Verblöden unsere Kinder?. Jürgen Holtkamp

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Название Verblöden unsere Kinder?
Автор произведения Jürgen Holtkamp
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783766641045



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      Über Erfahrungen mit dem Computer verfügen knapp über 80 Prozent der Kinder und schon die Jüngeren (Sechs- bis Siebenjährigen) zählen zu den Computernutzern (57 Prozent). Anders als bei den Jugendlichen dominiert der Computer noch nicht den Tagesablauf der Sechs- bis 13-Jährigen, primär wird der Computer zu Hause genutzt, mit zunehmendem Alter auch in der Schule oder bei Freunden (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 30). Gerade in dieser Altersgruppe sind die Eltern die Vorbilder ihrer Kinder, daher ist es nicht überraschend, wenn die Kinder in der Regel ihre Kenntnisse im Umgang mit dem Computer primär von ihren Vätern erhalten haben. Genutzt wird der Computer am Nachmittag, wobei es Regeln gibt, die die Kinder einhalten müssen, wenn sie ihn allein nutzen. Mit zunehmendem Alter nehmen die Restriktionen ab.

      Zu den Lieblingsbeschäftigungen am Computer gehört das Spielen, 63 Prozent spielen allein, 52 Prozent mit Freunden zusammen. Beliebt sind auch Lernprogramme (43 Prozent) und Surfen im Internet (41 Prozent).

      Bei der Nutzung des Computers gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: Mädchen nutzen den Computer öfter zum Lernen und für die Schule, sie schreiben häufiger Texte oder malen am Computer. Jungen spielen dafür mehr und intensiver Computerspiele.

      Den Eltern ist nicht egal, was ihre Kinder am Computer machen, 72 Prozent fragen nach und wollen wissen, welchen Tätigkeiten ihre Kinder nachgegangen sind (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 33). Den „Konfliktfall Computer“ gibt es: Wenn Kinder ihn zu lange nutzen, wird seitens der Eltern Kritik laut.

      Mit zunehmendem Alter wird das Internet für die Kinder interessanter und wichtiger. Nur eine kleine Gruppe von 14 Prozent ist jeden oder fast jeden Tag im Internet unterwegs, zum festen Bestandteil des Tagesablaufs ist das Internet bei der großen Mehrheit der Kinder noch nicht geworden.

      Zwar wird immer wieder auf die Gefährdungen im Internet hingewiesen, dennoch ist ein Drittel der Sechs- bis 13-Jährigen allein im Netz unterwegs, bei 42 Prozent gibt es die gemeinsame Nutzung mit den Eltern (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 43).

      Was tun Kinder im Internet? Sie suchen in erster Linie nach Informationen, und zwar vorwiegend für die Schule und die sie interessierenden Themen. 40 Prozent aller Kinder spielen allein Onlinespiele, etwa 25 Prozent spielen gemeinsam mit anderen. Sie interessieren sich aber auch für speziell für sie entwickelte Onlineangebote, ein Drittel kann E-Mails empfangen und verschicken.

      Die geschlechtsspezifischen Unterschiede treten deutlich hervor: Mädchen suchen öfter als Jungen nach Informationen für die Schule, sind kommunikativer (Chatten, Instant Messanger). Jungen spielen mehr im Internet und laden häufiger Dateien aus dem Internet herunter.

      Das Fernsehen nimmt in dieser Altersgruppe einen bedeutenden Stellenwert ein, vorwiegend, um die Langeweile zu vertreiben. Wenn Kinder über Alternativen verfügen (z. B. mit Freunden treffen), ziehen sie dies der Mediennutzung vor (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 56).

      Die Eltern als Vorbilder der Kinder verfügen über einen beträchtlichen Einfluss auf ihre Kinder, was sich eben auch auf die Mediennutzung auswirkt. Die höchsten Medienwerte bezüglich der Nutzungszeiten bei den Erwachsenen erhalten Radio (126 Minuten) und Fernsehen (150 Minuten).

      Welche Medien und wie lange diese genutzt werden, korrespondiert mit dem Bildungsstand der Eltern. So sehen Personen mit Hauptschulabschluss mehr als eine Stunde pro Tag länger fern als solche mit Abitur, während Letztere deutlich länger lesen und den Computer intensiver nutzen (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 57).

      In der KIM-Studie 2006 wurde ebenfalls gefragt, auf welches Medium die „Haupterzieher“ am wenigsten verzichten können. 58 Prozent nannten den Fernseher, und nur 10 Prozent gaben Bücher oder Zeitschriften an. Eltern wie Kinder entscheiden sich für den Fernseher als „Leitmedium“. An zweiter Stelle kommt bei den Eltern das Buch, bei Kindern ist es der Computer.

      Vor dem Hintergrund einer Vorbildfunktion der Eltern wäre es interessant zu erfahren, ob es einen Zusammenhang zwischen den Medienpräferenzen der Eltern und denen der Kinder gibt. Solche Zusammenhänge konnten nachgewiesen werden: Bei Eltern, die eine enge Bindung an den Fernseher haben, ist dies überdurchschnittlich auch bei den Kindern zu beobachten. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für das Fernsehen, sondern auch für den Computer (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 60).

