Название | In einem Monat, in einem Jahr |
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Автор произведения | Sagan |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783945386248 |
Als er in den Verlag kam, fand er dort Alain außerordentlich erregt vor.
»Béatrice hat dich angerufen; du möchtest sofort zurückrufen.«
Bernard hatte gleich nach Kriegsende eine recht stürmische Liaison mit Béatrice gehabt. Er brachte ihr einen Rest von herablassender Zärtlichkeit entgegen, die Alain offensichtlich beeindruckte.
»Bernard?« Béatrice schlug ihren allzu getragenen Ton für besondere Tage an. »Bernard, kennst du X? Werden nicht seine Stücke bei dir verlegt?«
»Ich kenne ihn flüchtig«, sagte Bernard.
»Er hat mich im Gespräch mit Fanny für sein nächstes Stück genannt. Ich muss ihn treffen und mit ihm reden. Bernard, tu das für mich.«
Etwas in ihrer Stimme erinnerte Bernard an die besten Tage ihrer Jugend nach dem Krieg, als jeder von ihnen ein stilles, bürgerliches Heim aufgegeben hatte und sie sich auf der Suche nach hundert Francs für ein Abendessen wiederfanden. Béatrice hatte einmal den Wirt eines kleinen Lokals, der für seine Knauserei bekannt war, überredet, ihnen tausend Francs vorzustrecken. Nur mit dieser Stimme. Ein derart ausgeprägter Wille war zweifellos eine seltene Sache geworden.
»Ich werde es in die Wege leiten. Ich rufe dich am späten Nachmittag an.«
»Um fünf Uhr«, sagte Béatrice entschieden. »Bernard, ich liebe dich, ich habe dich immer geliebt.«
»Zwei Jahre lang«, sagte Bernard und lachte.
Immer noch lachend, drehte er sich zu Alain um und war überrascht von dem Ausdruck in seinem Gesicht. Sofort wandte er sich wieder ab. Béatrices Stimme drang bis ins Zimmer. Er sprach weiter:
»Gut. Und ich sehe dich heute Abend bei Alain?«
»Ja, natürlich.«
»Er steht neben mir, willst du ihn sprechen?«, sagte Bernard. (Er wusste nicht, warum er das fragte.)
»Nein, ich habe keine Zeit. Sag ihm, ich lasse ihn umarmen.«
Die Hand von Maligrasse war schon nach dem Hörer ausgestreckt. Bernard, der ihm den Rücken zuwandte, sah nur diese Hand, gepflegt, mit vorspringenden Adern.
»Ich werde es ihm bestellen«, sagte er, »auf Wiedersehen.«
Die Hand fiel wieder herab. Bernard wartete einen Moment, bevor er sich umwandte.
»Sie lässt dich umarmen«, sagte er schließlich, »es wartet jemand auf sie.«
Er fühlte sich sehr unglücklich.
*
Josée hielt vor dem Haus der Maligrasse in der Rue de Tournon. Es war Nacht; der Staub auf der Kühlerhaube und die Mücken, die an der Windschutzscheibe klebten, funkelten im Licht der Straßenlampe.
»Also genug, ich komme nicht mit«, sagte der Jüngling. »Ich weiß nicht, was ich mit ihnen reden soll. Ich werde arbeiten gehen.«
Josée fühlte sich zugleich erleichtert und enttäuscht. Diese acht Tage mit ihm auf dem Lande waren recht anstrengend gewesen.
Er war entweder völlig stumm oder übertrieben lebhaft. Und seine Ruhe, seine halb vulgäre Art erschreckten sie schließlich ebenso wie sie sie anzogen.
»Wenn ich fertig bin mit meiner Arbeit, werde ich bei dir vorbeikommen«, sagte der junge Mann. »Schau, dass du nicht zu spät nach Hause kommst.«
»Ich weiß nicht, ob ich nach Hause komme«, sagte Josée verärgert.
»Na gut, dann sag es mir«, antwortete er. »Es hat keinen Sinn, dass ich umsonst komme, ich hab’ kein Auto.«
Sie wusste nicht, was er dachte. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter:
»Jacques«, sagte sie.
Er blickte ihr still ins Gesicht. Sie zeichnete mit der Hand seine Züge nach, und er runzelte ein wenig die Stirn:
»Gefalle ich dir?«, fragte er und lächelte.
