Tatort Rosenheim. Heinz von Wilk

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Название Tatort Rosenheim
Автор произведения Heinz von Wilk
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994920



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saßen immer noch in der Nische, und Danny sagte: »Und dann sagt die Tussi zu mir, ich habe einen Platten am Auto, vorne rechts, kannst du mal vorbeikommen? Ich sage: ›Der rechte Vorderreifen?‹ Und sie: ›Ja, aber platt ist er nur ganz unten!‹ Verstehst du, was ich meine? Nur ganz unten?«

      Manfred lachte, Arnold grunzte und Manfred meinte: »Ich mag ja keine Blondinenwitze, aber warum sitzt eine Blondine in der Wohnung auf dem Heizkörper? Weil der Hausmeister gesagt, hat: ›Vorsicht, Fräulein, der eine Heizkörper im Wohnzimmer leckt!‹«

      Max klopfte ihm auf die Schulter: »Los alter Mann, dein Mädel wartet.«

      Und zu den anderen beiden: »Ich hole euch um sieben Uhr ab. Zieht euch was Warmes an, wir müssen vielleicht ein bisschen auf der Straße mit dem Schirmer Heinzi reden. Der Boss weiß Bescheid. Bis später.«

      Auf der A8 war um 19.15 Uhr nicht mehr viel los. Ein paar LKWs, aber der Berufsverkehr war vorbei, ab und zu machte sich der Max den Spaß und rauschte mit 240 Sachen an einen Porsche oder einen großen BMW ran. Die Fahrer machten panisch Platz und schauten ungläubig dem alten, silbernen Mercedes nach.

      Danny und Arnold saßen auf dem Rücksitz. Über ihren glänzenden Polyesteranzügen trugen sie knallrote Trenchcoats und blaue Kangol-Caps. Arnold hatte eine rosafarbene Sonnenbrille auf der Nase.

      »Wo habt ihr nur die Klamotten her?« Max schaute lächelnd in den Rückspiegel.

      »Das macht alles der Boss. Schicke Mäntel, was? Wenn du willst, kann ich den Chili mal fragen, ober er so einen in deiner Größe hat.« Danny beugte sich zwischen den Sitzen vor, sodass sein Kopf dicht am Nacken von Max war. »Der Boss hat noch einen ganzen Container voll mit Klamotten. Die hat er von einem Chinesen, der bei uns Spielschulden hatte. Wenn ich da mal was für dich tun kann …«

      »Schon okay, danke. Ich bin farbenblind. Sag mal, der Dunkelbraune, der mit seinem ganzen Management da war, der ist für den nächsten Film eingeplant, oder? Ich meine, den Titel hast du mir ja schon verraten. Und die Handlung zum Teil auch.«

      Danny nickte: »Der Boss sagt, das wird ein Knüller, eine große Nummer, sogar mit Text. Und der Hauptabnehmer hat auch schon vorgegeben, wer alles mitspielen muss. Ein Zitherspieler, eine Sängerin und eben der Braune. Der hat einen Lümmel, der geht ihm bis ans Knie, sagt sein Manager. So was sehen die Asiaten gerne. Das wird unser Durchbruch.«

      »Wie viele Filme macht ihr denn so?«

      »Einen oder zwei im Monat. Warum fragst du?«

      »Nur so. Was anderes: Ihr beide kennt den Schirmer Heinzi und seine Truppe?«

      Danny nickte grinsend: »Klar, der Schirmer kauft seine Jungs direkt aus dem Zoo, glaube ich. Die schauen brandgefährlich durch die Gegend, haben aber keine Ahnung von Taktik und so. Ich meine, wenn dich so einer in die Ecke drängt, dann ist Helm ab zum Gebet. Aber so weit wird es nicht kommen. Wir reden ja ganz friedlich, oder?«

      »Von mir aus schon. Mal schauen. Hast du Artillerie dabei?«

      »Auf dem Ohr höre ich schwer. Nur so viel: Mach du deinen Job und wir machen unseren.«

      Auch gut, denkt sich der Max und schaute aus dem leicht geöffneten Seitenfenster. Sie fuhren von der A8 ab, auf die 1 in Richtung Walserberg, als das Handy des Kleinen losdröhnte. »Ja, lebt denn der alte Holzmichel noch« war sein Klingelton. Danny swingte ein bisschen zur Musik, dann hob er das silberne Ding ans Ohr: »Ja, Boss?«

      Er verdrehte die Augen: »Warum denn? Osterfeldstraße wäre perfekt gewesen. Ich hab’ mir das auf dem Laptop angesehen. Wo will er jetzt? Ach du Kacke. Und wo da? Auf dem obersten Parkdeck, verstanden. Was? Ganz hinten an der Betonbrüstung? Der Kerl ist doch krank. Was? Klar, wir machen das. Bis gleich, Boss.«

