Buddha ohne Geheimnis. Ayya Khema

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Название Buddha ohne Geheimnis
Автор произведения Ayya Khema
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783931274528



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bemühe sich um folgende Gesinnung:

      Er sei stark, aufrecht und gewissenhaft,

      freundlich, sanft und ohne Stolz.

      Genügsam sei er, leicht befriedigt,

      nicht viel geschäftig und bedürfnislos.

      Die Sinne still, klar der Verstand,

      nicht dreist, nicht gierig sei sein Verhalten.

      Auch nicht im Kleinsten soll er sich vergehen,

      wofür ihn Verständige tadeln könnten.

      Mögen alle Wesen glücklich sein

      und Frieden finden!

      Was es auch an lebenden Wesen gibt:

      ob stark oder schwach,

      ob groß oder klein,

      ob sichtbar oder unsichtbar,

      fern oder nah,

      ob geworden oder werdend –

      mögen sie alle glücklich sein!

      Niemand betrüge

      oder verachte einen anderen.

      Aus Ärger oder Übelwollen

      wünsche man keinem irgendwelches Unglück.

      Wie eine Mutter mit ihrem Leben

      ihr einzig Kind beschützt und behütet,

      so möge man für alle Wesen und die ganze Welt

      ein unbegrenzt gütiges Gemüt erwecken:

      ohne Hass, ohne Feindschaft,

      ohne Beschränkung nach oben, nach unten

      und nach allen Seiten.

      Im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen

      entfalte man eifrig diese Gesinnung:

      dies nennt man Weilen im Heiligen.

      Wer sich nicht an Ansichten verliert,

      Tugend und Einsicht gewinnt,

      dem Sinnengenuss nicht verhaftet ist –

      für den gibt es keine Geburt mehr.

      Die Lehrrede beginnt damit, dass der Buddha sagt: Wer zum Frieden gelangen will, muss das Heilsame üben. Dieser Ausspruch ist insofern bemerkenswert, als er bedeutet, dass man sich im Heilsamen üben und eine Geschicklichkeit darin erwerben kann und muss. Man ist also nicht entweder ein guter oder ein böser Mensch und muss nicht notwendigerweise heilsam oder unheilsam handeln, weil man einen so beschaffenen Charakter hat oder die Umstände es von einem verlangen. Dann nennt er fünfzehn Eigenschaften, die man kultivieren muss, um Frieden zu finden. Sie beginnen auf einer weltlichen Ebene, führen dann aber über sie hinaus. Das ist das Interessante an dieser Lehrrede wie an so vielen anderen. Sie fangen an mit weltlichen Dingen – wie wir die Welt erleben, in ihr reagieren, etwas besser machen können – und zeigen den ganzen Weg zum Nibbāna. Auch das Mettā-Sutta erklärt ihn ganz genau. Was kann man mehr verlangen? Weiter nichts, als ihm dann auch zu folgen, indem man sich nämlich die fünfzehn Fähigkeiten zu Eigen macht. Wer Frieden in seinem Herzen finden will, der sei:

      Erstens stark, kraftvoll:

      körperlich gesund und willensstark.

      Zweitens aufrecht, aufrichtig:

      »Aufrichtig« heißt, man sagt die Wahrheit, ist offen und ehrlich sich selber und anderen gegenüber; »aufrecht«, man hat den Mut zur eigenen Überzeugung und steht für sie – ohne Ereiferung und ohne Groll – gerade, eine seltene und sehr wertvolle Eigenschaft. Die meisten fürchten, sie können mit ihrer Umgebung nur dann in Harmonie leben, wenn sie deren Meinung teilen. Wer aufrecht ist, ist auch zuverlässig, man kann in jeder Situation auf ihn bauen, nicht nur, wenn sowieso alles glatt geht. Wer zuverlässig für andere ist, ist es natürlich auch für sich selber. Er kennt seinen Weg und wird nie zum Opportunisten.

      Drittens gewissenhaft und gerade:

      geradeaus, geradezu. Das bedeutet nicht, man solle andere mit seiner Meinung traktieren, sondern sich von seinem Weg nicht abbringen lassen, unbeirrbar geradeaus gehen, nicht auf Ab- und Umwegen. Ein Mensch von geradem Wesen beschönigt und rechtfertigt sich nicht, er zeigt sich, wie er ist. Er ist liebevoll, aber legt es nicht darauf an, liebenswert zu sein.

