Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 6
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394951



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einer Chance. Binnen einer halben Minute lag er bewußtlos und an Händen und Füßen gefesselt auf dem Boden, und die heimlichen Beobachter zogen sich ein Stück in den Schutz der Felsen zurück.

      „Und jetzt?“ fragte Batuti tatendurstig. „Kerle auf Kopf hauen?“

      Dan grinste.

      Er war zwar kein Bürschchen mehr, sondern längst zum Mann geworden, doch von seiner Hitzköpfigkeit hatte er wenig verloren. Normalerweise sagte er nie Nein, wenn es galt, einem Gegner aufs Haupt zu schlagen. Daß sie alles in allem nur über ein einziges Messer verfügten, hätte ihn nicht einmal sonderlich gestört. Aber im Augenblick erschien ihm die Lage einfach noch zu undurchsichtig, um irgend etwas zu unternehmen.

      Er kniff die Augen zusammen und kratzte sich am Kinn.

      „Nicht auf den Kopf hauen“, entschied er. „Anschleichen und ein bißchen die Ohren aufsperren. Zu allererst müssen wir wissen, was wir von den Typen da unten überhaupt zu halten haben.“

      Eine knappe Stunde später wußten sie es.

      Geduckt kauerten sie zwischen Büschen und Felsen, in Hörweite des Piratenlagers. Denn daß es tatsächlich Piraten waren, die der Sturm auf diese gottverlassene Insel verschlagen hatte, war Dan und Batuti inzwischen klar.

      Genauso klar wie die Tatsache, daß sie mit ihrer Vermutung genau richtig lagen: die Piraten hatten gemeutert und ihren Kapitän, den Kahlköpfigen, in dem winzigen Beiboot ausgesetzt, lange bevor das Schiff im Sturm scheiterte.

      Jetzt versuchten sie herauszufinden, wie der Irre hierhergefunden hatte, aber der starrte nur stumpf vor sich hin und reagierte auf keinerlei Fragen. Er war offenbar tatsächlich Engländer, und auch die meisten anderen sprachen Englisch, einige allerdings mit französischem oder italienischem Akzent.

      Der Anführer der Kerle war ein großer, knochiger Mann, trotz des grauen Haars noch ziemlich jung, mit einem hageren Wolfsgesicht und steingrauen Augen. Er wurde Jean genannt, manchmal aber auch „Breton“, stammte also wohl aus der Bretagne. Er wirkte ruhig und hart: ein Mann, den nicht nur körperliche Kraft, sondern auch Intelligenz zum Führer erhob.

      Dan O’Flynn beobachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen und versuchte, sich einen Reim auf das zu bilden, was sie bisher erlauscht hatten.

      Von einem Schatz war die Rede gewesen. Von unermeßlichen Reichtümern, von Maya-Gold, einem verlokkenden Ziel – und von der Unmöglichkeit, die Insel zu verlassen. Die Meuterei gegen den verrückten Kapitän war offenbar nicht der einzige Zwischenfall gewesen.

      Als das Schiff im Sturm zu scheitern drohte und bereits Wasser nahm, hatten sich sechs Männer der Besatzung, darunter alle Offiziere, mit der Pinasse davongestohlen und ihre Kameraden im Stich gelassen. Von den sechs war nie wieder eine Spur gesehen worden – und die anderen hatten es nicht geschafft, ihr Schiff zu retten.

      Jetzt saßen sie auf dem Eiland im Pazifik fest und konnten nur noch auf ein Wunder hoffen.

      Ein Wunder in Gestalt eines Schiffs, wie Dan klar war. Er dachte an die „Isabella“, die ihn und Batuti suchen würde. Bedeuteten die Piraten eine Gefahr für die Seewölfe? Sicher nicht, dachte Dan spontan. Aber er hatte inzwischen gelernt, daß allzu leichtfertige Schlüsse üble Folgen haben konnten.

      Auf jeden Fall mußte die „Isabella“-Crew gewarnt werden, wenn sie die Insel anlief. Irgendwie! Dan überlegte, und für einen Augenblick konzentrierte er seine Aufmerksamkeit mehr auf seine eigenen Gedanken als auf die Umgebung.

      Batuti mit seinem hellwachen Instinkt spürte die Gefahr eher als der blonde Dan O’Flynn.

      Da war etwas!

      Ein winziges Geräusch in ihrem Rücken!

      Der hünenhafte Neger witterte plötzlich mit jeder Faser, daß sie nicht mehr allein waren. Er nahm die Intensität eines fremden Blicks wie eine Berührung wahr – und mit der Geschmeidigkeit einer großen Raubkatze schnellte er herum.

