Heimweg. Ernst Geiger

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Название Heimweg
Автор произведения Ernst Geiger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783990015414



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ließ mich innehalten. Kurz blickte ich desorientiert durch die Gegend, bis ich bemerkte, dass das Geräusch aus meiner Hosentasche kam. Ich zog mein Nokia heraus und hob ab.

      »Geiger.«

      »Ernst, wo bist du?«

      Ich erkannte sofort die Stimme meines langjährigen Kollegen Ewald »Eddie« Müller. Seit meinen ersten Tagen im Mordreferat hatten wir viele Fälle gemeinsam bearbeitet. In den vergangenen Jahren hatte er sich verstärkt den Cold Cases zugewandt, also Fällen, die wir ungelöst zu den Akten hatten legen müssen. Besonders durch das Aufkommen neuer Technologien wie DNA-Analyse war dieses Konzept aus den USA zu uns gekommen, doch das Sicherheitsbüro hatte weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen, um daraus eine eigene Abteilung zu machen. Also ging Eddie alten Spuren meist in seiner freien Zeit nach.

      Polizeiarbeit ist wohl der einzige Beruf auf der Welt, der zugleich das befriedigendste und das unbefriedigendste Gefühl vermitteln kann.

      Versucht man das Rätsel zu lösen, hinter dem sich die Wahrheit eines Verbrechens verbirgt, setzt man unzählige kleine Mosaiksteinchen zusammen. Die Erkenntnis kündigt sich in leisen, unhörbaren Schritten an, findet im Hinterkopf statt. Sie klopft nicht an, sondern stürmt unangekündigt herein. Und dann steht man plötzlich vor einem Durchbruch, und mit einem Schlag findet alles Fragen, Suchen und Überlegen ein Ende. Warum ist wohl der Krimi die beliebteste Literaturgattung, die es gibt? Abgesehen davon, dass die Polizisten darin meistens auf völlig unrealistische Weise arbeiten, gibt er den Lesern etwas, was sie in ihrem Leben zu oft vermissen: das Gefühl der Abgeschlossenheit, das sich einstellt, wenn die großen Fragen, also Wer, Warum, Wie, endlich bis ins letzte Detail aufgeklärt werden.

      Doch wenn wir einen Fall nicht lösen konnten, dann konnte uns diese Unabgeschlossenheit wahnsinnig machen. Dann saßen wir unzählige Nächte zusammen und hingen unseren eigenen Theorien nach. Und mit jedem Tag, der verging, wurde die Gewissheit größer, dass uns eine Wahrheit, die wir hätten aufdecken können, für immer entglitten war. Ich konnte also nachfühlen, warum Eddie in diesen alten Akten wühlte. Ob es gesund war, der Vergangenheit so viel Platz einzuräumen, war eine andere Sache.

      »Ich stehe vor der Votivkirche«, antwortete ich. »Bin gerade auf dem Weg zu dieser kleinen Vinothek in der Lange Gasse, kennst du die?«

      »Du holst Wein? Für die Arbeit oder privat?« Ich hörte Belustigung in Eddies Stimme.

      »Heutzutage trinke ich nur noch zu Hause, so ist das in den höheren Etagen. Aber du rufst doch nicht an, um meine Abendpläne zu erfahren?«

      »Nein«, sagte Eddie und seine Stimme nahm plötzlich einen Ton an, den ich kannte. Diesen Ernst legte er nur dann in seine Stimme, wenn er absolut notwendig war. Wenn es um Mord ging.

      »Wir haben etwas gefunden, was du dir anschauen solltest, Ernst. Dringend.«

      »Klar, Trudi sollte noch da sein, leg es einfach auf ihren Schreibtisch und …«

      »Nein«, unterbrach mich Eddie. »Sofort.«

      »Sofort? Eddie, ich habe Eva heute einen gemütlichen Abend versprochen, Pasta und Rotwein …«

      »Ruf sie an«, sagte Eddie bestimmt. »Sag ihr, dass ihr das Essen verschieben müsst.«

      »Was zum Teufel ist denn los?«

      »Nationalfeiertag 1988«, sagte Eddie nur. »Kannst du dich an den Tag erinnern?«

      Plötzlich war die Votivkirche verschwunden, der Park mit den Studenten hatte sich aufgelöst, und selbst die drückende Wärme des Spätsommers war meiner Erinnerung gewichen. Mit einem Mal war es klirrend kalt geworden, ich sah ein verblichenes Werbeplakat vor mir und spürte, was dahinter lag. Es war ein Ort, den ich seit nunmehr fast zehn Jahren kaum noch besucht hatte, nicht einmal in meiner Erinnerung erlaubte ich mir, dorthin zurückzukehren. Nur meine Träume entführten mich manchmal an diese Stelle. In den schlimmen Nächten.

      »Ich bin in fünf Minuten bei dir«, sagte ich nur und legte auf.

      Nachdem ich meiner Frau Bescheid gegeben hatte, drehte ich mich um und lief den Weg zurück, den ich gerade gekommen war.

      Das Gefühl, das mich überrollte wie eine brechende Welle, war mir bekannt. Es war ein Riss, der sich in der Gegenwart aufgetan hatte und einen Blick in die Vergangenheit erlaubte. Und was dieser Blick freizugeben versprach, waren die Antworten auf die großen Fragen.

      Es war die Chance auf Erkenntnis.

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