Pias Labyrinth. Adriana Stern

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Название Pias Labyrinth
Автор произведения Adriana Stern
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783867549981



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Pia, den Schaden an Phil mit einem Tempo wieder gutzumachen. Sie bloß dabei nicht ansehen. Vor Scham würde sie am liebsten im Boden versinken. Als sich ihre Blicke doch treffen, lachen Phils Augen. Sie ist offensichtlich amüsiert. Pia setzt sich erst mal hin.

      »Sehr erfreut, dich kennen zu lernen«, sagt Phil. »Diese Hose konnte ich noch nie leiden. Ich zieh sie nur an, damit sie sich nicht so schlecht fühlt, denn schließlich kann sie ja nichts für meinen Geschmack.«

      Was für ein merkwürdiger Gedanke. Als könnten Gegenstände denken oder fühlen. »Ich finde, du siehst toll darin aus.« Mein Gott, was bin ich nur für ein Idiot. Erschrocken stellt Pia fest, dass sie schon wieder knallrot wird. Pia Drews, am besten, du hältst einfach deine Klappe. Redest nicht und bewegst dich nicht.

      »Die Hose gefällt dir?«

      Pia nickt vorsichtig. Sie steht Phil total gut, echt. Dunkelbrauner Cordstoff, unten ein Riesenschlag, aber oben hauteng.

      »Willst du sie haben?«, erkundigt sich Phil.

      »Nee, nee, mir steht so was nicht«, wehrt Pia ab. Sie trägt immer Bluejeans. Röhrenschnitt. Und irgendwelche langen Oberteile. Figurbetont? Nie im Leben!

      »Ach, aber an mir gefällt sie dir?«

      Pia nickt nochmals.

      Phil beißt von ihrem Brötchen ab.

      Pia weiß nicht mehr, was sie sagen soll. Sie trinkt schnell ihren Kaffee, schüttet sich noch einen zweiten ein. Hunger hat sie überhaupt nicht. Sie schmiert sich trotzdem ein Brot, nur um etwas in den Mund stecken zu können. Mit vollem Mund muss man bekanntlich nicht reden.

      »Hast du heute Nachmittag schon etwas vor?«, fragt Phil, und Pia schüttelt heftig den Kopf, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. »Spielst du Tischtennis?«, will die Neue wissen.

      Pia nickt.

      »Treffen wir uns heute Nachmittag?«

      Wieder ein Nicken.

      »Hast du irgendwie auch eine Stimme?«

      »Ja, ich, klar, natürlich. Also, wie wär’s um drei?«

      Phil ist einverstanden.

      Pia fühlt die Blicke aller Mädchen auf sich gerichtet. Sie werden sich bestimmt das Maul zerreißen. »Unten am Portal und dann gehen wir zuerst in die Stadt. Du bist doch neu hier. Und zum Schluss gehen wir ins Jugendzentrum.« Bloß keine Zuschauerinnen im Internat. Das überlebt Pia nicht.

      »Ich habe gehört, dass es hier sehr gute Platten gibt. Sowohl in der Außenanlage als auch im Keller.«

      »Nee. Nee, du. Die im Jugendzentrum, die sind um Klassen besser. Und die Kellen dort sind der Hammer«, beeilt sich Pia zu versichern.

      »Na ja, du wirst das beurteilen können.«

      Von wegen. Die besten Platten im ganzen Ort sind genau hier im Internat, und unter Drei-Sterne-Kellen läuft gar nichts, denkt Pia. Aber das kann sie Phil irgendwann erklären.

      »Warst du schon mal beim Mädchentag?« Phil hat sich noch vor Schulbeginn umgezogen. Sie trägt jetzt einen schwarzen Minirock und Turnschuhe.

      Pia ist hingerissen. »Ja, zwei-, dreimal. Aber es ist echt öde. Die Mädchen sitzen nur rum und reden über Jungs oder Schminke, und die Pädagogin versucht dann, auf irgendwas anderes abzulenken. Ich meine, wer drauf steht …« Pia zuckt mit den Schultern.

      »Und worüber würdest du dich gern unterhalten?«, fragt Phil. Und hat prompt Pias Schmetterball verpasst. »Das war aber nicht fair.« Richtig sauer ist sie nicht. »Cola?«, fragt sie stattdessen.

      »Oh ja, Cola und kurze Pause.«

      »Aber nicht umschütten, okay?«

      Schon wieder wird Pia rot. Vor der Theke steht sie ganz nah neben Phil. Sie kann sie fast berühren. Pia hält sich sicherheitshalber an dem schwarz lackierten Holz fest. Ihre Beine fühlen sich wie Pudding an.

      Phil scheint es nicht so zu gehen. Sie trägt beide Gläser ganz selbstverständlich zu einem der kleinen wackligen Holztische, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen danebengeht. Und dabei hat der Junge am Tresen beide bis zum Rand gefüllt. Kein Wunder, so wie Phil ihn angeflirtet hat. Und so wie sie aussieht. Phil flirtet anscheinend gern.