      Der Kerl, der sich zwischen den Felsen aufgerichtet hatte, stieß einen erschrockenen Schrei aus.

      Er hatte bereits ausgeholt und schwang das Enterbeil hoch über dem Kopf, aber der unvermutete Anblick des schwarzen Gesichts mit den blitzenden Zähnen und den furchterregend rollenden Augen ließ ihn erstarren. Seine Augen wurden groß vor Schreck, und mit einem neuen, diesmal schrill und hysterisch gellenden Schrei zuckte der Kerl zurück, als der schwarze Herkules auf ihn zuschnellte.

      Dan O’Flynn wirbelte herum.

      Er sah Batutis gestreckten Körper, das blitzende Enterbeil und den Kerl, der verzweifelt und viel zu spät versuchte, die Waffe niedersausen zu lassen. Batutis schwarzer Krauskopf rammte die Magengrube des Piraten so wuchtig, daß der Bursche wie ein Schilfrohr zusammenknickte. Jäh wurde er nach rückwärts geschleudert. Das Enterbeil mußte er loslassen, da sich die Klinge in eine armdicke Wurzel gebohrt hatte.

      Gurgelnd und nach Luft schnappend prallte er zu Boden. Batuti landete über ihm – und ehe der Kerl auch nur einen Finger zu rühren vermochte, schloß er bereits mit der mächtigen Faust des Negers Bekanntschaft.

      Dem Piraten war zumute, als habe ihn ein Belegnagel am Kinn getroffen.

      Seine Zähne klirrten aufeinander, sein Hinterkopf prallte gegen einen Stein. Er würde mindestens eine halbe Stunde brauchen, bis er sich auf den eigenen Namen besann, aber die beiden Seewölfe wußten nur zu genau, daß ihnen das wenig nutzte.

      Jenseits der Buschkette wurde es schlagartig lebendig.

      „Pepe!“ brüllte jemand. „Pepe le Moco …“

      Schritte trampelten. Schritte, die durch das Buschwerk brachen und sich rasch näherten.

      Dan und Batuti hätten ihr Heil in der Flucht suchen und laufen müssen, was ihre Beine hergaben. Aber schmählicher Rückzug war etwas, das sie in der Seele verabscheuten – und sie brauchten ein paar Sekunden, um sich zu diesem nach Lage der Dinge einzig vernünftigen Entschluß durchzuringen.

      Ein paar Sekunden zu lange!

      „Weg hier!“ zischte Dan.

      Seine Fäuste packten den Stiel des Enterbeils und zerrten es mit einem Ruck aus der Baumwurzel. Er wollte sich herumwerfen und Batuti mitziehen, aber da brachen schon die ersten Gegner durch die Büsche.

      Fünf, sechs wilde Kerle, mit Dolchen, Schiffshauern, Säbeln und Pistolen bewaffnet. Der Bursche mit dem schulterlangen grauen Haar stürmte voran. Seine Augen funkelten. Eine Sekunde lang geriet auch er aus der Fassung und prallte fast zurück angesichts der wilden schwarzen Schreckensgestalt, die da so plötzlich vor ihm auftauchte. Dann erfaßte sein Blick den reglosen Körper seines bewußtlosen Komplicen.

      Das hagere Wolfsgesicht verzerrte sich.

      „Pepe!“ brüllte er auf.

      Wild schwang er den kurzen, gekrümmten Säbel und holte aus, um Batuti die mörderische Klinge in den Leib zu rennen.

      Dan O’Flynn handelte ohne Schrecksekunde.

      „Arwenack!“ schrie er gellend, schwang das Enterbeil und stürmte vorwärts. Der Grauhaarige sah die drohende Bewegung aus den Augenwinkeln und wich blitzartig zurück. Dans Hieb ging ins Leere. Gleichzeitig warf sich Batuti gegen ihn und riß ihn mit seinem ganzen Gewicht zu Boden.

      Ein breitklingiges Entermesser zischte dort durch die Luft, wo Dan O’Flynn eben noch gestanden hatte. Nur eine Armlänge vor seinen Augen prallte es gegen den Felsen.

      Wie eine zustoßende Adlerklaue zuckte Batutis Faust vor, und mit einem wilden Kampfschrei schleuderte er das Messer dorthin zurück, wo es hergekommen war.

      Einer der Piraten kreischte schrill auf, als sich die Klinge in seinen Oberarm bohrte.

      Dan O’Flynn hatte sich bereits am Boden herumgeworfen. Schattenhaft sah er den Grauhaarigen über sich und riß das Enterbeil hoch – gerade noch rechtzeitig, um den Hieb abzufangen, der ihm den Schädel gespalten hätte. Der Säbel klirrte, als er auf den Schaft des Beils traf. Dan hatte