Der Jahrhundertelefant. Hanna Molden

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Название Der Jahrhundertelefant
Автор произведения Hanna Molden
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783990406441



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Erzherzogs.“

      Auch die Sache mit Pandit, diesem Mahout des kleinen Elefanten, kriegt er heraus. Dass nämlich jeder indische Arbeitselefant einen eigenen Menschen hat, der ihn zur Arbeit abrichtet und ihn reitet und ihn pflegt. Das ist der Mahout. Und dass der Elefant und sein Mahout oft ein ganzes Leben lang zusammenbleiben. Und dass der Maharadscha, als er den schönsten kleinen Elefanten für den Erzherzog ausgesucht hatte, den Mahout gleich als Beigabe zum Geschenk mitgegeben hat. Denn der kleine Pandit war schon im Elefantencamp der Pfleger des kleinen Elefanten Puha gewesen.

      „Wie alt ist denn der Pandit?“, will Fritz wissen.

      „Nun, zum Zeitpunkt, als der Maharadscha dem Erzherzog den Jakob zum Geschenk machte, war Pandit … sagen wir … zehn Jahre alt.“

      „Aber Papa, da war der Pandit doch noch ein Bub. Wie kann der Maharadscha denn einfach ein Kind verschenken?“ Da muss der Papa ein bisschen überlegen.

      „Na ja, verschenkt ist vielleicht nicht das richtige Wort. Er wird den kleinen Pandit gefragt haben, ob er mit seinem Elefanten mitkommen möchte. Und der wollte sich von seinem Puha sicher nicht trennen. Wenn ein Mensch mit einem Tier sehr eng verbunden ist, dann will er es immer um sich haben, er will sein Leben mit ihm teilen.“

      Das leuchtet dem Fritz ein. Wird so sein wie beim Miamann und seinem Hund. Der Mann der Mia lebt mit seinem Hund und der Mia in einem kleinen Haus am Hang des Leopoldsbergs. Die Mia ist freilich weit mehr in der Kopfsteinpflastergasse als beim Miamann im kleinen Haus. Aber das macht dem Miamann nichts aus, sagt die Mia. Weil er hat ja seinen Hund. Und von dem trennt er sich nie.

      So nebenbei erfährt der Fritz auch allerlei über Indien. Genauer gesagt, über Kerala, das vor unendlich langer Zeit entstanden ist. Und zwar so, erzählt der Papa: Da gab es einen Mann, der Land für seine Krieger gesucht hat. Dem haben die Götter gesagt, er soll auf einen Berg steigen und seine Axt ins Meer hinunterwerfen. Wo die Axt ins Wasser fällt, wird Land entstehen. Das hat der Mann getan. Und aus Meer wurde Land, das die Menschen Kerala nannten.

      „Das ist aber nicht wirklich so gewesen, Papa, oder? Das ist eine Sage“, hat der Fritz darauf gesagt. Und der Papa hat gelacht und zugegeben, dass es sich um eine Sage handelt. Am Abend, in seinem Bett, nach einem Hasimandili, denkt der Fritz über die Geschichte nach. Und darüber, dass die Mama einmal gesagt hat, dass in jeder Geschichte und in jedem Gedicht etwas Wahres ist. Die Mama muss es wissen.

      Schließlich schreibt sie Gedichte. Und Romane. Die Leute sagen, dass sie eine Dichterin ist. Also hat es den Mann mit der Axt auf dem Berg vielleicht doch gegeben?

      Kerala – langsam erfährt der Fritz ganz schön viel über dieses Land am Arabischen Meer. Wo es unglaublich heiß ist. Aber nie wirklich trocken, weil es jedes Jahr eine Zeit gibt, in der es unglaublich viel regnet. Monsun, so heißt diese Regenzeit.

      Und es gibt eine Menge Wälder, die das ganze Jahr grün sind. Hochwälder auf den Bergen. Und Regenwälder in der Ebene. Und unglaublich viele wilde Tiere gibt es. Tiger, und Leoparden, und viele verschiedene Affenarten. Es gibt auch Schlangen, und Schildkröten, und Krokodile. Und natürlich Elefanten. Wilde, und solche wie die Eltern vom Jakob, die man vor langer Zeit im Dschungel gefangen hat und die für den Maharadscha zu Arbeitselefanten erzogen worden sind.

      Manchmal sieht Fritz die Berge von Kerala direkt vor sich. Fast so, als wäre er schon dort gewesen. Und das Elefantencamp. Und den Maharadscha mit seinem Turban voll mit Edelsteinen, wie er auf seinem weißen Elefanten aus seinem Palast reitet …

      „Der Jakob muss doch schrecklich traurig gewesen sein beim Abschied. Er hat es doch gut gehabt in Kerala, bei seinen Eltern und den anderen Elefanten im Camp.“

      Auch eine Frage, die den Fritz beschäftigt. Eines Abends hat der Papa etwas länger Zeit, um sie zu beantworten.

      „Sicher war er traurig“, sagt der Papa. „Aber vielleicht war er auch aufgeregt. Immerhin hatte er ein großes Abenteuer vor sich. Stell dir vor, Feppchen, ein kleiner Elefant, der mit frisch gewaschenen Ohren, begleitet von seinem Freund Pandit, in eine unbekannte Welt reist!“

      „Wie ist er denn gereist?“, will Fritz wissen. Da holt der Papa aus.

