Название | Das qualitative Interview |
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Автор произведения | Manfred Lueger |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846352809 |
In diesem fiktiven Probierstadium zur kognitiven Strukturierung des Forschungsfeldes verschafft man sich aus einer Außenperspektive einen ersten Überblick über den Forschungsgegenstand (eventuell auch unter Einbeziehung von Expert*innenmeinungen) und klärt die eigenen Erwartungen und Vorannahmen. Im Zuge dessen ist zu prüfen, welche Vor- und Nachteile mit unterschiedlichen Feldzugängen verbunden sind: Bildet die Geschäftsführung eines Unternehmens die entscheidende Kontaktstelle, so kann dies gravierende Probleme nach sich ziehen, wenn diese Geschäftsführung gerade ein Personalabbauprogramm vorbereitet. Auch wenn das Untersuchungsvorhaben mit diesem Programm nichts zu tun hat, könnte ein bereits vorhandenes Misstrauen gegenüber der Geschäftsführung auf das Projektteam übertragen werden. In einer solchen Situation kommt es daher darauf an, das Vertrauen der Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Dies bedeutet, dass man – egal ob die Geschäftsführung, die Gewerkschaft, außenstehende Vermittlungsinstanzen etc. den Eintritt in das Forschungsfeld ermöglichen – mit Zuschreibungen konfrontiert ist, die man selbst nur bedingt steuern kann. Aber man kann darauf achten, welche möglichen Zuschreibungen auftauchen könnten und welche Strategien sich anbieten, ungünstige Zuschreibungen zu vermeiden oder aufzufangen.
Um ein System kennenzulernen, ist es wichtig, sich mit den Handlungsweisen des Feldes vertraut zu machen. Dafür bietet sich an, Strukturierungsleistungen des Feldes für die Forschung zu nutzen: Wie ein soziales Feld mit externen Forscher*innen umgeht, sagt beispielsweise viel über die Strukturierung der Außengrenze eines sozialen Systems aus (vgl. Lau/Wolff 1983). Man sollte daher bereits während der Planung darauf achten, dass der Forschungseinstieg das erste Analysematerial verfügbar macht. Um dieses Material auch forscherisch nutzen zu können, sollte man auf die Dokumentation dieses Einstiegs vorbereitet sein. Darüber hinaus könnte man bereits im Vorfeld überlegen, wie man die Akteur*innen in einem sozialen System in den Forschungsprozess einbindet, indem man etwa bestimmte Agenden (wie die Zusammensetzung von Gesprächsrunden) an Akteur*innen im sozialen System überträgt oder mit diesen die Vorgangsweise im Studienverlauf diskutiert. Hinsichtlich der Durchführung von Gesprächen ist zu prüfen, welche Vor- und Nachteile dieses Verfahren in Hinblick auf die Untersuchung einer Forschungsfrage aufweist. Dabei sind Fragen zu klären wie:
•Inwiefern sind Gespräche anderen möglichen Verfahren (wie etwa Beobachtung oder Artefaktanalysen) überlegen?
•Welche Differenzierungen des Untersuchungsgegenstandes vermittelt dieser nach außen und welche Schlüsse sind daraus für den Forschungszugang zu ziehen?
•[22]Welche Gruppen von Akteur*innen in einem sozialen System bzw. dessen Umfeld kommen für Gespräche in Frage und welche Besonderheiten des Feldes könnten dabei aus dem Blick geraten?
•Gibt es mögliche Zugangsrestriktionen und wie kann man diese überwinden?
•Welche Erwartungen, die mögliche Ansprechpartner*innen an die Forscher*innen herantragen könnten, sind antizipierbar und welche Konsequenzen hat das für den Zugang zum Feld?
•Welche Kompetenzen werden für die Forschungsdurchführung benötigt, um eine adäquate Durchführung und Analyse der Gespräche zu gewährleisten, und wie können eventuelle Kompetenzdefizite beseitigt werden?
•Welche Möglichkeiten zur Anregung von Strukturierungsleistungen bestehen?
b)Die Orientierungsphase
Diese Phase setzt die in der Planung vorgesehenen Schritte erstmals um. In heiklen Forschungsfeldern (etwa im Fall von Zugangsrestriktionen in abgeschlossenen Bereichen wie Haftanstalten, Ministerien, Schulen oder Forschungsabteilungen in Unternehmen, aber auch in Familien) ist diese Eröffnung des Kontaktes zum untersuchten sozialen System besonders wichtig, weil in deren Verlauf Kommunikationsschnittstellen etabliert und Möglichkeiten der weiteren Forschungsorganisierung im Feld erschlossen werden.
