an den Schaufenstern, den Luftballons und explosiven Distelfinken vorbeitreiben, die Lupinenkerne zum halben Preis anpriesen, und gesellte mich zu einer Gruppe von Leuten: Sie bildeten einen Kreis, in deren Mitte zwei Quallen mit majestätischer Gewalt gegeneinander kämpften, sie bewegten dabei Arme, Beine, Flügel und Saugnäpfe. Es war wie bei den mexikanischen Hahnenkämpfen; Staub an den Kehlen der schwitzenden Zuschauer in geblümten Hemden. Eine der beiden Medusen umklammerte die andere und schien ihr Blut auszusaugen, ein nicht existierendes gelbes, stinkendes Blut, das unaufhörlich kochte, bis sie zu Boden fiel und nicht mehr aufstand (der Besitzer der Siegerin sammelte stolz sein Tier ein: Er griff es mit der Hand und zeigte es in Siegerpose lächelnd dem Publikum, die Scheine in der Tasche; der Verlierer weinte mit der toten Qualle im Arm). Die Leute liefen allmählich auseinander und ich mit ihnen. Ich bekam Hunger, warf die unangetastete Papiertüte mit den Lupinenkernen weg, betrat ein Restaurant und bestellte Sauerkraut, Mineralwasser und einen doppelten Espresso (der letztendlich ein Brandy auf Eis war und öligbitter wie Benzin schmeckte). Ich betrat das Gebäude (mit einer riesigen Uhr an der Fassade), als es fünf vor fünf war. Alles schien verlassen: die Eingangshalle, der lange, verglaste Flur, der in einen kalten Garten mündete, die seitlichen Säle voll gesalzener Elektrizität und bar jeglicher Aktivität. Auf einer Theke fand ich ein schlafendes Pförtnergesicht. Als ich nach dem Herrn Oliver fragte, schaute der Concierge schläfrig zu mir hoch und versicherte mir apathisch, dieser sei nicht da, er habe ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Trotz dieser ganzen Beteuerungen insistierte ich weiter, sodass er mich schließlich einließ. Dann schauen Sie eben selbst nach, sagte er (mit einer Spur Häme in der Stimme), mal sehen, ob Sie ihn finden; mehr kann ich nicht für Sie tun. Und er legte seinen Kopf wieder auf dem Marmortisch ab und machte die Augen zu, während ich mich entschloss, durch die mephistophelischen Schatten eines modernen Märchens zu schweifen: Finsternis und Rasiermesserstille, leichte Fußspuren auf dem glänzenden Boden, alles gewürzt mit einem Duft von Magenta, von fauligen, blau bemalten Granatäpfeln, eine lange Kamerafahrt, ich weiß nicht, ob parallel oder frontal, unter Sonnendächern, durch kalte Räume und zwischen eingestaubten Kulissen hindurch: große Balkone über einem Ganges aus Plastik, eingerissene Dünen aus gelbem Karton, Papieravenuen in New Yorks vom Trödel, Gefängnisse aus Pappe mit Drahtfenstern, Styroporschnee und Papiereis und darüber: ein einziges schwarzmechanisches Netz unter einer unsichtbaren Decke. Das Rauschen unsäglicher Flüsse, von hochspezialisierter Polizei bewacht (die Studios verlassen: keine einzige Kontrolle im ganzen Gebäude). Durch Porzellanflure hindurch erinnert der Hunger der Motten an vergessene Erzählungen Poes: kalte Apparate, Kameras über Kameras, Galgen, verrostete Mikros, alles düster und dunkel (keine Spur einer menschlichen Seele). Ab und zu ein stummes Fernsehgerät, wo dunkle Schatten mit menschlichem Antlitz tanzen, die Lippen bewegend und unhörbare Worte sagend, wo sich glückliche Paare ohne Musik drehen, wo Stoffcowboys lautlose Schüsse abfeuern (Stille in einem Meer aus süßem Eis). Ich schaue auf die Uhr: viertel sechs, und noch ist keiner da (sie haben sich verspätet, denke ich, vielleicht kommen sie noch). Ich gehe weiter, nun durch ein Indianerdorf. Eine Kamera ist auf einen Stuhl gerichtet, der von einem weißen Scheinwerfer angestrahlt wird. Ich setze mich. Schaue. Vor mir reproduziert ein kleiner Bildschirm mein Bild: Wenn ich mich bewege, bewegt sich eine kleine Kopie von mir; wenn ich tanze, tanzt sie; wenn ich lache, lacht sie; wenn ich ruhig ins Objektiv schaue, bleibt sie stumm und schaut mir in die Augen. Sechs Uhr. Ich gehe. Jede Geduld hat mal ein Ende. Ich laufe die Treppe hinunter, komme in die Halle: Der Pförtner ist nicht mehr da. Alles ist leer. Ich öffne die Tür und dann sehe ich den kleinen, blassen Mann dahinter, der mich mit gesenktem Kopf beobachtet. Und Sie?, frage ich ihn. Sind Sie auch wegen der Aufnahmen gekommen? Haben Sie Herrn Oliver gesehen? Was für eine Unverschämtheit! Und da er nicht antwortet, packe ich ihn am Kragen und hebe ihn hoch (die Füße zappeln durchsichtig). Ich bin hier, um das Haus abzuschließen, antwortet er und schaut mir dabei in die Augen. Ich stelle ihn wieder auf den Boden, und er fügt hinzu: Um diese Uhrzeit gehen sie alle, sie haben es satt, noch länger zu warten. Dann komme ich und schließe ab. Das Männchen hat mir anscheinend nichts mehr zu sagen und bewegt sich nervös, so als sei es zu spät und daher in Eile oder als trage es auf seinen Schultern eine große Last, die durch meine Fragen noch größer wird. Ich mache mich auf den Weg und suche ein Taxi, das mich zum Bahnhof bringt.
