Turrinis Herz. Franz F Altmann

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Название Turrinis Herz
Автор произведения Franz F Altmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783701178308



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wird früher oder später noch vor dem Richter landen, wenn sie sich weiterhin an minderjährige Gymnasiasten heranmacht.

      Was ist denn nur los mit mir? Jetzt bin ich schon wieder vom Thema abgekommen! Um das Puff in St. Moritz geht es ja! Obwohl: Eigentlich gehört das alles eh irgendwie zusammen. Weil wenn das mit dem Sexualleben nicht so schwierig wär, täten ja die ganzen Bordelle nicht so ein Geschäft machen. Muss man direkt froh sein, wenn man ein Mann ist. Was soll denn eine Frau tun, wenn es sie überkommt?

      Jetzt aber interessant: Hat doch die Gucki in dem Moment genau denselben Gedanken! „Wenn es ein Puff für Frauen geben tät, hab ich eh nix dagegen!“, schreit sie energisch gegen die laute Musik an. Weil der Franky gerade Ganz in Weiß aufgelegt hat. Das ist so ein uralter Schlager. Vom Roy Black. Wo das Heiraten recht romantisch geschildert wird. Das macht der Franky natürlich der Gucki zu Fleiß. Weil der Leo und seine Spießgesellen schon die ganze Zeit nur mehr darüber reden, was das für eine schöne Hochzeit wird, wenn der Sigi und die Gucki heiraten.

      Hätte die Gucki lieber nicht sagen sollen. Das mit dem Puff für Frauen. Weil sie jetzt natürlich von allen anwesenden Herren die verlockendsten Angebote kriegt: von hundert Euro abwärts bis hin zu einer Eierspeis. Eh günstig. Aber der Leo unterbietet alle anderen noch im Preis: „Bei mir genügt ein einfaches Danke, Herr Sturmbannführer!“ Da reicht es der Gucki aber wirklich. Jetzt knöpft sie sich auf der Stelle diesen Sigi vor – und in einer Stunde ist sie zurück und demonstriert dann diesen geilen, alten Deppen mithilfe von ihrem Tonband, wie man einem Bordellbesitzer den Arsch aufreißt!

      III

      „Leck Arsch eini!“ hat mit dem Arschlecken an sich nichts zu tun. Eigentlich ist es nur ein Ausruf des Erstaunens. Oder besser gesagt: des Überrascht-Seins. Aber schon des völligen Überrascht-Seins. Weil wenn man nur ein bisserl überrascht ist, sagt man bei uns: „Geh leck!“

      Muss die Gucki schon ziemlich überrascht sein, sonst tät sie jetzt nicht „Leck Arsch eini!“ sagen. Und nicht auf ihrem Arsch sitzen. Auf dem Boden. Mitten in der ehemaligen Gaststube vom Mariabrunn. Während der Sonnenuntergang sein Bestes gibt und den ganzen Raum in ein Inferno aus Rot und Gold verwandelt.

      War das wirklich der Teufel oder hat sie nur ein bisserl zu viel getrunken? Zwei Bier in der Arbeit, drei beim Franky und einen Whiskey. Kann man da Halluzinationen kriegen? Nein, das war auf keinen Fall der Teufel! Den gibt’s ja gar nicht! Ein Drache war’s. Genau: ein feuerspeiender Drache! Was tun? Alle möglichen Heldensagen, in denen Drachen vorkommen, huschen der Gucki durch den Kopf. Aber leider Gottes haben alle Drachentöter immer ein riesiges Schwert bei der Hand, während die Gucki nur das kleine Taschenmesser vom Opa eingesteckt hat. Bleibt ihr nur eine Alternative: die Rolle der schönen Jungfrau übernehmen und auf den Helden warten, der sie rettet.

      Funktioniert ja! Schon hat er lautlos die Bühne betreten. Und als er ihr mit einem sanften, ja zärtlichen Händedruck auf die Beine geholfen hat, blickt sie in die blauesten Augen ihres Lebens. Ein Blau so eisig wie ein Gebirgsbach! Ihr Herz klopft so laut, dass es eigentlich schon eine Lärmbelästigung ist.

      „Na, Frau Magister, haben wir leicht ein bisserl zu viel Heilwasser erwischt?“

      Ihr Held kann auch reden. Nur: Was redet er da daher? Eigentlich müsste er sie doch jetzt in die Arme nehmen und küssen? Ihre Hand hat er auch ausgelassen? Und so was will ein Held sein? Das ist doch nur ein ganz gewöhnlicher Mann! Wie alle anderen auch. Aber nein! Noch blöder: Das ist niemand anderer als der Bordellbesitzer! Dieser geschissene Sigi mit seiner arroganten E-Mail!

      „Haben Sie zufällig einen Drachen als Haustier?“ Das ist der Gucki mehr so herausgerutscht. Weil sie vor lauter Verlegenheit und vor lauter Zorn nicht mehr denken kann. Und Luft kriegt sie auch keine. Drum zündet sie sich schnell einmal eine Zigarette an und bläst diesem Arschloch gleich einmal den Rauch mitten ins Gesicht. Vielleicht hilft das, dass sie nicht ununterbrochen in diese sinnlos blauen Augen starren muss?