      Danny steckte das Handy wieder weg, beugte sich zum Auer vor und meinte: »Regieänderung. Der Heinzi hat sich das anders überlegt. Kennst du das Designer Outlet in Salzburg? Gegenüber ist der Hangar 7 und so?«

      Auer nickte und fuhr das Fenster hoch: »Warum das denn?«

      »Ich sag’s doch immer, der Kerl ist ein diplomierter Psycho. Also: auf das Parkdeck, ganz oben, Freiluft. Und dort ganz nach hinten an die Betonbrüstung. Das Auto mit dem Heck ganz an die Brüstung ran.«

      »Hat der Angst, dass einer mit ’ner MP im Kofferraum sitzt? Dann geht der Deckel auf und … rrrrrt?«

      »Der Heinzi ist dermaßen bematscht, der hat vor nichts Angst. Die Angst hat Angst vor ihm. Wir schaukeln das schon. Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.«

      Arnold knurrte und würgte ein paar Laute heraus und fuchtelte mit den Händen.

      Auer schaute ihm im Rückspiegel zu: »Was meint er?«

      Danny lachte: »Er sagt, sogar der Tod verliert seinen Schrecken, wenn man ihn erst mal kennengelernt hat. Damit meint er wahrscheinlich das Bärenweibchen.«

      Ein Schwarm großer Krähen flog so tief über die Straße, dass Max abrupt auf das Bremspedal stampfte. Alle drei im Auto wurden trotz der Sicherheitsgurte nach vorne gedrückt, und Danny schaute durch das Heckfenster den schwarzen Vögeln nach. Dann beugte er sich wieder zu Max und sagte: »Als Kind habe ich mal so eine Krähe gehabt.«

      »Du warst mal ein Kind? Ist ja ein Hammer.«

      Danny klopfte ihm auf die Schulter: »Ehrlich jetzt. Die saß auf einem Baum vor unserem Haus. Es war saukalt, Schnee überall und an den Dachrinnen hingen ganze Batterien von Eiszapfen. Ich geh also wieder rein, hole ein altes Brötchen und renn wieder raus. Unter dem Baum habe ich die Semmel zerbröselt, dann bin ich zur Terrasse gegangen und hab mich hingesetzt. Die Krähe hat blöd geguckt, so wie die halt immer gucken, wenn die nicht wissen, was Sache ist. Dann hat sie sich mit drei oder vier Schwüngen vom Baum gemacht, ist auf den Boden runter und hat die Semmel gefressen, also, die Krümel. Das größte Stück hat sie mitgenommen und ist damit weggeflogen.«

      »Echt spannend. Bist du hinterhergeflogen?«

      »Blödmann. Pass auf: Am nächsten Tag war sie wieder da. Ich hab Apfelkuchen gehabt, den hab ich ihr gegeben. So ging das zwei Wochen oder so.«

      »Immer Apfelkuchen? Das hält doch keine Krähe lang aus.«

      »Mann, kannst du nicht zuhören? Irgendwann nach diesen zwei Wochen steh ich unter dem Baum und schau zur Krähe hoch. Die schielt zurück, macht ein paar Flattermoves und sitzt auf meiner Schulter.«

      »Echt jetzt?«

      »Wenn ich es dir sage. Von nun an hat sie jeden Morgen auf dem Baum auf mich gewartet. Ist auf meine Schulter gehüpft, und wir sind spazieren gegangen. In den Park, durch die Straßen, natürlich nur da, wo fast kein Verkehr war. Eines Nachts im Sommer, ich hab das Fenster in meinem Zimmer offen wegen der Hitze, da sitzt die Krähe doch glatt auf der Lehne des Stuhls vor meinem Bett. Ich werde wach, seh den Vogel und piss mich fast an. Oh Mann!«

      »Und dann?«

      »Der blöde Vogel ist so zahm geworden, dass er fast jede Nacht in mein Zimmer gekommen ist. Eines Tages kam der Kater vom Nachbarn auch ins Zimmer und hat dem Vogel in den Kopf gebissen. Das war’s.«

      »Und der Kater?«

      »Das willst du nicht wissen, mein Alter.« Danny lehnte sich im Sitz zurück, und Max dachte sich, ich würde jetzt wetten, dass der kleine Kerl Tränen in den Augen hat.

      Arnold neben ihm summte eine fürchterliche Melodie durch die Nase und klopfte den Takt dazu auf seinem Holzbein. Es klang schaurig und schlimm.

      Danny beugte sich wieder vor, räusperte sich und sagte: »Wenn ich den so singen höre, da fällt mir ein: Hast du gewusst, dass es einen brasilianischen Froschlurch gibt, der heißt, warte mal, ja, genau, der heißt Brachylephalus …«

      »Mit einem L oder mit zweien?«

      »Warum hab ich bei dir immer das Gefühl, dass du mich verarschst? Nein, so heißt der.