Bildethik. Christian Schicha

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Название Bildethik
Автор произведения Christian Schicha
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783846355190



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Visualisierungsformen eingesetzt, die keinen unmittelbaren Bezug zum eigentlichen Gegenstand haben müssen. So werden in Musikvideos und Videoclips Bildelemente eingesetzt, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem Song stehen. Es geht primär um eine ästhetisch ansprechende Wirkung. Das Bild dient hier primär der Formgebung (vgl. Weiß 2007).

       Wirkbilder generieren eine energetische Funktion. Hierbei kommt es darauf an, bei den Rezipienten als Impuls durch die Farbgestaltung eine positive Wirkung im Rahmen einer Therapie zu erreichen. Überspitzt formuliert übt das Bild eine positive oder negative Macht auf den Betrachter aus. Im negativen Fall können Aggressionen erzeugt werden.

      Nachfolgend werden die zuletzt skizzierten Bildfunktionen in dem folgenden Schaubild noch einmal zusammengefasst:

      Abb. 2:

      Bildfunktionen in Anlehnung an Doelker 1997

      2.8 Bildtypen

      Der Journalismus lebt im Rahmen der Berichterstattung vom Verkauf der Medienprodukte, den Klicks der Internetnutzer und der „Einschaltquotenmentalität“ (Bourdieu 1998, S. 36.) im Fernsehen. Massenmedien müssen im Rahmen ihrer Berichterstattung neben den für die Rezipienten vorherrschenden Relevanzstrukturen, Bedürfnissen und Wunschvorstellungen zusätzlich die Sehgewohnheiten diverser Publika beachten, um auf dem Medienmarkt bestehen zu können. Dabei werden Bilder so ausgewählt und eingesetzt, dass sie das Interesse und die Aufmerksamkeit der Rezipienten durch die Verwendung unterschiedlicher Bildtypen erreichen. Durch die Aufnahme von Bildeindrücken lässt sich insgesamt eine hohe Aufmerksamkeit generieren. Diese werden ohne große mentale Anstrengungen aufgenommen und verarbeitet. Sie besitzen zusätzlich einen hohen Wiedererkennungswert (vgl. Geise 2011). Gleichwohl können dadurch weitergehende Zusammenhänge zum Gesamtverständnis nicht erfasst werden. Dafür sind weitergehende Informationen erforderlich.

      Im Rahmen einer eigenen Untersuchung (Meyer/Ontrup/Schicha 2000a) sind eine Reihe von empirisch anzutreffenden Bildtypen aus der politischen Medienberichterstattung skizziert worden, die im Folgenden in einer überarbeiteten und ergänzten Form noch einmal dargestellt und eingeordnet werden.

      Das Erläuterungsbild übernimmt eine unterstützende Funktion gegenüber der verbalen Information, indem es einen Zusammenhang, über den im Text gesprochen wird, visuell verständlich macht. Dabei antwortet es auf Fragen der Zusammenhänge. Die primäre Funktion ist also die didaktische Form der Verständnissicherung. Bilder dieser Art beruhen auf Diagrammen und Trickgrafiken, z. B. bei der Wetterkarte im Fernsehen.

      Das Demonstrationsbild ist dem Erläuterungsbild zwar eng verwandt, unterscheidet sich aber dadurch von ihm, dass wesentlich neue Informationen auf der Bildseite liegen, bzw. der Inhalt des Bildes als noch nicht bekannt vorausgesetzt wird. Es antwortet auf die Frage nach der konkreten Ausgestaltung. Dabei handelt es sich vorzugsweise um Realbilder in einem mehr oder weniger illustrativen Verhältnis zum Text. Es geht darum zu zeigen, worüber im Text gesprochen wird.

      Unter die Kategorie des Darstellungsbildes fallen in dieser Perspektive stereotypisierte Schnittmusterszenen, die jeder Nachrichtenzuschauer seit Jahrzehnten kennt: Politiker be- oder entsteigen Limousinen oder Flugzeugen, unterzeichnen Verträge, schütteln Hände usw. Politiker sehen sich dabei gerne als Erlöser, indem sie durch eine symbolische Scheinhandlung den Eindruck suggerieren, dass sich die Probleme durch ihren Auftritt tatsächlich lösen ließen. So sollte der Besuch von Bill Clinton bei den amerikanischen Soldaten in Deutschland während des Kosovokrieges die Solidarität des amerikanischen Volkes symbolisieren. Als optisches Signal trug der Präsident eine Bomberjacke, um die Verbundenheit mit der Armee zum Ausdruck zu bringen. Entsprechende Kostümierungen haben die amerikanischen Präsidenten George W. Bush und Donald Trump ebenfalls getragen.

