Tatort Rosenheim. Heinz von Wilk

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Название Tatort Rosenheim
Автор произведения Heinz von Wilk
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994920



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gut versichert, oder?«

      Heinzi lachte trotz der Schmerzen los: »Hearst, du Trottel, wer versichert denn unser Berufsrisiko?« Und zu Undercut: »Grins ned und fahr los, du Inzuchtler, sonst rauch i dir no eine auf.«

      Der Motor des Caddys drehte hoch, und der Wagen machte einen Satz rückwärts, drehte nach ein paar Metern und verschwand mit quietschenden Reifen in der Abfahrt.

      Über den Alpen blitzte es, Gewitterwolken jagten heran und der Regen wurde stärker. Unten, auf der Straße, schrie eine Frau auf, und gleich darauf weinte ein Kind. Arnold lehnte mit einem Arm auf dem Dach des Mercedes’, legte seinen schweren Kopf darauf, und sein ganzer Körper wurde von einem wilden, lautlosen Lachen geschüttelt.

      Die Stille, verstehst du, die macht etwas mit einem. Wie wenn man in seinem eigenen Körper gefangen ist. Kennst du das? Für den Auer, während sie schweigend dahinfuhren, wurde die Welt immer kleiner. Auch das Innere des Autos ist plötzlich nicht mehr existent. Du kannst dich nicht an die Straße erinnern, du fährst wie in Trance. Deine Welt wird immer kleiner, bis sie nur noch aus deinen Gedanken besteht.

      Der Max fuhr mit einer Hand am Lenkrad, mit der anderen kratzte er sich am Kinn. So unterbewusst zärtlich, wie ein Mann seine Frau im Schlaf berührt, wenn sie sich neben ihm bewegt.

      Seine Gedanken überschlugen sich, und er fragte sich, ob es so ist, dass er die Gewalt anzieht oder umgekehrt. Wer lässt in meinem Leben die Würfel rollen, denkt er sich. Früher, ach was, so lange ist das ja noch gar nicht her, bei der Polizei, da schließt man unter seinesgleichen einen Bund, der nichts mit Freundschaft zu tun hat. Etwas ganz Besonderes, das es in anderen Berufen nicht gibt.

      Versteh mich jetzt nicht falsch, Polizisten oder auch die Feuerwehrprofis, die sind nichts Elitäres oder Besonderes. Die wollen oder können halt nur ihre Erlebnisse und Erfahrungen nicht mit Außenstehenden durchsprechen. Wenn sie es täten, würde man ihnen vieles einfach nicht glauben.

      Der Auer kannte da mal einen, der hat im Dienst drei Leute erschossen. Einer hat auf Knien um sein Leben gefleht, ein Kinderschänder, der zwei kleine Mädels umgebracht hat. Aber was soll’s, das ist eine andere Geschichte.

      Auf jeden Fall, ein paar Jahre später starb der Sohn dieses Polizisten an einer Überdosis. Mit grade mal 15. Der Kollege vom Auer Max glaubte, dass das jetzt die Strafe war für die drei Leben, die er genommen hat. Auch wenn’s Verbrecher waren, und auch, wenn er zwei in Notwehr umgelegt hat.

      Seit dem Tod seines Sohnes waren die drei Seelen der Verbrecher in ihm und erinnerten ihn an jedem neuen Tag daran, was er gemacht hat. Und nachts saßen sie an seinem Bett oder spielten in seinen Träumen.

      Warum ich das erzähle?

      Weil es diese Gedanken sind, die dem Max jetzt durch den Kopf jagen. Weil er sich fragt, ob ihn auch mal eine Bürde heimsucht, die er ab dann tragen muss.

      »Hey, Mann, wohin fährst du denn?«

      Danny klopfte ihm auf die Schulter und riss ihn so aus seinen Grübeleien.

      »Du hättest die Ausfahrt Rohrdorf nehmen sollen!«

      »Was? Wie? Nein, ich fahr die nächste. Da sind wir schneller bei euch.«

      So gegen 21 Uhr, 21.15 Uhr kamen sie am »Wild Wild West« an. Der Parkplatz war schon ziemlich voll, und beim Reingehen dröhnte ihnen »Viva Las Vegas« entgegen. In der Fassung von ZZ Top, die ich persönlich eh für die Beste von allen halte. Elvis hat das ja immer so aus dem Unterleib raus genölt, aber bei den ZZ Top-Jungs, da knallt dir das ganze Las Vegas in den Kopf. Du siehst die vielen glänzenden Autos, die Menschenmassen auf beiden Seiten der Boulevards, die Lichter der gigantischen Hotels, die riesigen Neonreklamen, die Stars wie Jennifer Lopez, Rod Stewart oder die Back Street Boys ankündigen. Aber zurück nach Rosenheim:

      Danny und Arnold gingen an die Bar. Arnold schob drei Typen zur Seite. Einer ballte die Faust und drehte sich schnell um. Dann sah er Arnold. Schnell hob er beide Arme, die Handflächen flach nach vorne und grinste dümmlich. Danny klopfte ihm auf die Schulter und ließ seinen Zeigefinger über dem Kopf kreisen: »Bier und Schnaps für alle am Tresen!«