      „In einem funkelnagelneuen, sehr bequemen Holzkäfig. Der wurde auf einen Waggon des Hofzugs vom Erzherzog Leopold geladen. Neben dem Holzkäfig war auch ein Schlafplatz für Pandit gerichtet. So fuhren der Erzherzog und der Jakob und Pandit mit der Eisenbahn durch ganz Indien nach Norden. Von Cochin hinauf bis nach Bombay. Was ein wenig seltsam war, denn so wie Bombay hat auch Cochin einen riesigen Hafen. Wahrscheinlich war es eine Entscheidung des kaiserlichen Hofes, wir werden es nie mit Sicherheit wissen – auf jeden Fall mussten die beiden tagelang durch den Dschungel tingeln. In Bombay angekommen, bestiegen sie ein österreichisches Dampfschiff, das ‚Kaiserin Maria Theresia‘ hieß. Der Käfig vom Jakob wurde mit einem Kran aufs Schiff gehoben und in einem Laderaum festgezurrt, dass er bei hohem Seegang nicht wegrutschen konnte …“

      „Oje“, fährt der Fritz dazwischen, „ist der Jakob seekrank geworden?“ Er weiß, dass die Seekrankheit einen ganz elend macht. Er weiß das, weil er mit der Mama in Kroatien auf den Inseln war. Da sind sie oft mit Schiffen gefahren. Und manche Leute haben furchtbar gespieben. Aber er, der Fritz nicht. Weil er aus einer Familie von kroatischen Seefahrern stammt, und von denen wird keiner seekrank.

      „Nein, nicht ein bisschen seekrank ist er geworden“, sagt der Papa. „Die See war ruhig. Dann fuhren sie durch den Kanal, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. Und auch im Mittelmeer hatten sie Glück. Kein starker Seegang bis Fiume …“

      „Was ist das, Papa?“ Alles weiß der kleine Fritz wohl doch noch nicht über die kroatische Küstenheimat seiner mütterlichen Vorfahren.

      „Fiume ist eine uralte Stadt, die am adriatischen Meer liegt und heute Rijeka heißt.“

      Rijeka, den Namen kennt Fritz von seiner Reise mit der Mama. „Warum heißt sie jetzt anders?“

      „Weil sie infolge von Kriegen einmal zu diesem, dann wieder zu jenem Land gehört hat.“

      Schon holt der Fritz tief Luft für eine nächste Frage, da fährt der Papa rasch fort: „Als das Schiff des Erzherzogs im Hafen von Fiume ankam, gehörte die Stadt zum Reich des Habsburger-Kaisers. Der Hafen war sehr groß und wichtig für das Kaiserreich. Deshalb führte von ihm eine Bahnlinie nach Budapest, der Hauptstadt Ungarns, das ebenfalls zum Kaiserreich gehörte. Und weil der Erzherzog mit der Bahn über Budapest nach Wien fahren wollte, verließ er in Fiume das Dampfschiff, ließ den Jakob in seinem Käfig auf einen Waggon seines Hofzugs hieven, sah zu, dass man den kleinen Pandit nicht vergaß, reiste bis nach Budapest, besuchte dort den Direktor des Budapester Zoos, der ein guter Freund von ihm war, und schenkte dem Zoo den Elefanten Jakob, was den Direktor sehr erfreute, weil der Zoo zwar ein Elefantenhaus, aber zu dieser Zeit keinen Elefanten besaß.“

      Das war ein sehr langer Satz mit viel Neuem, das Fritz erst verdauen muss, ehe er eine weitere Frage stellen kann. Diese Pause nützt der Papa. „Genug für heute, Feppchen, Fortsetzung folgt“, sagt er und verschwindet im Herrenzimmer.

      Allerhand, was der Fritz in diesen Tagen und Wochen erfährt. Kein Märchenbuch kann mithalten mit dem, was der Papa über fremde Länder und vergangene Zeiten so nebenbei erwähnt, wenn er Neues vom Jakob berichtet. Freilich, der Papa ist mordsmäßig gescheit. Das sagt auch der Otto, der behauptet, dass der Papa mehr über Geschichte und Geographie weiß als seine Lehrer im Gymnasium. Der Otto ist übrigens auch nicht blöd. Der weiß schon ziemlich viel, ist aber auch sechs Jahre älter als der Fritz. Der Otto hat zwar schlechte Noten, aber nur weil er ein Lausbub ist. Sogar die Lehrer im Schottengymnasium sagen, dass der Otto gescheit ist. Er weiß mehr als die meisten Buben in seiner Klasse.

      Aber über den Elefanten Jakob weiß er nix! Manchmal würde Fritz dem Bruder gerne unter die Nase reiben, dass es einen Elefanten gibt, der dem Papa Briefe schreibt. Aber dann wäre der Jakob ja kein Geheimnis mehr. Um ein Haar hätte er sein Geheimnis übrigens verraten. Und zwar ausgerechnet der Mia.

      „Warum verschmierst denn dein Tischerl, ich krieg’ ja die rote Farb’ kaum weg“, schimpft