Auf der «Grinthian», der Piratengaleone Mardengos, blitzten sechs Mündungsfeuer auf. Nur einen Atemzug später antworteten krachend die ersten vier Geschütze der «Isabella». Grauschwarzer Pulverrauch wölkte hoch und verschleierte die Sicht. Im Nachhall des Geschützdonners war zunächst nur das Rumpeln der Blockräderlafetten zu hören, bis diese von den Brooktauen gehalten wurden. Dann folgte der Heulton der heranorgelnden Geschosse der «Grinthian». Vorsorglich gingen die Arwenacks in Deckung. Auf dem Quarterdeck gellte Al Conroys erneuter Befehl, und die drei 25-Pfünder wurden gezündet. Ein krachender Schlag traf die «Isabella». Hohe Wasserfontänen, von den Eisenkugeln der «Grinthian» aufgerissen stiegen knapp vor der Bordwand auf. Aber einen Treffer mußte die «Isabella» erhalten haben. Ferris Tucker huschte geduckt zur Back…
Die Welt schien unterzugehen. Anfangs war es wie ein Grollen, das tief aus dem felsigen Untergrund heraufklang wie aus einem Höllenschlund. Der Boden wurde erschüttert und brachte die Gebäude und Mauern der Festungsanlage zum Wanken. Eine erste grelle Explosionsstichflamme schoß durch die Dachplattform des Pulverturms hoch in den Himmel. Dann flog das Dach auseinander, und im urgewaltigen Brüllen der Detonation wirbelten Quadersteine hoch, als handele es sich um Würfelchen aus leichtem Holz. Die Explosionen setzten sich fort. Vor den Augen AL Conroys, Batutis und von Roger Lutz löste sich der Pulverturm buchstäblich in seine Bestandteile auf…
Der Höllenfürst stand am Rand des Docks, ein Messer in der Rechten. Und dann schnellte er jäh auf Hasard zu. Der blockte ihn ab. Das Mondlicht genügte ihm, um einen präzisen Hieb zu landen. Der Höllenfürst schrie markerschütternd, als ihm das Messer aus der Hand geschlagen wurde. Es flog ins Dock hinunter. Mit der Linken umklammerte der Kerl sein schmerzendes Handgelenk. Er krümmte sich und torkelte zurück. Sein Schrei ging in ein schmerzerfülltes Gurgeln über. Hasard sprang mit einem Satz auf den Taumelnden zu – zu spät. Der Höllenfürst kippte hintenüber und verschwand im Nichts. Sein Schrei dauerte nur einen winzigen Moment. Dann wurde er von einem dumpfen Aufschlag ausgelöscht…
Die Seewölfe, verborgen im Ufergestrüpp, sahen alles, hätten aber auch nicht eingreifen können, denn das Geschehen entwickelte sich viel zu schnell. Der Trupp des Teniente Denaro war unversehens auf diese düstere Erscheinung gestoßen – einen Kerl im wehenden Umhang, der unweit des Strandes gerade eine Truhe ausgegraben hatte. Und da lag auch ein Totenkopf. Der Kerl reagierte wie eine gereizte Viper. Unter seinem ersten Schuß aus seiner doppelläufigen Pistole brach der Teniente zusammen, die andere Kugel traf den Soldaten neben ihm. Den nächsten Soldaten durchbohrte der Kerl mit dem Säbel. Und schon waren seine Kumpane zur Stelle und warfen sich mit wildem Gebrüll auf die völlig überraschten Soldaten…
