Die Jagd nach der silbernen Feder. Jan Hanser

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Название Die Jagd nach der silbernen Feder
Автор произведения Jan Hanser
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783865067913



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um dicht gestreute Gesteinsbrocken in allen Größen und Formen. Sie ritten auf dem abfallenden Weg in eine Schlucht hinein, deren Wände sich zusehends höher und höher in den Himmel reckten. Feuchte Felsformationen erhoben sich und dämpften das Licht und die Wärme der Sonne. Nur vereinzelt wagten sich einige zarte Strahlen in die Tiefe der Schlucht und schimmerten in braun goldenen Tönen auf den klammen Felswänden. Ein Duft von nasser Erde und modrigem Laub tränkte die Luft. Dichte Farnbüschel duckten sich in die aufsteigenden Felswände hinein und breiteten ihr zarten, weit gefächerten Blätter aus.

      Vorsichtig setzte Wald einen Lauf vor den anderen. Es mochte wohl eine halbe Stunde vergangen sein, als die Schlucht sich langsam und kaum merklich zu einem riesigen grünbraunen Trichter weitete. Bald schon erreichten sie einen alten Buchenwald. Die schmalen Stämme wuchsen kerzengerade zwischen den Steinen in den Himmel. Hellgrünes mattes Licht drang durch das Laubwerk und durchflutete sanft die sich vor ihnen ausbreitende, dicht bemooste Felsenlandschaft. Pepe stieg ab. Der Boden war von großen runden Felsbrocken aller Größen bedeckt. In der Ferne meinte Pepe das leise Glucksen eines Baches zu vernehmen. Brocken an Brocken scharten sich die Felsen. Sie fielen in sanfte Steintäler ab, schmiegten sich aneinander, lagen hoch aufgetürmt, erhoben sich und sanken, wogten, schienen seltsam bewegt und hielten doch versteinert inne.

      Kreuz und quer über den Felsen lagen umgestürzte Bäume, manche flach, andere aufragend wie Spieße. Von dichtem Moos und Pilzen überzogen schienen sie ihre letzte Ruhe gefunden zu haben.

      Pepe lachte hell in Walds Ohr: „Es sieht so aus, als hätten sich hier zwei Riesen amüsiert.“ Er zeigte mit seinem Arm auf die wild verstreuten Baumstämme. „Wahrscheinlich haben sie sich die Zeit mit einer Runde Gigantenmikado vertrieben.“

      „Hör mir auf mit Riesen.“ Schmunzelnd schüttelte Wald den Kopf.

      Wald ging nur noch im Schritttempo. Ein Weg war nicht mehr auszumachen. Tiefe Klüfte und Spalten, nur von losem Zweigwerk und feuchtem Laub abgedeckt, taten sich rechts und links eines jeden Fußtritts auf. Die Buchen lichteten sich zusehends. Bald schon erreichten sie den Waldrand. Vorsichtig traten sie aus dem Schutz der Bäume heraus.

      Vom gleißenden Licht der Sonne geblendet, verengte Pepe seine Augen zu Schlitzen. Vor ihnen breitete sich ein gigantisches Felsenmeer, durchflutet vom hellen Licht des späten Vormittages, in seiner ganzen Weite aus. Staunend und mit offenstehenden Mündern hielten die beiden Gefährten inne.

      Pepe entdeckte Felsbrocken, die aussahen wie erstarrte Robben. Ein riesiger schlafender Walfisch lag reglos versteinert zwischen klippenartig aufragendem Gestein. In seiner Phantasie sah Pepe mächtige Walrösser, Riesen mit abgetrennten Schädeln und liegende Säulen, wie aus riesigen Vorhallen längst vergangener Zeiten. Du hättest wahrscheinlich noch so viel mehr entdecken können. Hast du schon einmal im Gras gelegen und in den Wolken die tollsten Dinge entdeckt? Ganz bestimmt! Ja, so erging es auch Wald und Pepe. Sie kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

      In der Mitte des Felsenmeeres entsprang ein kleiner Bach, der sich, in der Sonne glitzernd, durch sein schmales Kiesbett schlängelte. Wenige knorrige Büsche krallten sich mit langen dünnen Fingern in die Felsen. In der Ferne – Pepe meinte, es müsse im Westen sein – gaben die Felswände eine schmale Klamm ins Freie preis. Dort hindurch schlängelte sich, in sein tiefes Bett eingegraben, das glitzernde Bächlein. Mit zusammengekniffenen Augen ließ Pepe seinen Blick durch das Rund der Schlucht schweifen. Es schien ihm, als würden vereinzelte Pfade in einem halsbrecherischen Zickzackkurs die Steilwände hinunterführen. Sie waren kaum einen Fuß breit und immer wieder versperrten Gesteinsbrocken diese kleinen steilen Stege.

