Die Jagd nach der silbernen Feder. Jan Hanser

Читать онлайн.
Название Die Jagd nach der silbernen Feder
Автор произведения Jan Hanser
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783865067913



Скачать книгу

Pepe und Winter kauerten nun neben ihnen. Gemeinsam beobachteten sie gespannt, was sich dort am gegenüberliegenden Ufer zusammenrottete. Pepe war der Erste, der die Stille mit seinem Flüstern durchbrach: „Es scheint eine ganze Meute zu sein.“

      Die anderen nickten.

      „Was sollen wir tun?“ Fragend sah Wald seine Gefährten an.

      „Pepe und ich könnten uns leise um den See schleichen und auskundschaften, was diese Hyänen hier wollen“, antwortete Jisah und schaute in die Runde.

      Pepe wandte sich Jisah zögernd zu. „Du willst mir jetzt nicht sagen, dass wir beide da rausschleichen sollen?“

      Jisah zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Hast du Angst?“

      „Geht nicht zu nah ran“, warnte Wald.

      „Wir werden vorsichtig sein“, versprach Jisah grinsend und kaum dass er es gesagt hatte, nahm er Pepe bei der Hand und zog ihn lautlos hinaus ins Dunkel der Nacht.

      Sie hielten sich nah am Wasser, Pepe dicht hinter Jisah. Der Boden war sandig und knirschte leise unter ihren Sohlen. Nach einiger Zeit, vielleicht so lange, wie du brauchst, um einmal durch den Lutherpark zu laufen, erreichten sie das dichte Schilf.

      Vorsichtig kauerten sie sich nieder, schoben mit ihren Händen die Halme auseinander und lugten durch den Spalt.

      Was sie sahen, verschlug ihnen den Atem. Die Hyänenmeute war riesig. Pepe versuchte, sie zu zählen, doch er gab schnell auf. Es schienen mehrere Hundert zu sein. Eine ganze Armee.

      Sie lagerten in einem großen Kreis, Hyäne an Hyäne. In der Mitte stand ein Zelt aus grobem Leinen. Es hatte vier Ecken und war oben ganz flach. An der schmalen Seite befand sich ein Eingang, dessen Klappe nach oben aufgeschlagen war und von zwei Holzpfosten gehalten wurde. Ein matter Schein drang durch das Zelt, als wären Kerzen darin aufgestellt.

      Eine großgewachsene Hyäne trat aus dem Eingang. Geschmeidig bewegten sich ihre Läufe. Ihre muskulösen Vorderbeine waren deutlich länger als ihre stämmigen Hinterbeine. Von ihrem massiven Kopf ausgehend, fiel ihr buschig behaarter Rücken sanft nach hinten ab. Im Zwielicht des Kerzenscheins hob sich die schwarze Mähne deutlich vom fleckigen Hellbraun des übrigen Felles ab. Sie überragte die anderen Hyänen im Lager fast um das Doppelte. Die beiden Jungen hielten den Atem an.

      Dicht auf ihren Fersen folgte ein tiefschwarzer Wolfshund. Sein Fell glänzte im Mondlicht. Ein eiskalter Schauer durchlief Pepe. Jisah zitterte vor Aufregung.

      Die Hyänen blickten in Richtung der beiden Tiere. Ein Zischen ging durch die Meute, es war bis zu Jisah und Pepe zu hören.

      Die Hyäne, die aus dem Zelt getreten war, konnte nur der Anführer sein. Obwohl sie hundert Schrittlängen von ihnen entfernt stand, kam es ihnen so vor, als drangen ihre Blicke durch die Dunkelheit, über die Hyänen hinweg, durch das Schilf und bis zu ihnen. Pepe biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten.

      Das riesige Tier warf seinen Kopf schüttelnd in den Nacken, riss sein Maul auf und stieß ein schreckliches Lachen in die Dunkelheit hinaus. Dabei entblößte es seine langen Reißzähne. Jeweils zwei Stück wuchsen auf jeder Seite des Ober- und des Unterkiefers. Die hinteren waren länger und spitzer. Selbst als die Hyäne ihr Maul wieder schloss, ragten sie wie Säbel aus ihren Maulwinkeln. (Ihr könntet jetzt denken, ich übertreibe. Aber nein, sie sah wirklich ganz furchterregend aus.)

      Wie in Zeitlupe drehte sie sich im Kreis. Ihr Schädel wurde umrahmt von langem grauem Haar, das fast ihren ganzen gedrungenen Hals bedeckte. Unterwürfig duckten sich die Hyänen unter dem Blick ihres Anführers.

