Carl Schmitts Gegenrevolution. Reinhard Mehring

Читать онлайн.
Название Carl Schmitts Gegenrevolution
Автор произведения Reinhard Mehring
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783863935771



Скачать книгу

III.Die Spanische Grippe und die Lehre von der „kommissarischen Diktatur“

       IV.Gegen romantischen Utopismus: Schmitts Novalis-Bild

       V.Gegen den Anarchismus: Fritz Mauthner und Gustav Landauer im Visier

       VI.Cortés-Maske im Spanienmythos

       Teil B: Von der Liberalismuskritik zur „demokratischen Legitimität“?

       I.Max Weber und Carl Schmitt

       II.Cato oder Plato? Max Webers letzte Worte

       III.Biographie eines Antipoden: Hans Kelsen (1881–1973)

       IV.Demokratiediskurs als philosophische Bewegung. Zum Methoden- und Richtungsstreit in der Weimarer Staatsrechtslehre

       V.Liberale Demokratie als Paradoxon? Carl Schmitts Beisetzung des klassischen Liberalismus

       VI.Soziale Realität versus „Begriffsrealismus“: Otto Kirchheimer und der Links-Schmittismus

       VII.Abrechnungen enger Weggefährten: Eduard Rosenbaum und Moritz J. Bonn

       Teil C: Antwortsuche und mythische Verstrickung

       Überleitung

       I.Vordenker der souveränen Diktatur? Das antiliberale Rousseau-Bild und Carl Schmitt

       II.Goethe oder Shakespeare? Rollenspiele im Nationalsozialismus

       III.Konstitutionalismus und Antisemitismus: Carl Schmitts Rechtswissenschaftsgeschichte

       IV.„Autor vor allem der ‚Judenfrage‘ von 1843“: Carl Schmitts Bruno Bauer

       V.„Ich müßte mich mit Triepel auseinandersetzen“. Triepel, Schmitt und Die Hegemonie

       VI.Savigny oder Hegel? Die Schrift Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft

       Teil D: Legitimitätssuche im Spätwerk

       I.Legitimität gegen Legalität? Schmitts Absetzung von Johannes Winckelmann

       II.Sinnkritik nach Carl Schmitt. Reinhart Kosellecks Rezeption im Briefwechsel

       III.Akkreditierung im Schmittianismus? Herfried Münklers Korrespondenz mit Carl Schmitt

       IV.Im „Labyrinth der Legitimitäten“ und Ethos-Analyse: Schmitt und Münkler über neue Kriege und Krieger

       V.„Neue Normalität“ und Postheroismus in Merkels anfänglicher Corona-Politik

       VI.Statt eines Schlusses: Gespräch mit Damen über den abwesenden Herrn Schmitt

       Nachwort

       Siglen der wichtigsten Werke Carl Schmitts

       Nachweise

       Anmerkungen

       Zur Einführung in die Thematik

      Am 7. Januar 2015, dem Tag des Pariser Terroranschlags auf das Satiremagazin Charlie Hebdo, Auftakt weiterer Terrorserien, erschien Michel Houellebecqs Roman Unterwerfung (Soumission).11 Heute wirkt er durch die neuere politische Entwicklung in Frankreich, den Umsturz des Parteiensystems und den Wahlsieg Emmanuel Macrons (2017) sowie der neuen Lage seit der Corona-Pandemie etwas überholt. Houellebecq publizierte den Roman in die Endphase der sozialdemokratischen Regierung François Hollande hinein und imaginierte hier, in den Kategorien Carl Schmitts gesprochen, eine „legale Revolution“ durch eine Partei des politischen Islamismus, die, analog Hitler, einen Legalitätskurs zur Machtergreifung verfolgte, weil sie auf die strategische Schwäche der parlamentarischen Systemparteien setzte, um über eine Regierungsbeteiligung zur diktatorischen Macht zu gelangen. Houellebecq entwarf den Musterfall einer legalen Revolution nach dem Drehbuch Schmitts. Sein Ich-Erzähler, Literaturwissenschaftler und Huysmanns-Spezialist ähnelt mit seiner zynischen und sexistischen Lebensführung sowie seiner Ausflucht in den katholischen Rechtsintellektualismus auch Schmitt selbst; auch der wurde immer wieder als nihilistischer Ästhetizist gedeutet, der den Sprung in den autoritären Katholizismus suchte, ohne ihn ernstlich zu leben. Auch die Korrelation von Sexismus und Politik, der Dreiklang autoritärer Liquidierung und Unterwerfung der Frau, des sacrificium intellectus und der politischen Autonomie und Freiheit ähnelt Schmitts gegenrevolutionärer Botschaft. Wie Schmitt 1933 unterwirft sich Houellebecqs Ich-Erzähler am Ende der Diktatur, nachdem ihm persönliche Privilegien und akademische Reputation garantiert wurden.

      Aktuell ist die Lage der liberalen und parlamentarischen Demokratie heute, nicht erst seit Corona, alles andere als rosig. Schwenkten die Historiker von den Konfrontationsgeschichten des Kalten Krieges nach 1989 auf triumphale Glücksgeschichten und Erfolgsnarrative um, so wird die Zukunft der Demokratie seit dem 11. September 2001 negativer erzählt. Unter den terroristischen und fundamentalistischen Bedrohungen wurden liberale Freiheiten der Sicherheit geopfert. Erlebte das 20. Jahrhundert die Weltherrschaft der USA, so scheint China heute im hegemonialen Ausscheidungskampf zu triumphieren.12 Es zeigt dabei wenig Neigungen, sich zu demokratisieren, und nutzt die digitale Revolution vielmehr für die Optimierung eines repressiven Überwachungsregimes. Wir diskutieren die aktuelle Krise der Demokratie heute in Europa vereinfacht mit Chiffren und Stichworten wie: Putin, Erdogan, Bolsonaro, Trump. Seit der Milleniumswende erlebten wir ein katastrophales Scheitern vorgeblicher Demokratisierungsmissionen im Mittleren und Nahen Osten, Afghanistan- und Irak-Krieg, den Untergang des „Arabischen Frühlings“ in Diktatur und Bürgerkrieg, ein Scheitern des europäischen Verfassungsprozesses an Volksabstimmungen und nationalen Parlamenten, das vielfach bedenkliche exekutive