Jenseits des Spessarts. Günter Huth

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Название Jenseits des Spessarts
Автор произведения Günter Huth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783429064822



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Die Stimme:

      Die Person schaltete das Gerät ein, mit dem sie ihre Stimme am Telefon verfälschte. Nun würde keiner mehr feststellen, ob der Anrufer weiblich oder männlich war. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, da man nie wusste, wer mithörte.

      Es war deutlich nach Mitternacht; obwohl die Nummer anonymisiert war, wusste der Angerufene, um wen es sich handelt.

      „Ich nehme an, du hast wichtige Nachrichten für mich“, erklärte der Angerufene. „Es freut mich, dass du nicht vergessen hast, was ich alles für dich getan habe.“

      „Wie könnte ich das vergessen!“, erklärte die Stimme. „Bisher gab es keinen Anlass, das Risiko einer Entdeckung einzugehen. Das wäre in unserer beider Interesse nicht wünschenswert. Wie du weißt, steht für mich wesentlich mehr auf dem Spiel als für dich.“ Obwohl die Stimme verfremdet war, konnte man eine gewisse Verärgerung heraushören.

      „Gut, gut, ich wollte dich nur dran erinnern. Sprich, was gibt es?“

      „Der Freistaat macht Ernst. Ihr habt euch zu lange zu sicher gefühlt. Der Innenminister wird einen Staatssekretär ernennen, dessen primäre Aufgabe darin besteht, die beiden Clanfamilien politisch zu bekämpfen. Darüber hinaus wird eine Sonderkommission Spessart eingerichtet, die in enger Zusammenarbeit mit dem Staatssekretär, gewissermaßen als dessen polizeilicher Arm, fungiert.“

      „Interessant, aber die haben schon des Öfteren versucht uns ans Bein zu pinkeln und immer fehlte es ihnen vor Gericht an Beweisen …“

      Die Stimme unterbrach ihn. „Das ist diesmal etwas anderes. Dieser Staatssekretär Dr. Haenisch und der Erste Kriminalhauptkommissar Brunner, der die Leitung der Soko übernimmt, sind beides scharfe Hunde, die auch vor grenzwertigen Aktionen nicht zurückschrecken.“ Es trat eine Pause ein, in der die Worte ihre Wirkung entfalteten.

      „Du kannst mir sicher sagen, wo diese Männer wohnen“, wollte der Angerufene wissen.

      „Nicht aus dem Handgelenk, da muss ich erst etwas recherchieren. Ich würde mit irgendwelchen Aktionen noch warten. Erst mal zusehen, wie sich die Sache entwickelt. Nicht gleich schlafende Hunde wecken! Aber wachsam sein!“ Nach einer weiteren Kunstpause fuhr die Stimme fort: „Ich hoffe, es sind alle kritischen Urkunden und Beweise so sicher verwahrt, dass sie bei einer Hausdurchsuchung nicht in falsche Hände geraten. Sie nehmen bei derartigen Aktionen auch alle Computer und Datenträger mit … du weißt, was ich meine …“

      „Keine Sorge, auf den Rechnern befinden sich nur saubere Daten. Da können sich die Herrschaften die Zähne dran ausbeißen. Außerdem haben wir ausgezeichnete Anwälte, die dann für das viele Geld, das sie kassieren, auch etwas Nutzbringendes zustande bringen werden.“

      „Ich wollte das nur noch einmal gesagt haben“, erklärte die Stimme leise.

      „Das ist in Ordnung. Im Gegenzug verlasse ich mich darauf, dass du mich regelmäßig informierst.“

      Die Leitung wurde unterbrochen.

       Sechs Tage später:

      Der Learjet kam kurz nach elf Uhr in dem für Privatflugzeuge reservierten Teil des Flughafens Frankfurt/Main zum Stillstand. Die Triebwerksgeräusche reduzierten sich auf ein tiefes Brummen, bis sie ganz verstummten. Eine Stewardess ließ die Kabinentür nach außen aufschwingen, bis sie sanft am Flugzeugrumpf anschlug und sich automatisch arretierte. Dann drückte sie auf einen Knopf und die Klappe mit den integrierten Stufen sank hydraulisch gebremst auf das Rollfeld hinab.

      Simon Kerner betrat das erste Mal seit Jahren wieder deutschen Boden. Obwohl die Außentemperatur fast dreißig Grad betrug, fröstelte ihn ein wenig, er war von der Rangerstation Temperaturen um die vierzig Grad gewöhnt.

      Der Abschied dort war heftig gewesen. Sofort nach Erhalt der Diagnose und der getroffenen Entscheidung, Clara in Deutschland behandeln zu lassen, war Kerner losgefahren, um mit dem zuständigen Mann der Bezirksregierung zu sprechen. Der fiel aus allen Wolken, als Kerner ihm seine Pläne eröffnete. Der Mann stellte aber schnell seine Versuche ein, Kerner zu bewegen, sein Kind in Südafrika behandeln zu lassen, als er die Entschlossenheit des Chiefrangers erkannte. Kerner empfahl ihm, seinem Stellvertreter Richard die Leitung der Rangerstation zu übertragen, was dann auch geschah. In den nächsten Tagen war die Übersiedlung zu organisieren. Seine Männer waren über die Ereignisse tieftraurig, Clara war der Liebling der Rangerstation. Zu hören, dass sie schwer krank war, ließ die Stimmung der rauen Männer auf einen Tiefpunkt sinken.

