Bildethik. Christian Schicha

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Название Bildethik
Автор произведения Christian Schicha
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783846355190



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stattfinden, die in historisch oder sozial variablem Ausmaß der Kontrolle des Außenraums entzogen werden“.

      Gleichwohl existieren Einschränkungen derartiger Beschränkungen, die einige Bereiche umfassen. Dazu gehören Bilder, bei denen die Personen nur als Beiwerk im Rahmen einer Landschaft oder einer anderen Örtlichkeit abgebildet sind, Bilder von offiziellen Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen, an denen die abgebildeten Personen teilgenommen haben, sowie Bilder, die im Sinne eines höheren Interesses der Kunst dienen (vgl. Gruber 2006, Leifert 2007). Insofern handelt es sich stets um eine Abwägungsentscheidung nach spezifischen Kriterien, ob Bilder veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Relevant ist also, ob es sich um eine öffentliche Veranstaltung mit Prominenten handelt, in der z. B. Repräsentationspflichten vollzogen werden oder um privates Agieren im öffentlichen oder privaten Raum. Die Privat- und Intimsphäre von Prominenten und Nicht-Prominenten ist aber stets zu schützen.

      „Tabu sind Aufnahmen aus der Intimsphäre, und bei Bildern aus der Privatsphäre kommt es darauf an, ob der Öffentlichkeitswert das Interesse an der Privatheit überwiegt.“ (Gerhardt/Steffen/Tillmanns 2015, S. 206)

      Diese Grenze lässt sich anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen. Trotz des angeblich großen öffentlichen Interesses an den Aufnahmen von Kate Middleton, der Ehefrau des englischen Prinzen William, die in ihrem Strandurlaub mit nacktem Oberkörper fotografiert worden ist, wurde nach erstem Abdrucken durch eine italienische Illustrierte die Weiterverbreitung dieser Bilder juristisch untersagt (vgl. Lamprecht 2013).

      Offizielle Auftritte in sozialen Zusammenhängen z. B. von Amtsträgern dürfen hingegen durch Bilder stets dokumentiert und publiziert werden (vgl. Mast 2004).

      Bei nicht prominenten Personen dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung der Abgebildeten verbreitet und ausgestellt werden. Dabei handelt es sich um Fotos, Film- und Fernsehaufnahmen, aber auch um Zeichnungen und Gemälde. Die Privat- und Intimsphäre sind hier besonders geschützt. Dazu gehören öffentlich zugängliche Räumlichkeiten wie Toiletten, Umkleidekabinen und ärztliche Behandlungszimmer. Der leichtfertige und unreflektierte Umgang mit Bildern im Alltag kann also justiziabel sein. Schließlich war es noch nie so einfach und kostengünstig, Aufnahmen mit dem Smartphone zu machen und zu verbreiten. So werden Bilder von Opfern bei Verkehrsunfällen regelmäßig gefilmt und ins Internet gestellt. Was harmlos als das Teilen von Informationen klassifiziert wird, ist faktisch eine Form von Voyeurismus und Sensationsgier, bei der unsensible Hobbyfotografen das Schicksal von Verletzten zum Zwecke der eigenen Aufmerksamkeits­stei­ge­rung und Sensationsgier instrumentalisieren. Der Beobachter mit dem Handy wird zum Täter, indem er das Grauen dokumentiert und weiterverbreitet. Durch dieses Verhalten werden Persönlichkeitsrechte der Opfer ebenso verletzt wie die Gefühle deren Angehörigen. Dies gilt zusätzlich für so genannte Spannerbilder, bei denen Menschen ihre Opfer z. B. heimlich in Umkleidekabinen und Waschräumen ablichten und diese Bilder dann ins Netz stellen. Das heimliche Fotografieren und Filmen unter den Rock (Upskirting) oder in den Ausschnitt von Frauen ist ebenso eine Straftat wie das Aufnehmen von Unfalltoten. Seit Mitte 2020 droht in Deutschland bei einem derartigen Verhalten eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (vgl. o.V. 2020).

      Besonders sensibel und reflektiert sollte der Umgang mit Kinderbildern sein. Schließlich gilt:

      „Rechtlich bedarf es bei jedem veröffentlichtem Bild der Einwilligung der abgebildeten Personen. Das Recht am eigenen Bild gemäß § 22 Satz 1 KunstUrhG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz kann nur von Erwachsenen beansprucht werden, bei minderjährigen Kindern sind die gesetzlichen Vertreter – meist die Eltern – für die Wahrung ihrer Rechte verantwortlich. Wichtig ist also, bei den Eltern eine Einsicht in die Risiken ihres Handelns zu schaffen in der Hoffnung, einen bewussten und ethisch vertretbaren Umgang mit Bildern von Kindern im Internet zu erreichen.“ (Pubantz 2021)

      Insofern sollte vor der Veröffentlichung von Kinderbildern das Einverständnis der Betroffenen vorhanden sein. Die Privat- und Intimsphäre darf hierbei grundsätzlich nicht verletzt werden.