      Viertens nicht stolz:

      Stolz hat eine Qualität von Härte. Man ist zum Beispiel stolz auf sein Besitztum, Wissen und Können, auf seine gesellschaftliche Position, mit einem Wort: auf sein »Ich«. Ein stolzer Mensch ist unbelehrbar.

      Zur Zeit des Buddha gab es einen Brahmanen mit dem Spitznamen »Steifstolz«. Er war verrufen für seinen Stolz, und er war steinreich. Niemals hat er sich vor jemandem oder etwas verbeugt, was in Asien sehr seltsam ist. Er ist nie vor den Göttern in die Knie gegangen, hat nie einem Lehrer oder anderen Menschen Achtung oder Höflichkeit bezeugt. Zur allgemeinen Verblüffung erschien er eines Tages, um dem Buddha bei einer seiner Lehrreden zuzuhören. Kaum hatte der Buddha geendet, ging »Steifstolz« auf ihn zu und verbeugte sich. Der Zuhörerschaft blieb der Mund offen vor Staunen. »Steifstolz« erklärte dem Buddha, er akzeptiere ihn ab sofort als Lehrer, aber schließlich habe er einen Ruf zu verlieren. Ob der Buddha, wenn er ihn künftig auf der Straße treffe, als Gruß auch gelten lasse, wenn er statt einer Verbeugung den Hut lüfte. Der Buddha war einverstanden. »Steifstolz« behielt seinen Spitznamen bis an sein Lebensende.

      Innere Steifheit ist auch ein Merkmal von Stolz. Ein solcher Mensch lässt nichts an sich heran und in sich herein, das sein mächtiges Ego gefährden könnte. Je größer das Ego ist, desto leichter stößt es an, desto weiter ist man vom inneren Frieden entfernt.

      Fünftens jemand, mit dem man leicht sprechen kann:

      der freundlich und zugänglich ist, nicht aufbraust, nicht gleich Rechtfertigungen und Entschuldigungen zur Hand hat, nicht rechthaberisch auf seiner Meinung herumreitet und mit jedem Wort sein Ego zur Schau stellen will, sondern jemand, der gut und voller Mitgefühl zuhören kann, der beseelt ist von innerem Frieden. Innerer Unfrieden nämlich sucht ein Ventil, er plagt einen ja, man will ihn loswerden, und so entlädt er sich unter anderem in Wortgefechten und führt zu Zank und Streit. Einer, mit dem leicht zu sprechen ist, wird sich auch weder besser noch geringer als andere dünken.

      Eine Gruppe Mönche wurde auf einem Waldspaziergang von Räubern überfallen. Sie wollten einen von ihnen als Geisel nehmen, um ein hohes Lösegeld zu erpressen, und der Mönchsälteste sollte ihn bestimmen. Der aber schwieg. Das brachte den Anführer der Räuberbande in Rage, und er herrschte ihn an: »Antworte! Wen willst du mitschicken? Wenn du nicht antwortest, nehmen wir dich!« Der Mönch erwiderte: »Wenn ich einen nenne, hieße das, ihn geringer als die anderen zu bewerten. Wenn ich mich selber wähle, bewerte ich mich geringer. Ich kann keinen bewerten.« Dem Räuberhauptmann verschlug diese Antwort die Sprache, und schließlich nahm er keinen als Geisel.

      Sechstens sanft und milde allen Lebewesen gegenüber:

      das heißt, nicht aggressiv. Seit wir nicht mehr in Höhlen leben und mit Keulen aufeinander losgehen, toben wir unsere Aggressivität eher in Worten als in Tätlichkeiten aus, vor allem aber in Gedanken. Folglich muss sich Milde erst einmal in den Gedanken einnisten, um sich dann im Sprechen und Handeln kundzutun. Der Geist muss milde sein, und das heißt: keinem Wesen Harm zufügen, ob Mensch oder Tier oder Pflanze – auch sich selber nicht. Man fügt sich selber nämlich sehr viel Harm zu, wenn man Negatives in sich hereinlässt, wenn man stolz ist, in irgendeiner Weise aggressiv, voller Ablehnung, Widerstand und Unfrieden. Und das ist zu spüren.

      Siebtens leicht befriedigt:

      Zufrieden sein, das deutsche Wort macht es sinnfällig, führt zum Frieden. Es gibt kaum einen Menschen, der restlos zufrieden ist, jeder trägt sein Päckchen dukkha4