      Dieser leckte sich mit der Zunge über die Flanken. Dann schien er leise mit dem Wolfshund zu sprechen, der sich kurz darauf zu einer Runde durch die Hyänen aufmachte. Ich nehme an, er wollte kontrollieren, dass alle Hyänen ihre richtigen Plätze in der Lagerordnung eingenommen hatten.

      Jisah und Pepe verloren ihn in der Dunkelheit aus den Augen.

      Dann streckte der Anführer seinen Hals noch einmal majestätisch zum Himmel und zog sich in sein Zelt zurück.

      Jisah und Pepe atmeten durch.

      „Was in aller Welt war das?“, flüsterte Pepe.

      „Ich habe keine Ahnung“, antwortete Jisah.

      Schweigend dachten sie nach.

      „Wir finden es raus“, flüsterte Jisah kurzentschlossen und zwängte sich durchs Schilf.

      „Bist du lebensmüde?!“, zischte Pepe. „Komm zurück!“

      Doch Jisah war schon verschwunden.

      Zögernd folgte Pepe ihm. Alleine zurückbleiben wollte er nicht. Seine Füße traten schmatzend ins schlammige Nass zwischen den Halmen. In seinem ganzen Körper breitete sich ein unbehagliches Gefühl aus. Kurz darauf lagen sie auf der anderen Seite des Schilfgürtels auf dem Boden. Ohne jegliche Deckung. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt begann der äußerste Kreis der Meute.

      So verbrachten sie eine ganze Zeit. Schweigend lagen sie nebeneinander. Stille senkte sich nun auch über das Lager der Hyänen. Sie schienen einzuschlafen.

      Jisah hob leicht den Kopf und flüsterte in Pepes Richtung: „Du wartest hier. Ich schau mir das mal aus der Nähe an.“

      Und wieder kam Pepe gar nicht erst dazu, zu protestieren, so schnell kroch Jisah auf allen vieren davon.

      Den ersten Kreis zu überwinden empfand Jisah noch als recht leicht. Er war geübt im Schleichen und hatte schon früh gelernt, sich lautlos zu bewegen. Doch wo an den äußeren Ringen noch ein wenig Platz zwischen den einzelnen Leibern gewesen war, wurde es nun immer enger. Dicht an dicht lagen die Hyänen. Jisah war beunruhigt, weil er den schwarzen Wolfshund nicht sehen konnte. Trotzdem schlich er leise weiter. Fuß vor Fuß. Hand vor Hand … Mittlerweile hatte er die Hälfte der Strecke geschafft und blickte zurück. Wenn er jetzt einen Fehler machte, war er verloren. Das wusste er genau. Er presste sich flach in eine Mulde und verschnaufte.

      Pepe lag immer noch regungslos am Rand der Meute. Wie ein Schlag fuhr der Schreck durch seinen kleinen Körper, als ihn eine feuchte Schnauze anstieß. Er schreckte hoch und drehte sich um.

      „Leise“, raunte ihm Winter ins Ohr. „Warum seid ihr nicht längst zurück? Wo ist Jisah?“

      Pepe wies mit einer Kopfbewegung zu den schlafenden Hyänen.

      In diesem Augenblick erhob sich Jisah aus einer Mulde und setzte seinen Weg durch das Hyänenmeer langsam und behände fort.

      Winter knirschte mit den Zähnen und blickte Pepe an. „Der Junge hat doch Ameisen im Kopf! Lauf sofort zurück zum Lager und packe mit Wald unsere Sachen. Schnell! Und leise! Wartet dort auf uns. Kommt nicht hierher. Wenn etwas schiefläuft …“ Winter blickte zur Meute, „ … und darauf verwette ich zwei meiner Läufe! –, treffen wir uns an den sieben kleinen Felsen hinter dem Siebengebirge. Sag das Wald! Hast du verstanden?“

      Pepe nickte und verschwand im Schilf.

      In dem Zelt flackerte Kerzenschein. Jisah hatte es fast erreicht, als er aus den Augenwinkeln einen Schatten wahrnahm.

      Aha. Der Wolfshund bewegte sich geschmeidig am westlichen Flügel des Lagers. Jisah schlich geduckt weiter. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von der Zeltwand.

       DIE BEUTE

      Winter beobachtete Jisahs Alleingang mit einem mulmigen Gefühl. Er presste sich dicht ans Schilf, um mit seinem massigen Körper nicht aufzufallen. Sein Nacken war angespannt, seine Augen folgten dem Wolfshund, der schon