Lebendige Seelsorge 2/2017. Erich Garhammer

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Название Lebendige Seelsorge 2/2017
Автор произведения Erich Garhammer
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429063238



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gehören auch zum Leben Sterbenskranker und Sterbender. Sie helfen ihnen, den Tag zu überleben. Und so träumen sie, dass eines Tages alles wieder gut sein wird. Dabei ist es gleichgültig, ob die Hoffnung realistisch und berechtigt oder trügerisch und unberechtigt ist. Sterbenskranke und Sterbende haben ein Recht auf Hoffnung und pochen auch darauf, noch Hoffnung haben zu dürfen. Sie hoffen auf die Hochleistungsmedizin, auf neue Therapien und Medikamente. Aus Sicht der Gesunden ist es Überversorgung, aus Sicht Sterbenskranker aber Grund ihrer Hoffnung, dass der Sterbezeitpunkt noch in weiter Ferne liegt. Wenn ein Sterbender überhaupt keine Hoffnung mehr zu erkennen gibt, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht.

      Für gläubige Menschen ist Hoffnung kein gewöhnlicher Optimismus. Gläubige Menschen erhoffen, dass Gott eingreift. Die religiös begründete Hoffnung basiert auf dem Glauben, dass Gott den Tod des Menschen nicht will, der Tod nicht zum Leben gehört und der Mensch auch nach seinem Tod weiterleben wird.

      Bei Sterbenskranken ist das Gleichgewicht von Angst und Hoffnung labil. Die Stimmung kann sehr schnell von der Hoffnung zur Verzweiflung und von der Verzweiflung zur Hoffnung kippen. Wenn die Begleiterscheinungen des Sterbens heftiger werden und der Lebensraum enger wird, gelingt es immer seltener, Angst und Hoffnung auszubalancieren, ausgeglichen zu sein.

      Es ist ein alter Gedanke: Je schärfer und unerbittlicher wir eine These formulieren, desto unwiderstehlicher ruft sie nach der Antithese. Sterbenskranke reagieren heftig, wenn einseitig versucht wird, sie positiv aufzubauen. Wenn einem Sterbenskranken nur von Hoffnung, Optimismus, positivem Denken und guten Aussichten erzählt wird, dann wird er vermutlich antworten: „Ja, aber …“ und dem seine Angst entgegenstellen. Wenn ihm nur mit Angst, Pessimismus, negativem Denken und schlechten Aussichten begegnet wird, dann wird er geradezu gezwungen, von seiner Hoffnung zu erzählen: „Ja, aber mir geht es schon wieder besser.“ Für Entspannung kann das Wörtchen „und“ sorgen. Mit ihm wird die Verbindung von Hoffnung und Angst ausgedrückt: „Du hast Angst und Du hoffst.“

      SOLL DIE BEGLEITUNG GELINGEN …

      Dafür gibt es weder verbindliche Modelle noch feste Regeln oder Standardsätze. Gute Absichten allein reichen nicht aus. Die Kommunikation mit Sterbenskranken ist zu komplex. Mit festgelegten Vorgaben kann man sie nicht meistern. Begegnungen mit Sterbenskranken finden im Hier und Jetzt statt. Damit sind die unmittelbaren Vorgänge hier in diesem konkreten Krankenzimmer, in dieser Klinik, in diesem Heim und jetzt genau zu diesem Zeitpunkt gemeint. Im Hier und Jetzt zeigt sich, was Sterbenskranke und Sterbende bewegt und was ihnen wichtig ist. Die realen Bedingungen der jeweiligen Situation, die Lebenswirklichkeit und die Charaktereigenschaften aller Beteiligten sowie die Komplexität von Kommunikation überhaupt sind zu berücksichtigen. Immer konfrontieren die Begleiter die Sterbenden mit ihrer Gesundheit und die Sterbenden die Begleiter mit ihrem Sterben.

      Ein wirklicher Begleiter geht einen kleinen Schritt hinter dem Sterbenskranken oder Sterbenden her, lässt ihm den Vortritt, folgt ihm bescheiden und geduldig. Im Gespräch nimmt sich der Begleiter zugunsten des Sterbenskranken zurück und lässt ihn „zu Wort“ kommen. Er fühlt sich nicht genötigt, den Sterbenskranken aus seiner Trauer zu reißen oder reinen Optimismus und positives Denken zu verbreiten, sondern hält den Zorn und die Trauer mit ihm aus.

      Ein achtsamer Begleiter versucht zu erkennen, was den Sterbenskranken bewegt und umtreibt. Er weicht nicht von der Seite, wenn die Klagen über das Unglück nicht aufhören, die Angst vor weiteren Verlusten sich ausbreitet, der Neid auf die Gesunden und das Weinen über das eigene Los nicht aufhören.