      Es wird ein heißer Tag werden, dachte Pepe und wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß aus der Stirn. Er stieg von Walds Rücken und schwitzend begannen sie, über die gewaltigen Kieselsteine zu klettern. Wald war dieser Weg gar nicht recht und er knurrte unzufrieden vor sich her: „Klettern ist was für kleine Jungs und Affen. Ich brauche weites Land. Welfen sollten laufen und nicht klettern.“

      Eine halbe Stunde lang quälte Wald sich von Felsbrocken zu Felsbrocken. Seine Laune besserte sich, als auch er endlich die Quelle des kleinen Bächleins erreichte, das munter aus einer dunklen Felsspalte sprudelte. Hier würden sie im kühlen Schatten der Felsen rasten können. Pepe, der schon lange vor Wald angekommen war, stand bis zu den Knien im Wasser und hielt seinen erhitzten Kopf ins Nass. Das Wasser war glasklar, eiskalt und schmeckte ein wenig nach Rost. Köcherfliegen und Hautflügler bevölkerten die Luft um die Quelle. Kleine Fische schwammen im sandigen Bachbett und Wasserschnecken klebten an glitschigen Kieseln.

      Sie löschten ihren Durst und füllten ihre Trinkflaschen auf. Nun bemerkten die beiden auch den Hunger, der sich knurrend in ihren leeren Mägen ausbreitete. Pepe kramte in seinen Taschen und holte die Brombeeren hervor. Dann leerte er die Satteltaschen und fand ein wenig Brot, Äpfel und geräucherten Schinken. Zu ihrem Glück hatten sie auch den Proviant von Winter und Jisah bei sich. Doch der schmeckte ihnen nicht so recht. Lieber hätten sie nur halb so viel gegessen und dafür mit ihren beiden Freunden das Mahl geteilt. Die Beeren jedoch waren köstlich und Pepe begann neuen Mut zu fassen.

      Jetzt, wo ihre Kehlen feucht und ihre Bäuche voll waren, wurde er schläfrig. Langsam fielen seine Augen zu. Durch die Schlitze seiner Augenlieder sah er über sich den blauen, wolkenlosen Himmel. Die scharfe Kante der Schlucht schnitt das Blau des Himmels ab und fiel in hellem Grau steil in die Tiefe. Er schloss die Augen. Sein Atem verlangsamte sich. Schläfrig lehnte er seinen Hinterkopf an die kühle Wand. Als er sie Sekunden später wieder öffnete, meinte er Schatten oben auf der Felsenkante wahrzunehmen. Er strengte seine Augen an. Dann hörte er das Grollen abstürzender Steine von der rechten Seite. Er krabbelte auf allen vieren hinter dem Felsen hervor und starrte auf die Felswand. Von der Sonne geblendet zog er sich schnell wieder hinter den schützenden Stein zurück. Als er einen Moment später seinen Kopf mit zu Schlitzen verengten Augen um die Ecke schob, durchfuhr ihn ein eiskalter Schrecken.

      In mörderischem Tempo jagten Hyänen auf den Zickzackpfaden die Steilwand hinab. Immer wieder rutschten ihnen die Beine weg und sie stießen grobe Brocken in die Tiefe. Die Vorderen wurden von dem herabstürzenden Geröll fast erschlagen und mehr als einmal verfehlten die faustgroßen Brocken die Hyänen nur um Haaresbreite. Sie strauchelten, stolperten, schürften sich ihre Schnauzen auf dem Boden blutig und stürzten sich fast zu Tode. Schon erreichten die Ersten das Felsenmeer am Grund der Schlucht.

      Viel flinker, als Wald es mit aller Anstrengung hinbekommen hatte, jagte das Rudel über die Felsen.

      Sie kamen direkt auf ihren Lagerplatz zu.

      „Wie haben die uns gefunden?“, schrie Pepe. Doch Wald raunte nur: „Beeil dich! Schnell! Wirf mir die Sättel über, zurr sie fest, dann lauf!“

      Eilig versuchte Pepe, Wald die Satteltaschen umzubinden. Doch seine Hände zitterten so sehr, dass es ihm fast nicht gelingen wollte.

      Pepe sah weitere Hyänen. Aus der Ferne sahen sie aus wie kleine Ponys, die am Rande des Abgrundes mit den Nüstern auf dem Boden nach einem Weg suchten. Kaum hatten sie ihn gefunden, begannen sie, sich auch auf der linken Seite des Kraters in die Tiefe zu stürzen. Einige der Hyänen begannen ihren Abstieg viele Meter vor Wald und Pepe und schlingerten die Wand hinab, um die beiden Gefährten einzukesseln.

      Die Klamm am Ende des Felsenmeeres schien Pepe unerreichbar.

      Wie unzählige schwarze Punkte strömten die Hyänen nun auf allen Pfaden den Steilhang hinab. Geschickt von Brocken zu Brocken springend, begannen sie, auf die beiden Freunde zuzujagen.

      Geröll schlug mit ohrenbetäubendem Lärm von beiden Flanken des Kessels auf das Felsenmeer ein, zersprang am Boden und bald zog von den Steilwänden her eine Staubwolke auf die beiden Fliehenden zu.

      Fluchend begann Wald zu klettern. Seine sechs Pfoten krallten sich in die Felsen, fanden keinen Halt, rutschten ab, wirbelten durcheinander. Schmerzhaft schlug er mit dem Hals auf einer kleinen Kuppe auf. Seine Knochen knackten und seine Augen brannten vor Staub und Schweiß. Er konnte seine Stärke nicht ausspielen. Beim Versuch, einen kantigen