Der Andere - Auto-Bio-Grafie eines bisher noch Unbekannten. Dietmar Halbhuber

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Название Der Andere - Auto-Bio-Grafie eines bisher noch Unbekannten
Автор произведения Dietmar Halbhuber
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783969405512



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er lang’ schon ein Renitenter war …

       Da!

       Plötzlich!

      Hört der Seppel das rufen:

      - Seppel!

      Der Seppel erschrickt.

      - Seppel!!

      Die Gute Mutt’l! Sie ruft nach ihm! Vom Sandhaufen her, wo er ja doch spielen gesollt hatte …

      - Seppel!!!!

      Seppelt der Seppel also gleich erst mal wieder zum Sandhaufen und da zu seiner gut’n Mutt’l hin.

      - Wo warst du denn?“

      - Ich musste mal!

      Das schwindelt 7 der Seppel da dann gleich. Hatte ihm seine liebe Oma doch neulich erst verraten, wie er sie gefragt hatte, ob man das darf: Schwindeln.

      Und hatte die Oma ihm da das verraten:

      - Ja, manchmal darf man das. Aber nur manchmal!

      Heute also! Und so fragt der Seppel seine Mutt’l auch gleich erst mal, was denn die Onkels da drüben machen tun, die er, wie er eben bullern 8 war, gesehen hat. Und die Mutt’l erklärt es ihm dann auch gleich:

      - Ist doch gleich 1. Mai – und da müssen die das üben: An den Hohen Onkels vorbei marschieren, die da oben auf der Tribüne stehen.

      Weshalb sie Beide ja jetzt auch beim Vat’l für paar Tage zu Besuch sein täten. Dass sie den 1. Mai also mal hier mitfeiern könnten.

      Warum der Vat’l hier in der Großen Alten Kaserne ist, das hatte die Mutt’l ihrem Seppel erklärt, wie sie mit dem Zug von ihrer kleinen Stadt nach hier ins Große Dresden her gefahren waren: Dass der Vat’l hier doch lernt, wie das geht: Als guter Volgs-Bolizeier 9 aufpassen, dass auch ja Alle im Volk immer gut sind und nicht etwa etwas machen tun, was der Guten Sache nicht gut tun tut. Oder irgendwie so. Dass die Leute also immer alle artig sein sollen, wie er, der Seppel, das ja auch immer sein muss …

      Und einen Tag später ist es dann auch so weit:

       1. Mai!

      Und sie dabei!

      Gleich früh am Morgen putzt die Mutt’l sich blau und ihren Seppel weiß heraus und nimmt ihn dann mit hin zu einem Fuhrwerk mit zwei Pferden davor, das hübsch mit Mai-Nelken geschmückt ist. Steigt da hoch, die Mutt’l, hebt auch ihren Seppel da rein und ab geht die Post mit der Kutsche!

      Ganz vorne machen die uniformierten Onkels wieder das, was sie gestern mit ihm and der Seite geübt hatten:

       Wummtataa!

       Wumms!

       Bumms!

      Dahinter marschiert der Vat’l mit den anderen Polizeiern und da dahinter fahren nun die Gute Mutt’l und er, der Seppel, umflattert von den vielen roten und schwarz-rot-bunten Fahnen und Transparenten mit der Pferde-Kutsche in der Mai-Demo der Bezirks-Hauptstadt lang.

      Und wie begeistert die Leute an den Straßenrändern sind!

       Jubel!

       Trubel!

       Heiterkeit!

      Bis dass sich dem Seppel auf einmal die Augen aufreißen!

       Weit!

      Hatte das eine der beiden Pferde vor ihm doch eben seinen Schwanz angehoben und so komische Äpfel hinten aus sich raus fallen lassen!

       Wumms!

       Plumps!

      Und diese Äpfel ballern nun auf das grobe Pflaster der Straße.

       Also nee!!!

      Diese Frage aber kann sich der Seppel, klein, wie er da noch ist, nicht stellen: Ob die beiden Viecher vor ihm also ganz und gar anders über die Sache denken, vor deren Karren sie heute wieder mal gespannt sind.

      Als wie:

       Scheiß drauf!

       Anruf

      - Die Beißung des Kindes erfolgte seitens des Hundes.

      Dieser Satz schießt unserem Hans durch den Kopf, wie er weit später in seinem Leben und da dann schon sozialistischer Journalist, gerade wieder an seiner Tipp-Maschine sitzt und das zu tun hat:

       Tippen!

       Tippen!!

       Tippen!!!

      Jener Satz, den der Sprach-Lehrer während des Volontariats vor einigen Jahren als Symptom der Sprach-Krankheit „Substantivitis“ vor sie hin gestellt hatte.

      Und sie, die Volontäre, was hatten die da gelacht!

      Nun sitzt Hans Huber also im Groß-Raum der Nachrichten-Abteilung der „Jungen Welt“, ihres Zeichens einzige und größte Jugend-Zeitung des da noch nicht ehemaligen Landes, und hat wieder in seine Maschine hinein zu tippen, wo und wie sich die Größten Genossen des Kleinen Landes heute wieder dem Erscheinen hinzugeben gehabt hatten. Und streng achtet er dabei darauf, dass das, was diese Genossen, wenn sie in Erscheinung treten, immer auch mit sich führen, dass das um Gottes Willen nicht der Weglassung anheim fällt:

       All ihre Titel!

      Hackt er also das in seine Tipp-Maschine hinein:

       „Erich Honecker

       Komma

       Erster Sekretär des ZK der SED

       Komma

       Vorsitzender des Staatsrates

       der Deutschen Demokratischen Repu …

      Das Telefon klingelt.

      Hans Huber nimmt den Hörer ab. Der Mann am anderen Ende der Leitung fragt, ob da er, Hans Huber, sei. Hans Huber bejaht es. Woraufhin der Mann das spricht:

      - Wir haben Dich gefunden!

      - Ach?!? Und wer sind Sie?

      - Frankenberg hier!

      - Aha!

      Der Ort seiner Kindheit!

      - Und? Was gibt es?

      - Auf dem Foto – das bist doch Du?!?

      Das fragt es zurück. (…und Dir, liebe Leserin, lieber Leser, die/der Du nicht im Ehemaligen Land gelebt hast und jetzt vielleicht verdutzt dreinschaust, sei gesagt, wie das im Dicken Damals in der Partei der Arbeiterklasse so üblich war: Da haben sich alle geduzt – auch, wenn sie sich gar nicht kannten!)