Die Kunst des Loslassens. Ayya Khema

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Название Die Kunst des Loslassens
Автор произведения Ayya Khema
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783931274504



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Ebene drei Dinge folgen, was für alle meditativen Vertiefungen und sogar für jegliche Meditation gilt. Noch bevor die Zeit der Meditation abgelaufen ist oder aber sobald wir die Konzentration verloren haben, rekapitulieren wir, wie wir dahin gekommen sind, bevor wir nach der Meditation die Augen öffnen. Diesen Punkt untersuchen wir besonders dann, wenn wir denken, dass die Meditation besser war als sonst. Dazu können wir uns folgende Fragen stellen: Haben wir vor oder während der Meditation irgendetwas anders gemacht als sonst? Haben wir länger Liebende-Güte-Meditation für uns selbst gemacht? Waren wir vor der Meditation achtsamer als sonst? Haben wir bei der Meditation anders gesessen? Oder haben wir etwas anderes gegessen? Wir erinnern uns so gut wie möglich an jedes Hilfsmittel, das der Meditation vorangegangen ist, sodass sie keine Glückssache ist, sondern ein bewusster Weg dorthin, den wir immer wieder einschlagen können. Eines Tages ist der Weg so klar, dass wir das Rekapitulieren nicht mehr benötigen. Aber zu Beginn ist es sehr hilfreich, besonders wenn es uns noch schwerfällt, die meditative Vertiefung zu erleben.

      Als Zweites stellen wir fest: Auch das ist vergänglich. Haben wir dieses Entzücken erlebt, so ist es unumgänglich nötig zu sehen, wie auch das auseinanderfällt. Meistens freuen wir uns darüber, dass unsere Knieschmerzen oder die Rückenschmerzen oder der Ärger vergänglich sind. Dass jedoch das Angenehme genauso vergänglich ist, müssen wir uns erst vor Augen halten und nicht einfach oberflächlich sagen: „Ich weiß schon, auch das ist vergänglich; ich kann es ja wieder machen.“ Darum geht es nicht. Wir können zwar etwas Ähnliches wiederholen, aber nie wieder dasselbe. Was wir zu der Zeit der konzentrierten Meditation erlebt haben, wie kurz oder lang es immer gewesen sein mag, ist zu Ende. Das sollten wir in einer solchen Tiefe erkennen, dass uns die Vergänglichkeit in Fleisch und Blut übergeht und sie überhaupt keine Frage mehr darstellt. Dann wissen und erleben wir auf einer tiefen Ebene, dass alles, was wir berühren oder womit wir uns beschäftigen oder was überhaupt existiert, immerzu vergeht. Alles fließt. Hier bei den meditativen Vertiefungen ist es wichtig zu erkennen, wie auch diese wegfließen.

      Als Drittes fragen wir uns: Was lernen wir aus diesem Erlebnis? Der Geist ist geneigt zu sagen: „Das war schön! Das ist ja besser, als den Atem zu beachten. Das werde ich gleich wieder machen.“ Das ist jedoch kein Lernschritt, sondern Begierde, die wir als solches erkennen sollten. Wenn wir uns nämlich auf irgendeiner Ebene auf Begierde einlassen, auch wenn wir glauben, sie sei noch so spirituell, so bleibt es immer noch Begierde, die neue Begierden ermöglicht und hervorruft. Hier werden immer wieder Fehler gemacht, vor allen Dingen wenn wir glauben, dass spirituelle Begierden berechtigt seien und nicht schaden. Aber Begierde ist Begierde, egal, ob sie spirituell oder weltlich ist.

      Bei dem dritten Schritt handelt es sich um die Einsichtsebene, die von größter Wichtigkeit ist. Der Einsichtsschritt geschieht im Prinzip automatisch, denn ein Geist, der öfter die meditative Vertiefung erlebt, will wissen, was das bedeutet, und will erkennen. Ein Geist, der sich schon konzentrieren kann, hat bereits Einspitzigkeit in sich gefördert, und ein einspitziger Geist kann etwas durchdringen. Das ist wie bei einem Werkzeug, dessen Spitze wir schärfen, damit es besser funktionieren kann.

      Zunächst erkennen wir durch die Konzentration, dass wir ein ganz anderes Körpergefühl in uns tragen als das Körpergefühl, das wir sonst spüren. Das neue Körpergefühl ist vollkommen unabhängig von Krankheit oder Schmerzen, es hängt lediglich von der Konzentration des Geistes ab. Dieses entzückende Gefühl, das wir in uns tragen, zeigt uns auch, dass wir schon bei der ersten meditativen Vertiefung eine neue Ebene berühren, die ganz anders ist als die weltliche Ebene, bei der wir unseren Körper im Allgemeinen mit seiner Schwere, mit seinen Schwierigkeiten, mit seinen Fähigkeiten und auch mit seinen Unfähigkeiten erleben. In der ersten meditativen Vertiefung erleben wir bereits ein anderes Bewusstsein und damit auch einen anderen Körper, der zwar genauso aussieht wie immer, aber das Körpergefühl hat sich stark verändert. Das ist ein eindringlicher Beweis dafür, dass das Bewusstsein alles ist, worauf es ankommt. Dieses Erleben überträgt sich dann auf den Körper, sodass sich dieser ganz anders anfühlt.