      „Wer Gauloises filterlos raucht, frisst auch kleine Kinder!“, bemerkt der Sigi trocken. Ist aber offensichtlich anerkennend gemeint. „Spendierst du mir auch eine?“

      Wieso ist der mit mir per Du? Soll ich ihm eine Zigarette geben? Soll ich auch du zu ihm sagen? Stink ich nach Bier? Oder nach Whiskey? Lauter Fragen und keine Antwort! Gibt sie ihm halt in Gottes Namen eine Zigarette. Muss sie ihm Feuer auch noch geben? Ihre Hand mit dem Zippo zittert derartig, dass er sicher glaubt, sie ist eine Schwerstalkoholikerin auf Entzug. Muss sie wenigstens was sagen: „Das Du-Wort gibt es normalerweise erst nach einem ordentlichen Bruderschaft-Trinken inklusive Küssen.“

      Ha, jetzt hat sie ihm die Schneid abgekauft, diesem goscherten Hund! Das traut er sich bestimmt nicht! Aber so kann man sich täuschen. So schnell kann die Gucki gar nicht schauen, hat sie auch schon ein Glas Rotwein in der Hand und trinkt es auf einen Zug aus. Zwei Zigaretten fallen auf den Boden, wo sie fröhlich weiterglimmen. Was aber einem Kachelboden völlig wurscht ist. Und dann ist es auf einmal so still, als ob die ganze Welt verschwunden wäre. Die ganze Welt besteht nur mehr aus diesen blauen Augen. Die kommen näher und näher – und dann wird der Gucki schwarz vor den Augen.

      Aber nichts dauert ewig, und so muss sie ihre Augen irgendwann doch wieder aufmachen. Um Gottes willen, so was von peinlich! Sie kann sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wie sie in diese Lage gekommen ist. Die Arme um den Hals von diesem Mann geschlungen, die Beine aber um seine Hüften, hängt sie an ihm wie eine Klette und kann nicht loslassen, weil sie jetzt auch noch seinen Hals, seine Wangen und seine Ohren küssen muss. Und hätte sie nicht auf einmal ihren kleinen Turrini so herzzerreißend winseln gehört, wer weiß, was sie noch alles geküsst hätte?

      So aber steht sie im Nu wieder mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität, wie das so schön heißt, obwohl es eigentlich nur der Boden der Gaststube ist, und hat auch schon ihr Taschenmesser kampfbereit in der Hand. Und schaut den Mann mit den blauen Augen hilfesuchend an. Und stammelt: „Mein Hund – der Drache!“

      Eigentlich kein zusammenhängender Satz. Trotzdem kennt sich der Sigi aus. „Der Drache ist nur ein Irish Wolfhound und außerdem extrem kindisch. Du bist nicht die Erste, die meine Krimi vor lauter Begrüßungsfreude über den Haufen gerannt hat. Und andere Hunde beißt sie auch nicht – sie schleckt sie höchstens vor lauter Liebe zu Tode.“

      Ist die Gucki so erleichtert, dass sie dem Mann mit den blauen Augen am liebsten schon wieder um den Hals gefallen wär. Weil das aber einen schlechten Eindruck machten tät, pfeift sie ihrem kleinen Turrini. Pfeift der Sigi auch seinem Hund. „Folgen tun sie anscheinend alle zwei nicht“, stellt der Sigi fest. Bleibt ihnen nichts anderes über, als dass sie in den Garten hinausgehen. Weil der Turrini ja immer noch winselt, wie wenn es um den Weltrekord im Dauerwinseln gehen tät.

      Na, das ist vielleicht ein Anblick! Eine riesige, mindestens 80 Kilo schwere struppig-graue Hündin liegt bäuchlings auf dem Boden und hinter ihr steht ein kleiner schwarzer Hund auf seinen Hinterpfoten und versucht verzweifelt, sich mit den Vorderpfoten im Fell der Hündin festzuhalten. Die Gucki und der Sigi brauchen eine ganze Weile, bis sie draufkommen, was es mit dieser eigenartigen Stellung auf sich hat. Dann brechen sie auch schon gleichzeitig in ein schallendes Gelächter aus. Weil dieses komische Arrangement nämlich wirklich eine Stellung ist: praktisch Geschlechtsverkehr. Nur: Es tut sich nichts! Das Hin und Her, das Rein und Raus fehlt! Praktisch Standbild.

      „Ui je!“, sagt der Sigi, muss aber schon wieder so lachen, dass er fast nimmer reden kann. „Dein Hund ist stecken geblieben! So was kommt öfter vor bei Hunden. Da hat das Weiberl einen Scheidenkrampf und das Manderl kann nicht mehr heraus.“

      „Und …?“, fragt die Gucki. „Was machen wir da?“

      „Gar nix! Das vergeht schon wieder von selber.“ Der Sigi muss schon wieder lachen. „Früher oder später.“

      Ein Lachen, das ansteckend ist. „Früher oder später ist gut!“ Die Gucki lacht auch. „Und was machen wir so lange?“

      „Jetzt, wo wir doch ziemlich per Du sind, sollte ich mich vielleicht einmal vorstellen“, meint der Sigi und grinst. „Sigi.“ Und hält ihr seine Hand hin.

      So