      Drei Viertel der Eltern meinen, Kinder sollten nur mit einem Filterprogramm im Internet unterwegs sein. Dass die Internetnutzung der Kinder eine Erziehungsaufgabe der Eltern ist, sieht dagegen nur eine Minderheit (14 Prozent), vielmehr wird diese Aufgabe in die Verantwortung der Schule gelegt (vgl. KIM-Studie, 2006, S. 64).

      Die KIM-Studie belegt: Am liebsten treffen sich Kinder mit Freunden und spielen draußen. Erst auf den dritten Platz kommt das Medium Fernsehen. Die Studie zeigt auch: Die Dauer der Beschäftigung mit dem Computer steigt mit zunehmendem Alter.

      Die Ausstattung der Haushalte mit Medien ist teilweise flächendeckend, die Medien werden von den Kindern genutzt, auch wenn nicht alle Medien in ihrem Zimmer vorhanden sind. Das Leitmedium der Kinder stellt das Fernsehen dar, wobei der Computer vor allen bei den Jungen zusehends beliebter wird.

      Ein Bundesdeutscher ab 14 Jahren verbringt täglich etwa 600 Minuten mit Medien, das sind fast 10 Stunden, wobei Medien (z. B. Radio und Computer) parallel genutzt werden.

      Die Medien werden über den Tag unterschiedlich intensiv gehört, gesehen oder genutzt. Der Hörfunk hat seinen Höhepunkt am frühen Morgen bis zum Nachmittag, das Fernsehen, obwohl die Programme ganztäglich gesendet werden, seinen Spitzenwert am Abend in der „Primetime“ (zur besten Sendezeit).

      Kinder, die nach 1980 geboren sind, werden als „Digital Natives“ bezeichnet. Diese Generation wächst ganz anders mit Medien auf als ihre Eltern. Sie nutzen mehrere Medien gleichzeitig, sind die „Daumenkinder“, die in wenigen Sekunden Textnachrichten (SMS) versenden können, die auf dem einen Ohr den neuesten Song als MP3 hören und mit dem anderen Ohr übers Handy telefonieren. Auf diese Jugendlichen ist die (Medien-)Gesellschaft so nicht eingestellt, weil sie die erste Generation bilden, die in dieser Weise durch Medien sozialisiert ist. Das hängt auch damit zusammen, dass sich das Internet schneller als alle vorangegangenen Medien entwickelte und in der Gesellschaft durchsetzte: Brauchte das Radio etwa 40 Jahre, bis es 50 Millionen Nutzer erreichte, benötigte das Fernsehen dafür etwa 13 Jahre, der Computer immerhin noch 16 Jahre, erreichte das Internet in nur fünf Jahren die Grenze von 50 Millionen.

      Das Internet wird nicht nur von der großen Mehrheit der Bevölkerung genutzt, es gibt auch keine repräsentativen Bevölkerungsschichten in Deutschland, die internetfern sind. Ganz praktisch bedeutet dies für die Forschung, dass ein Vergleich zwischen internetnahen und internetfernen Gruppen nicht mehr möglich ist, wenn z. B. Studien durchgeführt werden sollten, die den Einfluss des Internets auf die sprachliche Ausdrucksfähigkeit untersuchen.

      Brauchte die Schriftkultur Jahrhunderte, um sich zu entwickeln, und hatte der Geist des Menschen genügend Zeit, sich daran anzupassen, war das Internet so schnell in der Entwicklung, dass nicht nur Linguisten darauf hinweisen, dass die Sprachkompetenz sich verändert – manche sagen nachlässt –, die elektronische Post die Briefkultur ablöst, die Schrift allgemein schludriger wird und offen ist, wie sich unserer Schriftkultur weiterentwickelt.

      Und nicht nur Kulturpessimisten weisen darauf hin, dass das Führen eines Internettagebuches (Weblog) noch keine schriftstellerische Leistung darstellt. Viele Internetseiten sind gespickt mit grammatikalischen und sprachlichen Fehlern, trotz oder gerade weil es eine automatische Rechtschreibung gibt. Es zeigt sich ganz deutlich, dass der Computer und das Internet die Schriftkultur entscheidend verändern, aber nicht automatisch zum Besseren.

      Zwischen 1980 und 2005 hat sich der Medienkonsum der Deutschen beinahe verdoppelt, von ursprünglich sechs auf mittlerweile zehn Stunden pro Tag.

      Die durchschnittliche Lesezeit von 38 Minuten ist in den 80er-Jahren auf 28 Minuten zurückgegangen, seit etwa 15 Jahren jedoch relativ stabil geblieben. Die Tageszeitungen haben ein besonderes Problem: Sie werden in der Mehrzahl von älteren Personen gelesen, junge Menschen lesen Zeitungen wenig oder