieb ansonsten stumm.

      Als ich schließlich im Schulorchester an die Kesselpauken beordert wurde, durfte ich mich am Ende der Sinfonien mit dramatischen Trommelwirbeln in Szene setzen. Wie aufregend war das denn! Ich zählte die Takte mit und wartete auf meinen Einsatz, während ich Mr. Armour mit seiner Richard-Nixon-Frisur und seinem Stab beim Dirigieren beobachtete. Auf seinem Podium wirkte er groß und souverän. Alles, was mit Musik zu tun hatte, brachte seine Augen zum Funkeln. Tatsächlich schienen seine Augen permanent zu funkeln, was wohl an seiner Liebe zur Musik lag. Wie schon der bahnbrechende kalifornische Pädagoge Paul Cummins so treffend formulierte: „Mit seinem Enthusiasmus für ein Schulfach dient ein Lehrer seinen Schülern als Vorbild. Seine Energie stellt eine elementare Eigenschaft dar, die der Schüler auch in sich selbst

      vorfinden will.“

      Die Doors bezogen ihre Power aus der Kraft des Ensembles –

      eine Lektion, die ich bei Mr. Armour gelernt hatte. Es ist nämlich ganz egal, ob man in einer vierköpfigen Rock-Combo oder mit einem aus 40 Personen bestehenden Orchester spielt. Um die Magie zu entfesseln, muss jeder Musiker sich dem Ensemble unterordnen. Alle müssen ganz genau und bewusst aufeinander hören. Das Ganze besteht aus mehr als aus seinen Einzelteilen. Ich erfuhr dieses Geheimnis als Jungspund im Orchester der Junior-High-School. Wenn sich nur auch unterschiedliche Kulturen auf dieselbe Art und Weise respektieren würden: Dann hätten wir eine Vielzahl verschiedener Gesellschaften, die aber wie ein globales Orchester in Harmonie miteinander leben würden. Es erklängen allerorts diverse, aber wohltuende Klänge.

      Viele, viele Jahre später stattete ich der Daniel Webster Junior High School einen Besuch ab. Leider war die Schule da schon ziemlich heruntergekommen. Mein Foto hing immer noch an jener Wand, an der die musikalischen Lichtgestalten unter den einstigen Schülern geehrt wurden. Allerdings ließ sich kaum leugnen, dass nicht gerade viel Geld investiert wurde, um diese Schule oder ihre Musikprogramme auf dem neuesten Stand zu halten. Ich unterhielt mich kurz mit dem neuen Musiklehrer. Er versicherte mir, dass meine Zeit an der Schule, damals mit Mr. Armour, so etwas wie die Blütezeit gewesen war. Abgenutzte Musikinstrumente hin oder her – es war die Leidenschaft, die dieser nerdige Flötist ausgestrahlt hatte, die den Unterschied machte. Musiker sind die Botschafter einer versteckten Welt, die sich in jedem von uns verbirgt. Für Robert Armour stellte die Flöte jenen kleinen Vogel in uns allen dar, der imstande ist, die einen definierende Melodie zu zwitschern. Mr. Armour hat mein musikalisches Feuer entfacht und leuchtete mir meinen zukünftigen Weg. Danke, Robert A.