      Ein zugewandter Begleiter lässt den Sterbenskranken seine Einmaligkeit erfahren und teilt seine Angst und seine Hoffnung; denn er weiß: Trösten heißt treu sein. ■

      LITERATUR

      Engelke, Ernst, Gegen die Einsamkeit Sterbenskranker. Wie Kommunikation gelingen kann, Freiburg i. Br. 2012.

      Ders., Die Wahrheit über das Sterben. Wie wir besser damit umgehen, Reinbek bei Hamburg 2015.

      Kastenbaum, Robert, Death, Society, and Human Experience, New York 2007.

      Kübler-Ross, Elisabeth, On Death and Dying. What the dying have to teach doctors, nurses, clergy, and their own families, London 1969. (Deutsch: Interviews mit Sterbenden, 1972)

      Noll, Peter, Diktate über Sterben und Tod. Mit der Totenrede von Max Frisch, München 2005 (1984).

       Sterben ohne Angst – wie geht das?

      Was passiert in den letzten Stunden des Lebens? Wie kann ein friedliches und angstfreies Sterben ermöglicht werden angesichts einer immer technischer werdenden Medizin, in der Sterben scheinbar keinen Platz hat. Die Palliativmedizin und Hospizarbeit widmen sich besonders der Begleitung von Menschen in den letzten Lebensmonaten und -wochen. Claudia Bausewein

      In Deutschland sterben jährlich über 850.000 Menschen, die meisten an chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen, nach einem Schlaganfall oder an Demenz (vgl. Destatis). Jeder Vierte stirbt an den Folgen einer Krebserkrankung. Der medizinische Fortschritt führt dazu, dass die Lebenserwartung weiter steigt, wobei das für viele Menschen bedeutet, dass sie im Lauf der Jahre unter mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden, die zu stärkeren Einschränkungen und Gebrechlichkeit führen. Der Wunsch der meisten Menschen ist es, zu Hause zu sterben. Tatsächlich verstirbt aber nahezu jeder zweite im Krankenhaus. Und immer mehr Menschen sterben in Alten- und Pflegeheimen. Diese Zahl wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen.

      PALLIATIVMEDIZIN

      Die Palliativmedizin hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland zunehmend als eigene medizinische Fachrichtung entwickelt. Ihre Aufgabe ist die ganzheitliche Begleitung von Menschen mit fortgeschrittenen Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung mit dem Ziel, die Lebensqualität in der verbleibenden Lebenszeit zu verbessern, auch wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Dazu gehört die Beachtung der körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte des Patienten. Die Begleitung schließt die Angehörigen mit ein, da diese von der Erkrankung und dem nahenden Lebensende des Patienten genauso mitbetroffen sind (vgl. WHO). Palliativbetreuung sollte schon frühzeitig im Krankheitsverlauf ab der Diagnose der Unheilbarkeit einer Erkrankung angeboten werden, auch in Verbindung mit anderen krankheitsorientierten Therapien. Es konnte gezeigt werden, dass frühzeitige Palliativbetreuung einen positiven Verlauf auf die Grunderkrankung nehmen kann und sogar lebensverlängernd wirkt (vgl. Temel). Zur Grundhaltung in der Palliativbetreuung gehört es, das Leben zu bejahen und das Sterben als normalen Prozess zu sehen. Der Tod soll nicht hinausgezögert, aber auch nicht beschleunigt werden (vgl. WHO).

       Claudia Bausewein

      geb. 1965 in München, Prof. Dr. med., Internistin; seit über 30 Jahren in der Hospizbewegung und Palliativmedizin; wiederholte Aufenthalte in England, darunter fünf Jahre am Cicely Saunders Institute des King’s College London; seit 2012 Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München und Lehrstuhlinhaberin für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

      Der englische Begriff „Palliative Care“ bringt noch besser zum Ausdruck, was hinter Palliativmedizin steckt. Das Wort „care“ – Fürsorge, Versorgung geht über die reine medizinische Betreuung hinaus und macht auch deutlich, dass es nicht nur um ärztliche Betreuung geht, sondern dass den vielfältigen und komplexen medizinischen, psychosozialen und spirituellen Problemen der Betroffenen oft nur durch ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Team begegnet werden kann. Die Palliativmedizin und die Hospizbewegung sind eng miteinander verbunden, haben sie doch dieselben Wurzeln in Dame Cicely Saunders, die 1967 St. Christopher’s Hospice in London gründete.

      Die Entwicklung der Hospizbewegung und Palliativmedizin in Deutschland in den letzten 30 Jahren ist beeindruckend. Aus einer Initiative Einzelner ist die Hospizbewegung mit über 80.000 ehrenamtlichen Helfern zu einer Bürgerbewegung geworden. Die Palliativmedizin hat sich als medizinisches Fachgebiet etabliert und durch die Einrichtung von Lehrstühlen Einzug in Universitäten gefunden.

      Palliativmedizinische