      Vom bloßen Darstellungsbild ist das Relationsbild zu unterscheiden, das eine bestimmte Beziehung ausdrückt und dabei erst durch den Zusammenhang mit dem verbalen Text verständlich wird. Die Bilder von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Juli 1990 beim Spaziergang in Alltagskleidung haben nicht einfach nur zwei hemdsärmelige Herren beim Spaziergang gezeigt, sondern sind zum Symbol für die deutsch-sowjetische Verständigung im Vorfeld der deutschen Wiedervereinigung geworden. Derartige, angeblich private, Treffen gehören inzwischen bereits zum Standardprogramm von Begegnungen, bei denen sich Regierungschefs in einer für die Medien inszenierten betont lockeren Form treffen, bei der dann z. B. auf das Tragen von Krawatten verzichtet wird.

      Das Aktionsbild ist umrissen durch ein bestimmtes Milieu, eine bestimmte Situation, aus der eine Handlung hervorgeht, die wiederum die Situation modifiziert. Aktionsbetonte Bilder zeigen einen emotionell interessanten Übergang durch die plötzliche und aktionsreiche Veränderung einer Situation. In diesem Sinne ist das Aktionsbild Teil einer Handlungsfolge, einer Kausalkette mit einer zugrunde liegenden Ursache und einer Folge. Der Dramatisierungseffekt besteht in der Steigerung des unmittelbaren Erlebens und in der Intensivierung des Eindrucks, ein bewegtes emotional interessantes Geschehen zu verfolgen wie Bernhardt und Liebhart (2020, S. 26) konstatieren:

      „Wer beispielsweise die Auswirkungen der Klimakrise verständlich machen möchte, tut dies besser mit Bildern von Waldbränden oder Flutkatastrophen als mit Fotos fröhlicher Badegäste in gut besuchten Schwimmbädern.“

      Dies können ebenfalls Aufnahmen erreichen, die die Konsequenzen des Klimawandels dokumentieren, sofern etwa rasch schwindende Gletscher gezeigt werden. Derartig beeindruckende Katastrophenfotos können einerseits dazu motivieren, sinnvolle Aktivitäten für den Klimaschutz zu beginnen. Andererseits können sie aber eine Abwehrhaltung (Reaktanz) erzeugen, sofern sich Rezipienten mit diesen visuellen Negativbotschaften nicht auseinandersetzen möchten (vgl. Staud 2016). Obwohl aktionsreiche Bilder den Nimbus der Einzigartigkeit verbreiten sollen, bedienen sie in der Regel konventionelle Schemata. Das visuelle Material hat hier einen hohen Konventionalisierungsgrad bei der Darstellung von Kriegshandlungen, Polizeieinsätzen oder gewalttätigen Ausschreitungen, die sich primär an Nachrichtenfaktoren orientieren, bei denen u.a. Konflikte, Auseinandersetzungen und Kontroversen für die Selektion von Nachrichten dargestellt werden (vgl. Staab 1990, Ruhrmann u.a. 2003).

      Eine besonders unterhaltsame und auflockernde Funktion hat das Beziehungsbild. bei dem in Magazin- und Nachrichtensendungen beliebten Prinzip der Doppelmoderation. Hier findet die Zuschaueransprache in einem betont theatralisch inszenierten Rollenspiel statt, bei dem neben dem Moderator noch ein Experte für den Sport im Studio sitzt. Dort werden – speziell bei den privat-kommerziellen Anbietern – so genannte Scherzdialoge geführt, um eine lockere Studioatmosphäre zu suggerieren. Beide Moderatoren werden dann gleichzeitig im Bild für die Zuschauer präsentiert.

      Die Wirkung des Emotionsbildes kann durch die Strategie forciert werden, ein Schockbild zu zeigen. Dabei werden etwa die Schrecken des Krieges am eindrucksvollsten durch das Frontalbild eines getöteten Opfers dokumentiert. Es haben sich in diesem Kontext einige Schlüsselbilder herausgebildet, die bei den Rezipienten im Gedächtnis haften geblieben sind. Besonders verwerflich waren die Verbrechen amerikanischer Soldaten an den irakischen Gefangenen, die 2004 im Abu-Ghuraib-Gefängnis bei Bagdad misshandelt wurden. Es wurden Scheinhinrichtungen inszeniert, Stromstöße verabreicht und Hunde auf die teilweise nackten Opfer gehetzt. Diese Misshandlungen des Folterskandals mit den lachenden Tätern wurden weltweit verbreitet. Am 28. April 2004 wurden diese Bilder bei CBS im amerikanischen Fernsehen gezeigt (vgl. Beilenhoff 2007, Leifert 2007, Haller 2008a).

      Der Idealtyp des Affektbildes ist die Großaufnahme eines Gesichts oder eines anderen Körperteils, das im Detail gezeigt wird, um einen bestimmten Eindruck zu suggerieren. Bilder dieses Typs sind in gewissem Sinne aus dem zeit-räumlichen Zusammenhang eines Geschehens herausgehoben und konzentrieren sich ganz auf eine emotionale Qualität. Sie sind deshalb nicht auf die Großaufnahme beschränkt, sondern schließen unter bestimmten Bedingungen die Naheinstellung ein. Eine Sonderform des Affektbildes ist die Körperdetailaufnahme, die offensichtlich die Absicht verfolgt, Indizien für den emotionalen Zustand oder den Charakter einer Person einzufangen. So wird in politischen Talkshows die Unruhe der