Jenseits des Spessarts. Günter Huth

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Название Jenseits des Spessarts
Автор произведения Günter Huth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783429064822



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stellte er fest. „Dann wollen wir sie mal holen.“ Er gab seinem Kollegen einen Wink. Der ging zum Heck des Wagens und öffnete die Doppeltür. Gemeinsam zogen die beiden Männer eine fahrbare Liege heraus, die sie aufklappten. In dem Augenblick erschien Theresa oben in der Luke und sah auf Kerner herab.

      „Sie ist wach“, erklärte sie halblaut.

      Simon Kerner legte dem älteren der beiden Sanitäter seine Hand auf den Arm. „Warten Sie. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich Clara selbst aus dem Flugzeug heraustragen. Der Flug und die ganzen Erlebnisse der letzten Zeit haben sie ziemlich angegriffen.“

      „Das geht selbstverständlich in Ordnung.“

      „Gut, dann gehe ich jetzt rein und hole sie. Meine Frau wird ja bei Clara mitfahren?“

      „Selbstverständlich“, erwiderte der jüngere der beiden. Kerner sprang die paar Stufen zum Flieger hinauf.

      Clara lag bleich auf dem umgeklappten Sitz. Theresa saß dicht bei ihr und strich ihr mit der Hand über die Stirn. Clara hatte wieder deutlich fühlbar erhöhte Temperatur.

      „Schatz, wir sind schon in Deutschland gelandet“, erklärte sie ihrer Tochter, die gerade ausgiebig gähnte. „Du hast fast den ganzen Flug verschlafen. Wie geht es dir?“

      „Wo ist Daddy?“, wollte sie wissen.“

      „Hier bin ich“, sagte Kerner und trat einen Schritt nach vorne. „Draußen wartet schon ein Wagen, der Mama und dich nach Würzburg bringt. Komm, mein Schatz, ich nehme dich auf den Arm und trage dich raus.“

      „Müssen wir lange mit dem Auto fahren? Werden wir da auch Tiere sehen?“

      Simon Kerner musste etwas schmunzeln. „Nein, Clara, größere Tiere werden wir hier nicht sehen. Vielleicht ein paar Vögel. Die Fahrt dauert höchstens eine gute Stunde, dann sind wir da.“ Obwohl sich Clara sicher das Zeitmaß Stunde nicht wirklich vorstellen konnte, gab sie sich zufrieden und ließ sich von ihrem Vater auf den Arm nehmen. Im Vorbeigehen winkte das Mädchen den beiden Piloten und der Stewardess zu, die im vorderen Teil der Kabine standen und zurückwinkten. Kerner und Theresa bedankten sich bei der Crew, dann traten sie auf die Treppe des Fliegers hinaus.

      Als Kerner die erste Stufe betrat, sah er blinkendes Blaulicht, das sich vom Terminal her näherte. Wenig später kam mit Schwung ein schwarzer SUV neben dem Rettungswagen zum Stehen. Der Motor und das Blaulicht erloschen, dann wurde die Fahrertür aufgerissen und Eberhard Brunner sprang heraus. Kerner war mittlerweile freudig die restlichen Stufen hinuntergestiegen.

      Mit dem Kind auf dem Arm wandte er sich Brunner zu. „Hallo, lieber Freund, ich grüße dich! Schön, dass du kommen konntest!“ Er warf einen Blick auf den SUV. „Aber warum denn nicht gleich mit Sirene …?“

      Der grinste und erwiderte: „Da haben so ein paar Sonntagsfahrer gemeint, sie müssten mir im Weg herumzuckeln. Ein bisschen Heulton und schon waren sie wach!“ Er lachte. „Wenn man schon die Möglichkeit hat … Nicht ganz legal, aber wer viel fragt, bekommt viele Antworten …“

      Die beiden klopften sich gegenseitig zur Begrüßung auf die Schulter. Es war jetzt fast drei Jahre her, dass Brunner in einem Urlaub Kerner im Nationalpark besucht hatte. Dann betrachtete er Clara, die ihn mit großen Augen musterte.

      „Hallo Clara, du bist aber groß geworden. Ich bin der Onkel Eberhard …, aber du wirst dich nicht mehr an mich erinnern. Da warst du noch ganz klein.“ Dann nahm er Theresa herzlich in den Arm.

      „Ich hätte mir gerne ein Treffen unter anderen Vorzeichen gewünscht.“ Sie nickte und hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken.

