Im Kreuzfeuer. Christian Wehrschütz

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Название Im Kreuzfeuer
Автор произведения Christian Wehrschütz
Жанр Зарубежная публицистика
Серия
Издательство Зарубежная публицистика
Год выпуска 0
isbn 9783990401545



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deshalb, weil auch beim Schreiben konkrete Angaben besser sind als anonyme, und weil mir diese Firmen als besonders schlagendes Beispiel im Gedächtnis geblieben sind. Die Fehler und Versäumnisse in der Medienarbeit vieler österreichischer Firmen nicht nur am Balkan, könnten ein eigenes Lehrbuch füllen. Derartige Fehler können durchaus Geschäftsabschlüsse gefährden oder andere finanzielle Auswirkungen haben, weil gerade Boulevardblätter sehr rasch alles mögliche schreiben und kaum wirksam zur Verantwortung gezogen werden können, wenn man neu auf dem Markt ist.

       3.

       Der Weg nach Lipovac – Kroatiens serbische Hauptstadt

       Nur Bares bringt Wahres:

       Mein „Lieblingsdorf“ an der kroatisch-serbischen Grenze

      Der 14. Februar 2000 war ein schöner Tag und für mich gleichzeitig der Beginn einer Reise nach Belgrad und durch die „Schluchten des Balkan“, die bis heute andauert. Meinen vorläufigen Entsendevertrag als interimistischer Büroleiter in Belgrad hatte ich bereits im Herbst 1999 unterschrieben, und dann bei der jugoslawischen Botschaft in Wien um das Visum angesucht. Das bange Warten auf das grüne Licht aus Belgrad endete ausgerechnet am 23. Dezember. Die Botschaft rief an und teilte mit, dass mir das Visum erteilt werde. Für mich war diese Nachricht ein wirklich schönes Weihnachtsgeschenk. Auslandskorrespondent zu werden war stets mein Ziel gewesen, und nun stand diesem meinem journalistischen Traumberuf nichts mehr entgegen. Einziger wirklicher Wermutstropfen war, dass ich allein fahren musste. Die politische Lage in Serbien unter Slobodan Milošević war einfach zu unsicher, um die Familie mitnehmen zu können. Außerdem dachte niemand von uns im Traum daran, dass der Balkan zu meiner beruflichen Schicksalsregion werden und der Aufenthalt so lang dauern würde.

      Auf die Herausforderungen für die Familie war ich weniger vorbereitet als auf die beruflichen Herausforderungen. Daher verliefen die privaten und beruflichen Vorbereitungen ohne große Aufregung. Als der Tag der Abreise da war, frühstückten meine Töchter Michaela, Immanuela, meine Frau Elisabeth und ich noch gemeinsam und feierten Michaelas 18. Geburtstag. Dann fuhr ich ins ORF-Zentrum am Küniglberg, holte 40.000 DM und den Transporter mit zwei Extrakanistern und fuhr gegen 11 Uhr los – Belgrad entgegen.

      Das Geld brauchte ich aus demselben Grund wie die Kanister. Serbien war wegen der Politik seines Autokraten Slobodan Milošević nach langen Jahren des Zauderns und Zögerns von der UNO mit spürbaren Sanktionen belegt worden. Sie ließen sich zwar umgehen, wurden auch umgangen – das machte viele Zwischenhändler und Schmuggler enorm reich –, ruinierten aber langsam das Land und erschwerten das Alltagsleben massiv. Wegen der Sanktionen gab es in Serbien nur eine einzige westliche Bank, aber trotzdem keinen direkten, regulären internationalen Zahlungsverkehr mit dem Westen. Also brauchte ich Geld, denn in Serbien galt die Devise: „Nur Bares ist Wahres“ – und das war nicht der Dinar, sondern die Deutsche Mark, mit der ich zu rechnen lernte wie mit dem Schilling. Hätte ich all das Geld, das ich in den ersten zwei Jahren meines Mandats in meinen Hosentaschen nach Belgrad schmuggelte, vom ORF auf einmal bekommen, wer weiß, ob ich nicht schwach geworden wäre und mich abgesetzt hätte, scherzte ich oft mit meinem Drehteam.

      Die Kanister brauchte ich, weil auch ein Öl-Embargo galt, und weil ich nicht sofort auf geschmuggelten und gepanschten Treibstoff angewiesen sein wollte. Wie ich sofort nach meiner Ankunft feststellen sollte, boten Händler diesen minderwertigen Treibstoff auf den Straßen in allen möglichen Ein- und Zwei-Liter-Flaschen an. Diese Tatsache verleitete meine ältere Tochter Michaela bei ihrem ersten Besuch zur verblüfften Frage: „Warum verkauft man in Serbien am Straßenrand Coca Cola in Zwei-Liter-Flaschen?“

      Der erste Besuch meiner drei Damen fand erst im Mai statt, nachdem die internationale Gemeinschaft das Flugverbot nach Serbien aufgehoben hatte. Am Flughafen in Belgrad holte ich meine sichtlich nervöse Familie ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in meiner Wohnung fuhren wir sofort auf den Kalemegdan – eine Parkanlage auf dem ehemaligen Glacis der Festung von Belgrad – und tafelten in einem Restaurant mit einem wunderbaren Ausblick über die Mündung von Donau und Save. Dabei schwand die Nervosität, die nicht zuletzt Freunde der Familie geweckt hatten. Belgrad und Serbien hatten das Image eines Kriegsgebiets, in dem überall Gefahren lauerten. An seinem schlechten Image ist Serbien leider weitgehend selbst schuld, doch die Realität entsprach auch damals nur teilweise dem Bild, das viele internationale Journalisten gezeichnet hatten. Am folgenden Tag besuchte ich dann noch mit meinen Töchtern den größten McDonald’s im Stadtzentrum. Damit konnte ich meinen Töchtern ein wenig „westliche Normalität“ vermitteln, trotz aller großen Mangel- und Verfallserscheinungen, die Belgrad und Serbien damals von der Müllabfuhr bis zur Stromversorgung gekennzeichnet haben.

      Das Auto brauchte ich, weil es wegen der Sanktionen keinen Flugverkehr zwischen Wien und Belgrad gab; wie hätte ich sonst Kanister und Gepäck transportieren und das Geld nach Serbien schmuggeln sollen? Das Fahrzeug bereitete mir ein beträchtliches Unbehagen. Entgegen meiner Bitten und Ratschläge hatte mir mein fürsorgliches Unternehmen einen fast nagelneuen Mercedes-Transporter gegeben, der nur 2.000 Kilometer auf dem Tacho hatte. Für alle Autodiebe, die es damals in Serbien in noch weit größerer Zahl gab als heute, war dieses Fahrzeug ein Objekt der ständigen Begierde erster Ordnung. Was ich mit diesem Auto, das ich in Serbien praktisch nie fahren würde, in den kommenden Monaten noch erleben sollte, wusste ich bei der Anreise allerdings noch nicht.

      Als Reiseroute nach Belgrad wählte ich den Weg über Graz, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wollte ich noch kurz meine Eltern besuchen, die in Graz wohnen. Zweitens waren die Straßen in Slowenien und Kroatien besser als in Ungarn, obwohl auch der Ausbau der Autobahnen in den beiden ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken