Social-Media-Content. Gabriele Goderbauer-Marchner

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Название Social-Media-Content
Автор произведения Gabriele Goderbauer-Marchner
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783846344392



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S. 204, zitiert nach Abhishek, 2006, sowie Kollock, 1999).

      Die Frage, was uns dazu verleitet, unsere Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen, kann – kritisch betrachtet – auch so lauten: »Was treibt Menschen an, sich selbst im Internet darzustellen und ihr Privat- und Innenleben zu offenbaren?« (Mönkeberg, 2013, o. S.). Eine so formulierte Frage zielt nicht auf Antworten wie »sich mit Freunden austauschen« oder »Angebote für Produkte oder Dienstleistungen finden« ab. Hier stehen vielmehr die psychologisch tiefer liegenden Beweggründe im Fokus der Betrachtung. Selbst die berufliche Kontaktpflege mag zwar ein Motivator sein, täuscht jedoch über die eigentliche Funktion der sozialen Netzwerke hinweg. Sie sind mehr als ein Kommunikationstool – sie befriedigen als »Spiegel und Bühne« (ebd.) zwei grundlegende Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung und das nach Be- und Verarbeitung von Unsicherheiten bezüglich der eigenen Identität. Ähnlich wie bei der Beichte oder der Psychoanalyse, wo es darum geht, sich selbst zum Thema zu machen, bieten auch die sozialen Netzwerke die Möglichkeit, vor einem Publikum die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Wer »Selfies« (inszenierte Selbstportraits) ins Netz stellt, Links zu Themen teilt, die ihn interessieren, und zeigt, bei welchen Veranstaltungen er teilnimmt, gewährt einen Einblick in seine Identität. Sobald Follower oder Freunde ein Feedback dazu geben, kann der eigene Identitätsentwurf auf dessen Gesellschaftstauglichkeit getestet und abgeglichen werden: In der Darstellung und Diskussion des eigenen Ichs im sozialen Netz und »in der wechselseitigen Offenbarung findet sich (…) die Möglichkeit, sich seiner selbst zu versichern und Maßstäbe von ›richtig‹ und ›falsch‹ und dessen, was als wünschenswert gilt, aushandeln zu können« (ebd.). Abb. 3.C zeigt als Beispiel einen Ausschnitt von FACEBOOK-Seiten, die von einem User mit »gefällt mir« markiert wurden. Die Auswahl lässt vermuten, dass der User bei seiner Außendarstellung auf einen ökologisch verantwortungsbewussten Auftritt Wert legt.

      Neben der Chance, die eigene Identität im Social Web zu offenbaren, kann sie auch neu kreiert werden. Im virtuellen Raum ist es nämlich einfacher als in der Face-to-Face-Kommunikation zu kontrollieren, welche Informationen über die eigene Person preisgegeben werden sollen. Die virtuellen Identitäten stimmen folglich nicht immer mit dem realen Selbst überein (vgl. Ebersbach et al., 2011, S. 200). Eine neue Identität zu schaffen und sich auf diese Weise neu zu erfinden, kann somit ebenso zur Nutzung von sozialen Medien motivieren.

      Abb. 5: Ausschnitt von mit »gefällt mir« markierten FACEBOOK-Seiten eines Nutzers

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      Wenn die genannten Motivationen zusammengefasst und kategorisiert werden, zeigt sich, dass die sozialen Medien mit ihren Möglichkeiten verschiedene Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide (vgl. Maslow, 1943, S. 394) abdecken können. Ausgenommen sind lediglich die physiologischen Bedürfnisse (z. B. Nahrung) – wären die sozialen Medien kein virtueller Raum, würden sie vermutlich diese Ebene auch bedienen können:

      • Sicherheitsbedürfnis: Behandeln von Unsicherheiten bezüglich der eigenen Identität durch das Feedback von Followern und Freunden auf Blogeinträge, geteilte Links etc.

      • soziale Bedürfnisse: Pflegen von Freundschaften, Zusammenschließen zu virtuellen Gruppen, die sich zum Teil auch im physischen Raum treffen

      • Individualbedürfnisse: Erlangen von Ansehen durch bestimmte Aktivitäten oder Beiträge, etwa durch ein Statement zu aktuellen Krisengeschehen

      • Selbstverwirklichung: Ausleben von Kreativität durch den Blog als frei gestaltbaren Raum

      Die Erfindung des Buchdrucks und die damit einhergehende Möglichkeit, Schriftstücke in einer hohen Auflage zu produzieren und zu veröffentlichen, beeinflusste bzw. ermöglichte erst das Pressewesen. Ähnlich revolutionär wirken sich nun die digital vernetzten sozialen Medien auf den heutigen Journalismus aus. Das Stichwort lautet Partizipation: Die Tatsache, dass jeder Internetnutzer Content nicht nur empfangen, sondern auch selbst erstellen und senden kann, weckt im User den Wunsch nach Mitgestaltungsmöglichkeiten – beispielsweise als Bürgerjournalist oder Produktrezensent. Doch bereits 2009 äußerte sich FAZ Mitherausgeber Werner D’Inka der digitalen Revolution und dem Bürgerjournalismus gegenüber kritisch:

      »Stellen wir uns vor, nach der sogenannten digitalen Revolution gebe es keinen Journalismus mehr. Stattdessen redet jeder mit jedem über alles, und weil das alles angeblich so authentisch ist, kann auch jeder jede Form der Kompetenz für sich und seine Liebhabereien beanspruchen. (…) Mir kommt das so vor, als würden wir uns, statt zum Friseur zu gehen, alle gegenseitig die Haare schneiden. Das kann ja ganz sympathisch sein – aber würden wir uns auch von einem Bürgerchirurgen den Blinddarm entfernen lassen?« (D’Inka, 2009, S. 22).

      Der klassische Journalismus wird durch die Partizipationsmöglichkeiten der sozialen Medien zwar nicht ersetzt, die Umbrüche in den letzten Jahren stellen die Struktur des Journalismus dennoch vor Herausforderungen. Die zahlenmäßige Asymmetrie zwischen Sendern und Empfängern wird aufgehoben, da die ursprünglichen Empfänger nun immer vielfältigere Chancen erhalten, ihre eigene Öffentlichkeit zu schaffen und ihre eigenen Themen zu diskutieren. Die sozialen Medien und die damit einhergehende Partizipation der Leser sind jedoch nicht als Konkurrenz zum klassischen Journalismus zu sehen, sondern vielmehr als Ergänzung:

      »Professionell, redaktionell organisierter Journalismus sieht sich im Zeitalter der digitalen Moderne vielerorts mit einer Gefährdung seiner existentiellen Grundlage, seiner Prinzipien und Werte konfrontiert. Es bieten sich aber auch beträchtliche Chancen. Digitale Medien werden anders konsumiert als gedruckte Medien, sie fördern Partizipation und damit die Emulsion vormals strickt getrennter Welten: Mediennutzer und Medienprofis gestalten mit jeweils unterschiedlichen Hintergründen, Zielen und Praktiken die medialen Öffentlichkeiten unserer Zeit« (Kramp/Novy, 2013, S. 237).

      Die Chance zur Partizipation mithilfe der sozialen Medien zeigt verschiedene Auswirkungen auf die Aufgaben des Journalisten. In der Alltagspraxis machen sich diese Neuerungen beispielsweise dadurch bemerkbar, dass der von »unprofessionellen« Journalisten veröffentlichte Content von den Redaktionen beobachtet und auf deren Relevanz hin gefiltert oder Leserkommentare zu redaktionellen Beiträgen moderiert werden müssen. Der Journalist wird vom Gatekeeper zum Gatewatcher. Anstatt nur die eigenen Tore zu bewachen, werden auch die Ausgangstore von externen Quellen wie etwa Blogs, Wikis, Foren und anderen Communities beobachtet, um die Informationen als Rohmaterial für die eigenen redaktionellen Beiträge zu nutzen. Somit haben sich die Quellen, die Journalisten für ihre Recherche nutzen, durch die sozialen Medien etwas gewandelt. Selbst wenn Branchenexperten und Nachrichtenagenturen nach wie vor die beliebtesten Informationsquellen darstellen, wird immer häufiger ebenso in bekannten Blogs und Microblogs (TWITTER) zu Themen recherchiert. Auch die Journalisten selbst werden in den sozialen Medien aktiver – so besitzen laut einer weltweiten Studie (vgl. Global Digital Journalism Study, 2013, S. 2) über 50 Prozent einen TWITTER-Account, und ein Drittel betreibt einen eigenen Blog als Ergänzung zur traditionellen Berichterstattung (vgl. Schmidt, 2012, o. S., sowie Kramp/Novy, 2013, S. 236 ff.).

      Die sozialen Medien bieten mehr Publikumsnähe, und es gilt, sich gegenüber den Lesern zu öffnen, die früher Content nur passiv rezipierten und jetzt selbst aktiv Content produzieren. Denn mehr Publikumsnähe wird nicht nur ermöglicht, sondern auch gefordert. Belohnt wird die Ausrichtung auf das Publikum durch Retweets auf TWITTER oder Likes und Shares auf FACEBOOK, die die Reichweite der journalistischen Beiträge erhöhen. Außerdem wird die Meinung der Leser schneller und direkter erkennbar, z. B. durch persönliche Kommentare zu den redaktionellen Beiträgen oder durch Blogs von Laien-Journalisten. Auch wenn nicht jeder Nutzer den Anspruch hat, selbst Content zu veröffentlichen, tragen die sozialen Medien zur Vielfalt der gesellschaftlich verfügbaren Informationen bei. Insbesondere durch Nischenthemen und Gegenöffentlichkeiten entstehen so neue publizistische Angebote (vgl. Schmidt, 2012, o. S.).

      Oftmals werden die Social Media als Gegenspieler zum klassischen Journalismus angesehen,