Es ist seltsam, er scheint zu denken, dass er mich betört hat, oder so etwas Ähnliches. Jacques F., Student der Medizin, mein Ritter. Das Ganze ist sehr komisch. Es ist nicht einmal eine physische Angelegenheit, und ich weiß nicht, was mich anzieht, die Art, wie ich mich mit seinen Augen sehe, oder dass ich mich gar nicht mit seinen Augen sehe – oder er selber. Aber er ist uninteressant. Sicher ist er nicht einmal grausam. Er existiert – das ist es.
»Du gefällst mir ganz gut«, sagte sie. »Es ist noch nicht die große Leidenschaft, aber …«
»Die große Leidenschaft gibt es wirklich«, sagte er ernst.
Mein Gott, dachte Josée, er scheint in ein junges blondes Mädchen mit Idealen verliebt zu sein. Könnte ich eifersüchtig auf ihn sein?
»Hast du schon eine große Leidenschaft gehabt?«, fragte sie.
»Ich nicht, aber ein Kamerad von mir.«
Sie lachte laut heraus, er blickte sie an, zögerte, ob er gekränkt sein sollte, und lachte dann auch. Sein Lachen war nicht fröhlich, sondern rau, fast zornig.
*
Béatrice hielt einen triumphalen Einzug bei den Maligrasse, und sogar Fanny war frappiert von ihrer Schönheit. Nichts steht manchen Frauen besser als die Krisen des Ehrgeizes. Die Liebe macht sie schlaff. Alain Maligrasse stürzte ihr entgegen und küsste ihr die Hand.
»Ist Bernard da?«, fragte Béatrice.
Sie suchte unter dem Dutzend Menschen, die schon gekommen waren, nach Bernard und wäre, um ihn zu finden, glatt über Alain hinweggegangen. Alain zog sich zurück, das Gesicht verzerrt von einem Rest von Freude und Liebenswürdigkeit, die so plötzlich verlöscht waren, dass sie wie Grimassen wirkten.
Bernard saß auf einem Diwan neben seiner Frau und einem unbekannten jungen Mann. Trotz ihrer Eile erkannte Béatrice Nicole wieder, und Mitleid ergriff sie; sie saß sehr gerade, die Hände auf den Knien, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. Ich muss ihr beibringen, wie man lebt, dachte Béatrice mit einer Regung, die sie als Güte empfand.
»Bernard«, sagte sie, »du bist ein schrecklicher Mensch. Warum hast du mich nicht um fünf Uhr angerufen? Ich habe zehnmal versucht, dich im Büro zu erreichen. Guten Tag, Nicole.«
»Ich war bei X«, sagte Bernard triumphierend. »Morgen um sechs Uhr treffen wir drei uns zu einem Aperitif.«
Béatrice ließ sich auf den Diwan fallen und drückte dabei den unbekannten jungen Mann ein wenig zur Seite. Sie entschuldigte sich. Fanny kam herbei:
»Béatrice, kennst du den Vetter von Alain, Edouard Maligrasse?«
Jetzt erst schenkte sie ihm einen Blick und ein Lächeln. Er hatte etwas Unwiderstehliches in seinem Gesicht, einen Ausdruck von Jugend, von überraschender Güte. Und er blickte sie mit einem solchen Erstaunen an, dass sie zu lachen begann. Bernard stimmte ein.
»Was ist los? Bin ich so schlecht frisiert, oder sehe ich so verrückt aus?«
Béatrice hatte es gern, wenn man sie für verrückt hielt. Aber diesmal wusste sie bereits, dass der junge Mann sie schön fand.
»Sie sehen gar nicht verrückt aus«, sagte er. »Ich wäre untröstlich, wenn Sie glauben könnten …«
Er sah so verwirrt aus, dass sie sich geniert abwandte. Bernard blickte sie lächelnd an. Der junge Mann stand auf und begab sich mit unsicheren Schritten zum Tisch im Speisezimmer.
»Er ist verrückt nach dir«, sagte Bernard.
»Hör auf, du bist verrückt, ich bin doch gerade erst gekommen.« Aber sie war bereits davon überzeugt. Sie glaubte leicht, dass man verrückt nach ihr war, ohne dass sie daraus übrigens eine besondere Eitelkeit schöpfte.
»So etwas gibt es nur in Romanen, aber dieser junge Mann ist aus einem Roman«, sagte Bernard. »Er kommt aus