Название | Die Befragung |
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Автор произведения | Armin Scholl |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846340806 |
Sieht man von den Online-Access-Panels ab, besteht das Hauptproblem von Online-Befragungen darin, dass Nutzer und Nutzung nicht kongruent sein müssen, da IP-Adressen nicht fest, sondern dynamisch durch den jeweiligen Provider zugewiesen werden. So können sich hinter einer IP-Adresse auch mehrere Nutzer verbergen, die gemeinsam auf einen Computer zugreifen (vgl. Welker / Werner / Scholz 2005: 34). Der Forscher hat mehrere Möglichkeiten, den Nutzer (als Person) zu identifizieren (vgl. Funke / Reips 2007: 54f.):
Man kann Cookies beim zu befragenden Nutzer hinterlassen und so die betreffende Website, auf der der Fragebogen platziert ist personalisieren. Allerdings sind Cookies leicht zu deaktivieren oder zu löschen, sodass insbesondere versierte Computernutzer die Identifikation verhindern können.
Eine andere Möglichkeit sind Session-IDs, also eindeutige Identifikationsvariablen für eine Sitzung. Mit beiden Maßnahmen kann nicht verhindert werden, dass der Fragebogen mehrfach beantwortet wird, was bei wissenschaftlichen Befragungen allerdings selten vorkommen dürfte.
Die beste Vorgehensweise ist die Vergabe eines individuellen Login-Codes, weil sie den Nutzer und das Ausfüllen des Fragebogens identifiziert.
[57]2.5.3 | Vorteile der Online-Befragung |
Die Online-Befragung bietet aufgrund ihrer technischen Möglichkeiten mehrere Vorteile in Bezug auf das Instrument (Fragebogen) und die Durchführung (Erhebung und Aufbereitung der Daten):
Bei Online-Befragungen besteht zusätzlich die Möglichkeit multimedialer Präsentation, indem Audio- und Videosequenzen mit Text verknüpft werden können. Dies kann zwar prinzipiell auch in anderen computergestützten Befragungsformen realisiert werden, ist aber online am besten einsetzbar.Außerdem besteht zusätzlich die Möglichkeit des Feedback für den Befragten, der parallel zur Erhebung bereits die bis dahin vorliegenden Zwischenergebnisse einsehen kann. Solche erweiterten technischen Möglichkeiten machen die Teilnahme an der Befragung interessanter (vgl. Pötschke / Simonson 2001: 12f.).
Während bei konventionellen schriftlichen Befragungen die Befragungssituation nicht kontrollierbar ist, kann dieser Nachteil bei Online-Befragungen etwas kompensiert werden, indem die automatisch anfallenden Server-Log-Protokolle, ausgewertet werden. Sie geben Hinweise auf den Prozess, wie die Frage bearbeitet wurde. Die übliche Typologie in Personen, die a) alle Fragen beantworten, b) einzelne Fragen nicht beantworten und c) den ganzen Fragebogen nicht ausfüllen, kann auf diese Weise differenziert und ergänzt werden, indem auch Personentypen berücksichtigt werden, die sich zwar den Fragebogen anschauen, ihn oder einzelne Fragen aber nicht ausfüllen (»Lurker«). Außerdem kann das Antwortverhalten von Abbrechern (»Dropouts)«, die zwar einen Teil des Fragebogens ausfüllen, aber ab einer bestimmten Frage aussteigen, detailliert erfasst werden (vgl. Bosnjak / Tuten / Bandilla 2001: 10ff.; Funke / Reips 2007: 62f.). Solche nicht-reaktiven »Paradaten« machen den Befragungsprozess transparenter und können für die Verbesserung der Qualität von Befragungen genutzt werden (vgl. Kaczmirek / Neubarth 2007: 294ff.).Durch automatische Plausibilitätschecks, die bei der Fragebogenprogrammierung eingebaut werden können, sind Fehlerkontrollen möglich. Die Filterführung ist ebenfalls automatisiert, sodass – ähnlich wie beim computerunterstützten Telefoninterview – keine Interviewerfehler mehr vorkommen können. Weiterhin können Items oder Statements zufällig rotiert werden (→ Kapitel 5.8), um Reihenfolgeeffekte (→ Kapitel 7.2.2) zu vermeiden (vgl. Welker / Werner / Scholz 2005: 70, 82).
Online-Befragungen verursachen nur geringe Kosten. Dazu gehört auch die automatische Verwaltung der Durchführung oder der kostengünstige Einsatz [58]verschiedener Fragebogenvarianten, etwa bei Methodentests (»Split-Ballot-Experimente« → Kapitel 7.1) oder bei mehrsprachigen Umfragen (vgl. Welker / Werner / Scholz 2005: 80f.).