Uff, sagte er
Sie tranken Kaffee und aßen Cremetörtchen. Uff, sagte er schließlich (denn zuvor hatte er den Mund voll, nicht nur mit Kuchen, sondern auch voll Trägheit, und hätte ihn nicht aufgekriegt). Sie schaute nicht einmal zu ihm hin (es war soooooo heiß und das Fenster wie immer geschlossen). Das Fenster ist wie immer zu, bemerkte sie. Er antwortete nicht (sondern dachte, im Hochsommer ist Hitze doch völlig normal). Mach es auf, wenn du willst, schlug er vor, denn er hatte den Eindruck, etwas sagen zu müssen. Sie aber stand weder vom Stuhl auf noch gab sie einen Kommentar dazu ab. Es war, als würde das Wetter sie in aller Stille fertigmachen. Sie nahm die Teekanne und goss ganz langsam Kaffee in die Tasse (die Kaffeekanne war bereits vor einem Jahr kaputtgegangen, doch sie hatten beschlossen, keine neue zu kaufen: Sie tranken nicht gerne Tee, und die Teekanne würde es für den Kaffee auch tun). Eine Fliege kreiste über dem Kuchen. Sie hob die Hand, um sie wegzuscheuchen, doch dann war ihr das ein zu großer Kraftakt für die kleine Belästigung, die die Fliege darstellte, und sie ließ es sein. Für ein paar Sekunden hing ihre Hand in der Luft. Dann legte sie sie langsam auf dem Tisch ab. Ich glaube, sagte er in die Luft schnuppernd, diese Hitze zieht die Fliegen an. Auf der anderen Seite des Fensters erstickte die Sonne ein syphilitisches Efeugewächs, das mehr tot war als lebendig und sich an dem einzigen sauberen Fleck auf der schmutzig weißen Wand festkrallte. In Kürze würde der Sonnenstrahl die Fensterscheibe erreichen und ins Zimmer eindringen. Ja, pflichtete sie ihm bei, stierte in die Tasse und schlug mit dem Kaffeelöffel dagegen (kling-kling, winzig und warm, ertönte es in gleichmäßigen Abständen). Würdest du bitte damit aufhören?, fragte er genervt. Sie warf den Löffel auf den Tisch, was einen sanftweichen, orangefarbenen Klang ergab. Früher, sprach er weiter, waren die Sommer nicht so heiß. Alles verkehrt sich, beendete sie seinen Gedanken. Sie waren sich einig und saßen schweigend da, während die Sonne weiterwanderte: über die Köpfe der schlapp vor sich hin trottenden Menschen auf der Straße, der Kinder am Strand, sonnengeblendet. Sie mischten die Karten und hoben ab. Sie hatte zwei Paare.
Als sie wieder hochschauten, war der Himmel bereits dunkel und leuchtete schwarz. Sie machten die Tischlampe an, sammelten die Karten zusammen und schalteten mit der Fernbedienung den Fernseher ein. Auf dem Tisch lagen noch Wurst und kalte Toastscheiben, die sie nebenbei in sich hineinfutterten. Als das Fernsehprogramm, die Nationalhymne usw. zu Ende waren, schneite es auf dem Bildschirm und sie schliefen in den Sesseln ein. Gegen Mitternacht flogen dann rosa Tauben, schwarze Hähne aus Zuckerrohr, goldene Hirsche, Lapislazulimöwen, bunte Efeuranken und die stets zum Lachen aufgelegten Heliotropgiraffen durchs Fenster herein. Sie blieben bis zum frühen Morgen und entschwanden mit dem Aufgehen der Sonne einer nach dem anderen, sodass, als er und sie erwachten (die Sonne brannte bereits auf die schmutzig weiße Wand vor dem Fenster) die Tiere und Pflanzen fort waren. Sie tranken Kaffee und aßen Cremetörtchen. Uff, sagte er schließlich (denn zuvor hatte er den Mund voll und hätte ihn nicht aufgekriegt).
Über die Wankelmütigkeit des menschlichen Geistes
Für den Allesfresser VallcorbaPlana
Natürlich hatte er als Kind Buchstaben aus der Suppe gelöffelt, aber ein aus weißem Papier ausgeschnittenes A zu verzehren, rief dann doch ein befremdliches Gefühl in ihm hervor. Er hatte das A mit einer riesengroßen Schere bedächtig und sorgfältig ausgeschnitten und sah dabei benommen, wie jenseits der Terrassenfenster der Abend hereinbrach. Es war einer jener traurigen Abende, an denen man nicht weiß, was man mit sich anfangen soll, und sich schließlich an den Alltagskram klammert, wie Blumen gießen, Bücher auf dem obersten Regalbrett abstauben, Fingernägel schneiden, bis man zum Schluss nur noch die Schere in der Hand hat, der es gefällt, sinnlose Formen auszuschneiden, und eine davon wird eben ein A, das er jetzt so gierig aufaß, als sei es eine feine Speise. Nachdem er das A aufgegessen hatte, schnitt er ein B aus; dann ein C und ein D und mit immer größerem Appetit verschlang er einen Buchstaben nach dem anderen. Als die Nacht schon aussah wie eine schwarze Scheibe, bildete er bereits kurze Worte