      In der ersten meditativen Vertiefung kann sich das äußerst entzückende Gefühl auch als Ausdehnung bemerkbar machen, das heißt, dass die Körperbegrenzung nicht mehr deutlich zu spüren ist. In diesem Fall gibt es keinen Bereich mehr, von dem wir sagen könnten: „Das bin ich“, sondern wir spüren eine gewisse Auflösung. Dieses Gefühl unterscheidet sich stark von unserem alltäglichen Körpergefühl. Dabei entsteht dann die Einsicht, dass wir etwas in uns tragen, das unabhängig von jedem Berührungskontakt ist und einzig und allein von unserer Konzentration abhängt. Im Allgemeinen sind angenehme Körpergefühle abhängig von angenehmen Berührungskontakten. Diese Unabhängigkeit von Berührungskontakten ist auch ein erster Schritt in die Freiheit von der Abhängigkeit von äußeren Dingen. In dem Fall der meditativen Vertiefung sind wir nur abhängig von unserer eigenen Konzentration, und je mehr wir sie üben, desto leichter fällt sie uns mit der Zeit.

      Das Wissen, dass wir nur auf uns selbst angewiesen sind, gibt uns auch schon ein Gefühl dafür, dass wir uns auf dem Weg in die Freiheit befinden. Der Buddha hat versprochen, dass wir zur vollen Freiheit von allem Leid, zur vollen Freiheit von jeglicher Abhängigkeit, zur vollen Freiheit von allen Wünschen, zur vollen Freiheit von allem, was uns bedrückt, gelangen, wenn wir diesen Weg bis zu Ende gehen. Daraus können wir schließen, dass schon die Einsichten aus der ersten meditativen Vertiefung bedeutsam sind. Deshalb sollten wir niemals die Meditation beenden, ohne uns über diese Einsichten klar zu werden. Aber es ist nicht sinnvoll, sie nur im Geist zu wiederholen, sondern wir müssen sie wirklich erleben. Wir müssen den Geschmack der Mango selbst kennen lernen, damit wir spüren, wie sie schmeckt.

      An dieser Stelle können wir noch einmal auf die Bedürfnisebene des Gemüts zurückkommen, die ich bereits angesprochen habe, dass wir nämlich eine Sehnsucht in uns tragen. Jeder Meditierende trägt eine Sehnsucht in sich nach etwas Höherem, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, ob erkannt oder nicht. Häufig wird sie die Sehnsucht nach der Gottesbegegnung genannt, aber das sind nur Worte. Diese Sehnsucht soll uns aus der Marktplatzebene herausheben auf eine Ebene, in der wir nicht nur sehr angenehme Empfindungen haben, sondern auch uns selbst ganz anders spüren. Diese Sehnsucht wird durch die meditativen Vertiefungen gestillt. Wir empfinden uns selbst als ganz anders als sonst im Alltag. Dieses Anderssein beantwortet die Sehnsucht nach dem Höheren. Auch wenn in der ersten meditativen Vertiefung die höheren Ideale noch nicht angesprochen werden, so ist es dennoch der Auftakt zu dem Wissen, dass es in uns vorhanden ist. Dadurch entsteht die Glückseligkeit, eine Begleiterscheinung der ersten meditativen Vertiefung. Die Verzückung oder das Entzücken heißt auf Pāli pīti und die Glückseligkeit sukha. Wir haben vier notwendige Schritte, um dahin zu gelangen: das anfängliche Hinwenden, das fortwährende oder anhaltende Hinwenden des Geistes, dann kommt das Entzücken, das von der Glückseligkeit begleitet wird.

      In der ersten meditativen Vertiefung ist das entzückende Empfinden unser Meditationsobjekt und die Glückseligkeit eine emotionale Begleiterscheinung, die erst in der zweiten meditativen Vertiefung angesprochen wird. Aber sie ist in der ersten meditativen Vertiefung bereits deutlich spürbar. Daher wissen wir, dass das Entzücken keine reine Körperlichkeit ist, denn angenehme körperliche Empfindungen sind vollkommen vergänglich, wohingegen die entzückende Empfindung zusammen mit der Glückseligkeit so lange bleibt, wie wir uns konzentrieren können. Können wir uns gut konzentrieren, dann können wir beispielsweise zwei Stunden da verbleiben. Können wir uns weniger gut konzentrieren, dann bleiben wir etwa zwei Minuten dabei. Um den Weg der Meditation zu gehen, ist es jedoch nicht nötig, zwei Stunden in der ersten meditativen Vertiefung zu bleiben. Aber wenn wir die Konzentration gelernt und gefestigt haben, so haben wir die Sicherheit, dass hier etwas anderes als in der Welt geschieht und wir auf dem Weg sind, unseren Geist anderen Bewusstseinsebenen zuzuwenden. Die Glückseligkeit, die da hochkommt und die wir dann in der zweiten meditativen Vertiefung als Meditationsobjekt verwenden, ist ein anderes Gefühl als die Freude oder das Vergnügen, das wir in der Welt erleben.

      Dazu ist auch noch zu sagen, dass die ersten vier meditativen Vertiefungen die feinkörperlichen Vertiefungen heißen, weil sie auf einer feineren Ebene das wiederholen, was wir im Alltag kennen: Wir kennen entzückende Empfindungen und ebenso das Gefühl des Glücklichseins. Hier wird aber eine ganz andere Ebene als die alltägliche angesprochen und auch die Unabhängigkeit. Diese beiden Punkte sind die Hauptsache.