      Kaum sitzen sie, kommt der Thekenjunge auch schon auf sie zu. »Kann ich noch irgendwas für dich tun?«

      Pia beachtet er gar nicht. Kein Junge beachtet sie. Das fällt ihr heute zum ersten Mal auf. Na ja, schließlich trägt sie keine Miniröcke. Und sie flirtet auch nicht.

      Halb fasziniert und halb verärgert beobachtet Pia die beiden. Für die scheint sie überhaupt nicht mehr zu existieren. Jetzt fordert der Junge Phil auch noch zu einer Runde Tischtennis auf.

      »Pia, du hast doch nichts dagegen, wenn ich mit Rainer ein Match austrage?«

      Soll sie schreien, um sich schlagen, ihn zusammentreten? »Natürlich nicht«, gibt sie nervös zurück.

      Pia weiß plötzlich nicht mehr, wohin mit ihren Händen, ihren Füßen. Obwohl es ihr wehtut, Phil flirten zu sehen, kann sie nicht weggucken. Und schon gar nicht gehen. Sonst ist der Laden hier immer brechend voll, und heute? Kein Schwein lässt sich sehen. Vielleicht sollte sie etwas bestellen, schließlich muss der Typ sie bedienen. Langsam schlendert sie die paar Schritte zur Tischtennisplatte. »Ich will noch ’ne Cola.«

      »Bedien dich einfach selbst, okay? Du siehst ja, ich bin beschäftigt.«

      Vor Wut bleibt Pia fast die Luft weg. Sie schnappt sich hinter der Theke ein Glas, überlegt kurz, alles in Schutt und Asche zu legen, bückt sich dann aber nur, um die Cola aus dem Kühlschrank zu holen. Als sie wieder hochkommt, sind Rainer und Phil verschwunden.

      Wo sind die in den paar Sekunden hin? Spinnt die, sich einfach davonzumachen? Pia knallt das Glas wütend auf die Theke und die Flasche landet mit einem Knall in der Spüle. Was, wenn der Typ grade irgendwas mit ihr macht? Vielleicht hat er sie ja auch in eine dunkle Ecke gezerrt und …

      Pia sieht sich beunruhigt um. Sie kann jedenfalls nicht ohne Phil zurück ins Internat. Schließlich sind sie zusammen hergekommen. Wenn sie Phil gefunden hat, kann sie ihr immer noch die Meinung sagen.

      Sie versucht sich zu erinnern, wo im Jugendzentrum welche Räume liegen. Links die Mädchenklos, daneben die Disco. Pia schleicht in die Toilette. »Phil, bist du hier?«, ruft sie leise. Sie geht von Kabine zu Kabine. Im Mädchenklo ist niemand.

      Sie geht weiter bis zur Disco. Ein Lichtschein fällt durch die nur angelehnte Tür. Pia hört leise Musik. Vorsichtig öffnet sie die Tür einen Spalt weiter. Da läuft ihr Lieblingsstück von Mariah Carey. Pia schlüpft schnell hinein.

      Die Lichter tauchen den dämmrigen Raum in Discostimmung. Endlich erkennt sie direkt vor sich einen Pfeiler, weiter links eine Art Sitztribüne. Sie tastet sich dorthin vor und setzt sich auf die äußerste Kante. Die Tanzfläche ist leer. Seltsam, irgendjemand muss die Beleuchtung und die Anlage doch angeworfen haben? Suchend lässt Pia ihren Blick durch den Raum wandern. Nein, niemand zu sehen.

      Das Stück ist zu Ende. Die plötzliche Stille ist gespenstisch, und Pia hält automatisch den Atem an. War da nicht grade ein Lachen? Ja, eindeutig. Phils Lachen. Aber von wo kommt es?

      Die Musik setzt wieder ein. Noch mal das gleiche Stück. Plötzlich entdeckt Pia eine kleine Kabine hinter der Tanzfläche. Die Anlage und das Mischpult sind dort eingeschlossen. Ein Raum, gerade groß genug für zwei.

      Die Tür öffnet sich und Pia rutscht instinktiv etwas weiter Richtung Ausgang. Fast verliert sie das Gleichgewicht.

      Rainer und Phil gehen Hand in Hand in die Mitte der Tanzfläche. Rainer legt seinen Arm um sie und sie rückt nah an ihn heran. Er zieht sie noch näher zu sich. Die beiden Körper bewegen sich rhythmisch und eng zusammen. Phil schmiegt sich an den Jungen. Ihr Kopf ruht auf seiner Schulter. Willig lässt sie sich von ihm führen. Seine Hand gleitet langsam an ihrem Rücken hinunter. Davon, dass Phil sich wehrt,