      Auer ging zwischen den voll besetzten Tischen durch und hämmerte zweimal an die Bürotür, bevor er sie aufschwingen ließ. Chili, hinter seinem Schreibtisch sitzend, die gestiefelten Füße auf dem Tisch, hielt sein Handy ans Ohr. Mit erhobenem Zeigefinger gebot er dem Max, die Tür zu schließen und sich zu setzen, dann sprach er weiter: »Was? Nein, das war die Tusse von der Bar. Ich ruf dich an, sobald sie zurück sind. Nein, sie haben nicht hier angerufen. Was? Jetzt geh, Heinzi, ich kann sie doch nicht alle drei erschießen. Gut, den Max vielleicht, aber die anderen zwei? Weißt du überhaupt, wie schwer man heute qualifiziertes Personal bekommt? Was? Na also. Wir? Ja, klar. Die ganze Produktion hat er dir versprochen? Der spinnt doch. Was? Ja dann. Na servus, das kostet mich ein Vermögen.«

      Der Chili legte das Handy auf seinen Bauch, holte eine Flasche Jack Daniels aus dem Schreibtisch und fischte ächzend zwei Gläser aus dem Regal hinter sich.

      Dann drehte er den Verschluss auf, schob Max die Flasche rüber und kreiste mit dem Finger über den Gläsern, das Handy schon wieder am Ohr: »Heinzi, hallo? Bist du noch da? Ja, da war grade so ein statisches Rauschen und du warst weg. Aber jetzt verstehe ich dich wieder. Wie? Schon klar, wenn er das gesagt hat, dann stehe ich zu seinem Wort. Du kriegst alles in drei oder vier Wochen. Als Zugabe, Schmerzensgeld oder so gebe ich dir eine Roh-DVD, die ich letzte Woche gemacht habe. ›Geile Klempner beim Rohrverlegen‹. Echt gut. Mit Nachwuchstalenten. Was? Okay, du hörst von mir. Tschau, Heinzi. Wie? Ja, du mich auch. Gute Besserung. Over.«

      Chili ließ zischend Luft aus seinem Brustkorb und nahm einen Schluck Bourbon: »Ahhh, jetzt geht es wieder. Sag einmal, warum wolltet ihr euch da drüben gegenseitig die Ohren abschneiden? Macht man das jetzt so?«

      »Die haben damit angefangen. Der Heinzi ist ausgetickt, der ist in seinem Steifftiermantel rumgehüpft wie ein Derwisch und hat seinem Sklaven befohlen, mir an die Ohren zu gehen.«

      »Ja, so was macht er gerne. Er hat halt einen schrägen Humor. Aber: Ich habe dich gewarnt. Der Typ ist von einem anderen Planeten. Gut, dass meine Jungs dabei waren.«

      »Der Kleine mit seiner Robert-De-Niro-Nummer, der ist schon ein Hammer.«

      Chili strahlte: »Ja, oder? Ich hab ihm die Szene gezeigt. ›Taxi Driver‹. Robert mit Irokesenschnitt. Die kleine Kanone mit einem Stück Vorhangschiene und auf Rollen. Wow. Hat der Kleine alles selber gebastelt, nachdem er sich die Sache im Film ein Dutzend Mal angesehen hat. Robert macht das ja glasklar vor. Hast du ›Taxi Driver‹ auch gesehen?«

      Max nickte, den Mund voll mit Jacky D.

      »Und der Große hat nicht geschossen? Mit seiner Schrotspritze?«

      Max schüttelte den Kopf.

      Chili kratzte sich am Ohr: »Komisch, macht er sonst gerne. Vielleicht war das Ding nicht geladen? Ist ja auch egal. Der Heinzi hat einen glatten Durchschuss im Oberschenkel. Die haben ihn zu einem Arzt gefahren, der auch zockt und die Brüder wieder auf Vordermann bringt, wenn was ist. Der Heinzi organisiert ja auch diese Boxkämpfe ohne Regeln und Handschuhe. Im Käfig oder in einer Grube. Da brauchst du als Arzt viel Fantasie, wenn du solche Kerle wieder auf menschliches Aussehen trimmen sollst.«

      Chili strich mit den Fingern durch seinen strohblonden Pferdeschwanz und griff dann in eine Schublade. Aus der holte er zwei 500er, schob sie dem Auer rüber und klopfte mit dem Zeigefinger drauf: »Hier, Lärmzuschlag und Bonus. Hast du gut gemacht. So bin ich fein aus der Sache raus. Gschamster Diener, sagt danke. Der Spruch ist vom Heinzi. Diese Österreicher. Sind immer lustige Burschen, auch wenn sie ein zusätzliches Loch in den Kadaver gestanzt kriegen, was?«

      Der Auer wollte aufstehen, aber Chili hob die Hand: »Bleib sitzen. Ich hab vorhin noch was aufs Handy gekriegt. Ein Video von der Sissi. Schau dir das an und sag mir, ob du dadraus schlau wirst.«

      Chili fummelte an seinem Samsung rum, drückte ein paar Tasten und schob das Handy