      Es ist weiterhin untersagt, Bilder von Menschen zu publizieren, für die eine Fotoveröffentlichung eine Gefährdung für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum bedeuten würden. Folgendes Beispiel nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt fällt in diesen Bereich:

      „Das Porträtfoto des Vorstandvorsitzenden eines Chemiekonzerns darf nicht steckbriefartig auf einem Plakat mit dem Slogan ‚Alle reden vom Klima – wir ruinieren es – wiedergegeben werden.“ (Fricke 2010, S. 226)

      Das Urteil resultiert aus der Befürchtung, dass die Veröffentlichung dieses sogenannten Steckbriefes einen Gewaltakt gegen den Firmenchef zur Folge hätte haben können. Fahndungsfotos dürfen ohnehin nur von Behörden herausgegeben werden. Nur dann dürfen sie über die Medien verbreitet werden.

      Gesetzliche Fotografierverbote gelten insgesamt unter folgenden Umständen (vgl. Fricke 2010):

       Werbung ohne Einwilligung des Betroffenen,

       Diskreditierung durch Herabsetzung, Zurschaustellung, Verächtlichmachung und Anprangerung,

       Personengefährdung bei Polizisten, Geheimagenten, Detektiven und Sicherheitskräften,

       Verfolgungs- und Belagerungssituationen bei der Observation

       und bei Kriegsgefangenen, sofern die Gesichter identifiziert werden können.

      Während laufender Gerichtsverfahren darf in Deutschland nicht gefilmt werden. Notizen und Zeichnungen sind jedoch gestattet. Gesetzliche Fotografierverbote betreffen das Ablichten militärischer Anlagen und das Fotografieren aus dem Flugzeug und mit Drohnen, sofern es sich nicht um das eigene Grundstück handelt (vgl. Fricke 2010).

      Juristisch relevant können weiterhin staatliche Eingriffe sein, die Bürgerrechte missachten. Das Recht auf Privatheit sowie der Datenschutz und die Datensicherheit werden negativ tangiert, wenn Fotos von Geheimdiensten mit einer Gesichtserkennungssoftware überprüft werden, und dadurch Überwachung ermöglichen (vgl. Grimm/Keber/Zöllner 2019).

      Der Tod führt nicht automatisch dazu, dass Persönlichkeitsrechte enden. Aufgrund von postmortalen Persönlichkeitsrechten dürfen Bilder von Verstorbenen nur mit Einwilligung ihrer Angehörigen veröffentlicht werden. Ausnahmen kann es bei Personen der Zeitgeschichte aufgrund des öffentlichen Interesses geben. Identifizierbare Aufnahmen von Trauernden dürfen ebenfalls nur mit dem Einverständnis der Betroffenen publiziert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Aufnahmen zu verpixeln, um eine Erkennbarkeit zu verhindern (vgl. Gulden 2020).

      Im Gegensatz zur Bildethik, auf die nachfolgend eingegangen wird, werden rechtliche Normen im Bildrecht politisch in Kraft gesetzt und bei Missachtung mit Strafen durch die Justiz sanktioniert.

      3.2 Bildethik

      „Erst der Umgang mit Bildern in der Praxis zwischenmenschlicher und massenmedialer Kommunikation bindet Bilder in normative Kontexte ein und stellt [...] Fragen nach dem richtigen Handeln mit Bildern, die in den Bereich der Bildethik fallen […]“ (Leifert 2007, S. 298).

      Die Ethik verfügt im Gegensatz zum Recht nicht über juristische Steuerungs- und Sanktionsmöglichkeiten, sondern setzt auf Reflexion und Sensibilisierung in Fällen der Verletzung gültiger Normen und Werte. Sie beschäftigt sich mit der Begründung von Handlungen und Unterlassungen (vgl. Birnbacher 1995) sowie der Entwicklung von Kriterien für moralisch angemessene Entscheidungen. Sie fordert die Rücksichtnahme auf Andere und kann somit Bedürfnisse und Freiheiten der agierenden Akteure einschränken. Dem Postulat des Universalismus zufolge sind ethische Grundsätze „für alle Menschen gleichermaßen verbindlich, unabhängig von Zeit, Ort oder besonderen Umständen“ (Hepfer 2008,