Ersten Beziehungen kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie den Rahmen für Folgekontakte schaffen und Zuschreibungen auslösen, die den Zugang zu weiteren Kontaktstellen oder -personen verändern (d. h. erleichtern oder eventuell blockieren). In dieser Phase spielt sich das Forschungssystem auf drei Ebenen ein: (a) Forschungsseitig bedarf es in vielen Fällen einer Regulierung und Normalisierung der internen Arbeitsbeziehungen im Forschungsteam (insbesondere wenn die Teammitglieder noch nie in der gewählten Konstellation zusammengearbeitet haben oder über wenig Forschungserfahrungen verfügen). (b) Dazu kommt der Aufbau tragfähiger Beziehungen zum Untersuchungsfeld, um die weitere Vorgangsweise abstimmen zu können (z. B. wer den Kontakt zu welchen Personen hält, welche Informationen an welche Personen weitergegeben oder vertraulich behandelt werden). (c) Auch das untersuchte System beginnt, sich auf die Forschungsaktivitäten einzustellen (etwa indem Mitglieder des untersuchten Systems sich über die Erfahrungen mit der Forschung austauschen).
In diesem Zugangsprozess wird auch die Eignung verschiedener Verfahrensweisen im Forschungsfeld geprüft (vgl. z.B. Lueger 2000). Das betrifft die ersten Entscheidungen sowohl bezüglich der Erhebung als auch der Interpretation. Am Beginn sind dies meist sehr offene Gespräche mit externen Expert*innen (um etwa die Zugangsmöglichkeiten und die Rahmenbedingungen einer Forschungsarbeit zu erkunden) oder mit sogenannten Gatekeepern im sozialen Feld (um [23]sich im Verlauf der Eröffnung des Zuganges einen ersten Überblick zu verschaffen).
Für die in dieser Phase geführten ersten Gespräche ist zu berücksichtigen, dass sie eine wichtige Funktion für die Aushandlung einer für das soziale System verträglichen Vorgangsweise übernehmen und ein positives Forschungsklima herstellen sollten. Daraus folgt, dass der sozialen Dimension der Forschungsorganisierung in den ersten Gesprächen besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte. Im Zuge dessen erhält man erste Informationen über den Umgang eines sozialen Systems mit externen Personen und über interne Prozesse. In dieser Phase ist daher die Überlegung folgender Fragen nützlich:
•Wer könnte (speziell wenn dem Forschungsteam das zu untersuchende System sehr fremd ist) vertrauenswürdige Informationen zur ersten Orientierung über das zu untersuchende soziale System geben (externe Expert*innen)?
•Wer sind erste Ansprechpartner*innen im sozialen System (z. B. Gatekeeper, die den Weg in das System erschließen)?
•Wie kontaktiert man diese Personen?
•Wann erscheint der Zeitpunkt zur Kontaktaufnahme geeignet und welche Zeitstrukturen könnten hier von Bedeutung sein?
•Wo sollen die erste Kontaktnahme und das erste Gespräch stattfinden (unter der Annahme, dass die Erhebungssituation Effekte für das produzierte Material hervorruft)?
•Auf welche Weise könnte das System bereits bei der Kontaktaufnahme Systeminformationen produzieren (z. B. Umgang mit einem Forschungsansinnen) und was muss daher bei der Strukturierung der ersten Kontaktsituation beachtet werden?
•Welche Informationen sollte man dem untersuchten System über das Forschungsvorhaben geben, um ein Vertrauensverhältnis zu den potenziellen Gesprächspartner*innen aufzubauen?
•Welche organisatorischen Maßnahmen zur Sicherung des Vertrauensverhältnisses werden ergriffen?
•Welche Informationen benötigt man aus dem sozialen Feld, um eine sinnvolle Auswahl von Gesprächspartner*innen treffen zu können?
•Welche Informationen sind zur erfolgreichen Kontaktierung von Gesprächspartner*innen erforderlich?
•Wie lassen sich unterschiedliche Formen von Expertisen im fokussierten sozialen System und in dessen Umwelt identifizieren?
•Wie kann die Forschungsfrage nach den ersten Erfahrungen reformuliert werden?
Auf inhaltlicher Ebene holt man in den Gesprächen Informationen über die Selbstbeschreibung des sozialen