      Sehr überrascht war Kerner, als er an einem Abend einen Anruf erhielt. Am Telefon war Jeremia McArthur, ein afrikanischer Musiker, der in Deutschland viel Geld mit seinen Platten verdiente. McArthur war ein Mensch, dem die Natur seiner Heimat sehr am Herzen lag und der den Wildschutz im Nationalpark mit beträchtlichen Summen unterstützte.

      „Hallo Mr. Kerner“, begann Jeremia McArthur, ich habe erfahren, dass Ihre Tochter schwer krank ist und Sie deshalb zurück nach Deutschland wollen. Das Schicksal Ihrer Tochter Clara bedauere ich sehr. Sosehr mich der Verlust schmerzt, den der Nationalpark durch Ihren Weggang zu tragen hat, möchte ich gerne alles tun, damit Clara möglichst schnell in kompetente ärztliche Hände kommt. Ich verfüge über einen Learjet, den ich Ihnen gerne für die Reise zur Verfügung stellen möchte. Eine schnelle Behandlung, so habe ich mir sagen lassen, erhöht die Chance auf eine Heilung dieser Krankheit enorm. Das Flugzeug steht im Augenblick in Pretoria. Besprechen Sie das mit Ihrer Familie. Ihre Zustimmung erwarte ich bis morgen Vormittag.“

      Theresas Gesicht überzog ein Hoffnungsschimmer.

      „Simon, das ist ein Wink des Schicksals. Durch dieses Angebot gewinnen wir mindestens zwei Tage. Bitte ruf ihn an und sag ja!“

      Am nächsten Morgen rief Kerner McArthur an und nahm das Angebot dankend an. Bittere Tränen gab es, als Kerner seiner Familie mitteilen musste, dass man Rex nicht mitnehmen konnte. Theoretisch gab es zwar die Möglichkeit, aber es war nicht möglich, in der kurzen Zeit bis zur Abreise alle Formalitäten für den Rüden zu erledigen. Nachdem Rex aber auch Richard, seinen Nachfolger, als Bezugsperson anerkannte, beschloss er, den Rüden bei ihm zu lassen. Der Hund war an ein freies Leben im Camp und im Busch gewohnt und würde in einer Wohnung in der Stadt verkümmern. Am Tag der Abreise unternahm Richard mit Rex eine längere Kontrollfahrt durch den Busch. Etwas, was er schon häufiger praktiziert hatte und wobei Rex immer freudig mitgegangen war. Als Richard den Rüden diesmal aufforderte in den Jeep zu springen, verweigerte er den Gehorsam und hielt sich dicht an Kerner. Erst als Simon Kerner ihm streng befahl einzusteigen, fügte er sich. Den Blick, den der Rüde ihm zuwarf, als der Jeep vom Hof fuhr, würde Kerner nie vergessen. Wahrscheinlich war das eine Trennung auf Dauer. Clara hatten sie gesagt, Rex würde bald nachkommen. Womit sich das Mädchen nach vielen Tränen trösten ließ.

      Simon Kerners Blick ging suchend in Richtung Flughafenterminal. Sie hatten einen Krankentransport vom Flughafen zur Uniklinik in Würzburg organisiert. Zu ihrer Freude erfuhren sie, dass bei kleineren Kindern die Mutter mit im Krankenzimmer übernachten durfte. Dieses Angebot wollten sie natürlich annehmen, zumal sie ja noch keine Wohnung hatten. Clara würde so vom ersten Tag an eine kompetente ärztliche Rundumversorgung bekommen und war nicht dem Stress der Trennung von ihrer Mutter ausgesetzt. Damit war auch das Problem der Wohnungssuche nicht mehr ganz so brandeilig. Eberhard Brunner bot Kerner an, so lange in seiner Wohnung zu leben, bis er etwas Geeignetes gefunden hatte. Durch die Aufstellung der Soko und die damit verbundenen organisatorischen Anstrengungen würde Brunner sowieso häufig unterwegs sein. Brunner hatte es sich aber nicht nehmen lassen, den Freund und sein Gepäck vom Flughafen abzuholen.

      Da entdeckte Kerner, vom Terminal kommend, einen Transporter heranfahren. Das Zeichen des Roten Kreuzes war schon von der Ferne aus zu erkennen.

      Der geräumig Rettungswagen hielt neben dem Flugzeug und zwei Rettungsassistenten stiegen aus. Sie stellten sich kurz vor, dann fragte der Ältere: „Es soll um den Transport eines kleinen, an Leukämie erkrankten Mädchens gehen. Wie ist ihr Gesundheitszustand? Ist sie ansprechbar?“ Er warf einen Blick zur Flugzeugluke.