Es geschah, als die beiden Gruppen der Arwenacks nur noch wenige Schritte von der Bordwand der «Discoverer» an der Towerpier entfernt waren, wo sich die wütenden Auswanderer gestaut hatten – die «Discoverer» war eins von den drei Pilgerschiffen, die in die Neue Welt segeln sollten. Und Philip Hasard Killigrew hatte den Befehl der Königin, die Auswanderer ans Ziel zu bringen. Doch der Ärger bahnte sich bereits in London an. Steine prasselten gegen die Beplankung der «Discoverer», die ersten flogen übers Schanzkleid, hinter dem die Crew in Deckung gegangen war. Nur ein Decksmann, der sich nicht schnell genug abduckte, wurde am Kopf getroffen. Er schrie auf, faßte sich mit beiden Händen an die blutige Stirn und stürzte nach kurzem Torkeln auf die Decksplanken. Weitere Steine flogen. Ein schwarzhaariger Decksmann tauchte mit wutverzerrtem Gesicht hinter dem Schanzkleid auf und brachte seine doppelläufige Pistole auf die Auswanderer in Anschlag…
Hasard zog seinen Radschloßdrehling, spannte den Hahn und jagte eine Kugel in den Morgenhimmel. Es war ein Warnschuß. Wenn er seinen Zweck nicht erfüllte, dann würden die befreiten Sklaven zur Selbstjustiz schreiten und die holländischen Piraten aufknüpfen. Das Krachen des Schusses ließ die erregten Stimmen jäh verstummen. Erschrocken starrten die Sklaven den hochgewachsenen schwarzhaarigen Engländer an, der die schwere Waffe mit dem rauchenden Laufbündel in der Hand hielt. Entschlossen trat Batuti vor, um mit den Sklaven zu reden. Die gefesselten Holländer indessen sahen ihn voller Verzweifelung an. Sie wußten, das er zur Crew der Engländer gehörte. Jetzt hing ihr Leben an der Fähigkeit dieses Mannes, den sie einen «Nigger» genannt hatten, ob er es schaffte, die Sklaven zu beruhigen…
Mit Sir John wird abgerechnet. Dan O'Flynn ist es gelungen, Unruhe unter die Mannschaft des alten Killigrew zu tragen. Aber noch immer ist Sir John hinter der Schatzbeute des Seewolfs her, und sein Haß wird immer größer. Er setzt alles auf eine Karte, um aus seinem Gefängnis auszubrechen und kalte Rache für alles zu nehmen, was ihm die Männer des Seewolfs angetan haben. In einer finsteren Februarnacht bahnt sich die Entscheidung an…
Vom Glockenturm der Kirche in Cadiz hallten sechs eherne Schläge. Wenn der letzte Schlag verklang, würde der Mann am Pfahl auf dem Exerzierplatz von Fort San Sebastian zusammensacken – getroffen von den Kugeln der acht Füsiliere. Aber dieser Mann, den sie den Seewolf nannten, lächelte, als der Teniente des Exekutionskommandos den Degen hob und seinen Feuerbefehl brüllte…
Sie lag abseits der Werft Rory O'Connors, reif, um abgewrackt zu werden – eine alte, morsche Kogge der Hanse. Und niemand wußte, daß sie ein Geheimnis barg. Aber für Philip Hasard Killigrew war sie ein Stück seiner Vergangenheit. Nur darum war er nach Irland gesegelt, denn er war sich sicher, auf der «Wappen von Wismar» eine Spur zu finden, und sei es auch nur das in das Kielschwein eingebrannte Zeichen der Werft, auf der die Kogge erbaut worden war. Aber dann fand er etwas ganz anderes, nämlich eine Spur, die nach Cadiz führte…
Hasard und seine Männer duckten sich hinter das Gebüsch am Flußufer nördlich von Arica. Eine Gruppe von sechs Soldaten bewegte sich mit Getöse auf sie zu. Die Kerle trieben Maultiere kreuz und quer durch die Maisfelder, die auf diese Weise sinnlos niedergetrampelt und zerstört wurden. Sie grölten dabei und schwengten Krüge und Trinkbecher. Hasard gab das Zeichen zum Angriff. Die Männer schnellten hoch, und es war wie ein Gewittersturm, der über die Soldaten hereinbrach. Entsetzt ließen sie Krüge und Becher fallen. Die Maultiere stoben davon. Dann griffen die Kerle zu den Waffen…