Online-Befragungen führen tendenziell zu höherer Offenheit seitens der Befragten und erzeugen offenbar weniger häufig durch soziale Erwünschtheit verzerrte Antworten (→ Kapitel 7.3.1). Der Grad der Anonymität wird von den Befragten als noch höher als bei der herkömmlichen schriftlichen Befragung empfunden (vgl. Taddicken 2007: 98f.).
2.5.4 | Nachteile der Online-Befragung |
Neben den allgemeinen Nachteilen von schriftlichen Befragungen treten bei
Online-Befragungen zusätzliche Probleme auf:
Ein nach wie vor ungelöstes Problem stellt die Repräsentativität der durch Online-Befragungen erzielten Ergebnisse dar, denn die Grundgesamtheit der Internet-Nutzer ist (bislang) undefiniert, sodass eine echte Zufallsstichprobe (noch) nicht möglich ist.Hinzu kommt das Problem der geringen Abdeckung, weil nach wie vor das Internet nicht von der gesamten Bevölkerung genutzt wird, auch wenn die Nutzerzahlen steigen (vgl. Bandilla / Bosnjak / Altdorfer 2001: 8). Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn nicht nur Internetnutzer zur Grundgesamtheit der betreffenden Studie zählen.
Jede technische Neuerung bietet nicht nur Verbesserungspotenziale, sondern auch verursacht auch Folgeprobleme, insbesondere im Hinblick auf die Kompetenz, etwa bei der Fragebogenerstellung. Umgekehrt werden technisch versierte Forscher dazu verführt, Fragebögen durch Multimediaelemente zu überfrachten. Dies gilt analog auch für die Befragten, die durch den Online-Einsatz nach wie vor je nach eigener technischer Kompetenz bevorzugt oder benachteiligt werden, sodass bestimmte Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert und andere unterrepräsentiert werden (vgl. Welker / Werner / Scholz 2005: 80f.).
Der Vorteil der größeren Offenheit und höheren Anonymitätserfahrung kann aber auch in einen Nachteil umschlagen, wenn dadurch die Verbindlichkeit der Befragung sinkt. Im Internet ist das Spiel mit der Identität und die strategische Selbstdarstellung überdurchschnittlich verbreitet, sodass bei Online-Befragungen bei bestimmten Fragen mit erhöhten Verzerrungen zu rechnen ist (vgl. Taddicken 2007: 98).
[59]2.6 | Vergleich der Befragungsverfahren |
Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Einsatz der vorgestellten Verfahren von der Fragestellung abhängt. Jedes Verfahren hat seine Vorteile und Nachteile oder Stärken und Schwächen; das betrifft sowohl die Möglichkeiten der Stichprobenziehung als auch der Durchführung der Befragung selbst. Damit erübrigt sich eine Sichtweise, die von der wechselseitigen Substitution der Verfahren ausgeht. Eher können sich die Verfahren ergänzen.
Studien zur vergleichenden Methodenforschung belegen, dass sich die Ergebnisse der Verfahren bei gleicher Thematik (Fragestellung) und gleichem Instrument (Fragebogen) unterscheiden. Die Unterscheidungen betreffen die Struktur der Stichprobe, die prozentuale Verteilung und möglicherweise auch die Qualität der Antworten der Befragten (vgl. Ostermeyer / Meier 1994). Bei Telefonbefragungen werden das Vorkommen trivialer Ereignisse unterschätzt und höhere Zufriedenheitswerte auf betreffende Fragen erzielt. Die postalische Befragung begünstigt die Erinnerung an vergangene Ereignisse, und die Antworten sind »ehrlicher« (vgl. Reuband / Blasius 1996; Reuband 2000: 219). Das persönliche Interview erweist sich gegenüber dem Telefoninterview als empfindlicher und störanfälliger bei geringfügigen Veränderungen des Instruments (Frageformulierungen, Antwortvorgaben), dafür ist es differenzierter und variabler: Unbewusste, emotionale und moralisch-geladene Sachverhalte gehen beim Telefoninterview (etwas) verloren (vgl. Noelle-Neumann / Petersen 2000: 198).
Im persönlichen Interview ist die soziale Interaktion zwischen dem Interviewer und dem Befragten am intensivsten und die Möglichkeiten, das Instrument (den Fragebogen) inhaltlich komplex anzulegen, am größten, weil der Interviewer Nachfragen des Befragten klären kann. Außerdem ist der Kontakt zum Befragten am verbindlichsten, sodass die Ausschöpfung der Stichprobe höher ist als bei den anderen Verfahren. Allerdings ist es das aufwändigste und kostenintensivste Verfahren. Die Verbindlichkeit der Interviewsituation hat die Kehrseite der geringen Anonymität, sodass bei heiklen oder sensiblen Fragen das Risiko unehrlicher Antworten besteht.
Die schriftliche Befragung