      Der ältere Rettungsassistent näherte sich und räusperte leise. „Ich denke, wir sollten langsam los. Wir werden schon im Krankenhaus erwartet.“

      „Aber selbstverständlich, Sie haben recht“, gab Kerner zurück. „Wissen Sie, wir haben uns nur schon lange nicht mehr gesehen …“

      Kerner gab Clara einen Kuss, dann hob er sie auf die Liege, wo sie in sitzender Position in den Wagen geschoben wurde. Einer der Männer sicherte sie mit zwei Gurten. Theresa verabschiedete sich von Kerner ebenfalls mit einem Kuss, dann stieg sie ein und setzte sich auf den Sessel neben ihrer Tochter. Das Letzte, was Kerner von seinen beiden Frauen sah, waren zwei winkende Hände. Einen Moment später rollte der Rettungswagen vom Rollfeld.

      Kerner und Brunner luden die Gepäckstücke in den Kofferraum und auf die Rückbank des SUV, dann fuhren auch sie los.

      „Was ist mit dem Zoll?“, wollte Kerner wissen.

      „Kein Problem, ich habe das geregelt. Mit einem Dienstausweis des Landeskriminalamts kommt man ganz gut durch. Du bist im Augenblick ein hoher Polizeibeamter aus Südafrika, der zu einer Konferenz nach Bayern kommt.“ Wenig später passierten sie eine Kontrollstelle, die, wie Brunner erläuterte, üblicherweise von Beamten der Bundespolizei benutzt wurde, die auf dem Flughafen Dienst taten. Nachdem Brunner seinen Dienstausweis vorgezeigt hatte, wurde er durchgewunken. Zehn Minuten später waren sie auf der Autobahn A 3 in Richtung Würzburg.

      „Ich denke, ich verzichte jetzt mal auf Sonderrechte, damit wir uns in Ruhe unterhalten können“, eröffnete Brunner das Gespräch. „Jetzt sag mal, wie geht es der Kleinen? Das ging in den letzten Tagen ja alles ratzfatz. Wie kann es sein, dass ein so kleines Mädchen aus heiterem Himmel Blutkrebs bekommt? Als ich das hörte, hat es mich regelrecht umgehauen!“

      Simon Kerner schaute aus dem Fenster, wo die zwischenzeitlich für ihn ungewohnte Landschaft vorüberzog.

      „Wenn ich, respektive die Ärzte, das wüssten, wären wir um einiges schlauer. Das kann unterschiedliche Ursachen haben: genetische Disposition, Einfluss von Strahlen, Viren, Schwächung des Immunsystems und, und, und. Such dir was aus. Endgültig kann dir niemand sagen, woher Claras Leukämie kommt. Fakt ist, der Krebs ist nachgewiesen, ist ziemlich aggressiv und muss schleunigst behandelt werden. Das erschien uns in Afrika zu riskant. Würzburg hat ja diesbezüglich einen ausgezeichneten Ruf. Insbesondere bei derart jungen Kindern wie Clara.“

      „Ihr habt da aber auch gewaltig was aufgegeben“, stellte Brunner fest.

      Kerner drehte sich dem Freund zu. „Eberhard, wenn dein Kind lebensbedrohlich erkrankt, wirst du alles menschenmögliche unternehmen, um ihm zu helfen. Da ist es völlig egal, ob deine Existenz über den Jordan geht oder nicht.“

      „Völlig klar“, gab Brunner zurück. „Ich meinte ja nur … Immerhin bist ja damals nach Afrika gegangen, weil du hier durch den Tod von Steffi den Halt verloren hattest und dort eine neue Existenz aufbauen wolltest. Was willst du jetzt machen? du musst doch deine Familie ernähren und die Behandlung von Clara dürfte ziemlich viel Geld verschlingen.“

      Bei Erwähnung seiner ehemaligen Partnerin, die so tragisch ums Leben gekommen war, schwieg Kerner einen Moment gedankenverloren, dann riss er sich zusammen und fuhr fort: „Das ist jetzt erst mal sekundär. Wir haben einiges angespart. Im Busch kannst du ja nicht viel Geld ausgeben.“ Er atmete tief durch. „In den Staatsdienst kann ich natürlich nicht mehr zurückkehren. Aber ich habe mir überlegt, bei der Rechtsanwaltskammer in Bamberg einen Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt im Bereich Würzburg, Main-Spessart und des Oberlandesgerichts Bamberg zu stellen. Bei meinen Qualifikationen dürfte das eigentlich kein großes Problem sein. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der eine oder andere noch an mich erinnert. – Aber jetzt muss erst einmal alles unternommen werden, um Clara zu helfen. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir einen Rückenmarkspender benötigen. Aber das ist wie die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.“

      „Wie geht es euch dabei? Ich kann mir vorstellen, dass es sehr quälend ist, wenn das eigene Kind von einer derart lebensbedrohenden Krankheit befallen wird.“

      „Ja, das nimmt uns beide sehr mit! Ich möchte für die beiden da sein, bin aber jetzt erst mal gezwungen, mich um die Organisation unseres Lebens zu kümmern. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass ich bei dir für einige Zeit wohnen kann.“

      „Wie du bereits sagtest, sind Clara