Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey

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Название Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman
Автор произведения Britta Frey
Жанр Языкознание
Серия Kinderärztin Dr. Martens
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740977788



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erreichten, machte Kay den Vorschlag, eine längere Pause einzulegen. Madlon war sofort einverstanden, und so suchten sie sich einen schattigen Platz zum Sitzen aus. Nils, der auch an diesem Tag bis jetzt hartnäckig geschwiegen hatte, bat Madlon:

      »Ich möchte nichts essen und trinken, Mutti. Darf ich mich ein wenig umsehen? Ich habe keine Lust, nur so herumzusitzen.«

      Madlon, froh darüber, daß er doch endlich mal den Mund zum Sprechen aufmachte, verständigte sich mit Kay durch einen kurzen Blick und sagte:

      »Natürlich darfst du, Nils. Aber bitte, geh nicht zu weit weg.«

      Sofort sprang Nils auf.

      »Nein, Mutti, ich lauf schon nicht zu weit weg«, antwortete er knapp und lief davon.

      »Es war doch richtig, daß ich es ihm erlaubt habe, oder etwa nicht, Kay?« fragte Madlon zweifelnd.

      »Warum sollte es nicht richtig gewesen sein? Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Nils ist vernünftig genug, um zu wissen, wie man sich verhält, wenn man fremd ist. Er wird sich sicher nicht verlaufen, aber so eher das Gefühl haben, nicht angebunden zu sein. Er ist schließlich ein Junge, und in jedem Jungen stecken Neugierde und Abenteuerlust. Sie dürfen ihn ruhig laufenlassen.«

      »Sie haben sicher recht. Ich bin wohl immer viel zu besorgt, weil Nils mein einziges Kind ist. Doch genug davon. Erzählen Sie mir doch ein wenig aus Ihrem Leben. Sie wissen schon so viel von mir, und ich kenne eigentlich nicht viel mehr von Ihnen als Ihren Namen und Ihren Beruf. Wo leben Sie, wenn Ihr Alltag Sie wieder einholt?«

      »Meine Schwester und ich führen eine Kinderklinik in der Lüneburger Heide. Die Kinderklinik liegt in Ögela und heißt Birkenhain. Ögela liegt in der Nähe von Celle. Waren Sie schon einmal in dieser Gegend? Die Heide ist um diese Jahreszeit wunderschön.«

      »Sagten Sie tatsächlich Celle? Irgendwie kam mir Ihr Name zwar bekannt vor, aber ich kam nicht darauf, wo ich ihn schon einmal gehört habe. Sie sind demnach Eigentümer und Chefarzt der Kinderklinik Birkenhain?«

      »Ja, wie schon gesagt, gemeinsam mit meiner Schwester Hanna. Aber wieso fragen Sie? Sie scheinen mir aus einem unerfindlichen Grund überrascht zu sein.«

      »Das bin ich auch.« Ein helles, perlendes Lachen kam über Madlons Lippen. »Die Welt ist doch aber auch zu klein, Kay. Ich lebe nämlich in Celle in einem kleinen Haus, das ich von meinen Eltern geerbt habe. Es steht in der Kirchstraße. Wenn das kein schöner Zufall ist.«

      »In der Tat, das ist es wirklich, die Welt ist tatsächlich klein«, staunte Kay. »Und ich freue mich über diesen Zufall. Aber zurück zur Klinik. Eine eigene Klinik war immer der gemeinsame Traum meiner Schwester und mir. Hanna ist eine ausgezeichnete Kinderärztin und Chirurgin.«

      »Ja, die Kinderklinik Birkenhain genießt tatsächlich einen großartigen Ruf. Ich habe schon viel Gutes darüber gehört. Ich finde es schön, daß Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrer Schwester haben. Leider habe ich keine Geschwister. Ich habe nur noch Nils. Wo er jetzt wohl stecken mag? Er ist nirgendwo zu sehen. Er könnte ja wenigstens zwischendurch einmal vorbeischauen. Es scheint ein Gewitter im Anzug zu sein. Schauen Sie mal den See an. Das Wasser ist auch nicht mehr so glatt wie noch vor einer halben Stunde.«

      »Nils wird auch merken, daß das Wetter sich ändert, und wird zurückkommen. Noch scheint ja die Sonne. Es sind erst wenige Wolken in Sicht. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir hier etwas von einem Gewitter zu spüren bekommen. Warten wir noch ab.«

      Nach einer weiteren halben Stunde, in der Madlon immer wieder beunruhigt auf ihre Uhr gesehen hatte, wurde auch Kay besorgt, weil nichts von Nils zu sehen war.

      »Ich werde mich mal umsehen, ob ich den Jungen irgendwo entdecken kann«, sagte er zu Madlon. »Bitte, bleiben Sie hier, falls er in der Zwischenzeit zurückkommt.«

      Mit einem beruhigenden Lächeln ging Kay davon. Zunächst konnte er von dem Jungen keine Spur entdecken, weder im angrenzenden Strandbad noch direkt am See.

      Kays Besorgnis nahm zu, denn unvermittelt kam heftiger Wind auf, und der Himmel bezog sich immer mehr mit dunklen Wolken. Kay beschloß kurzerhand, Spaziergänger zu befragen. Er sprach vereinzelte Menschen an, die es nun alle sehr eilig hatten. Er beschrieb genau Nils Aussehen und seine Bekleidung und wies besonders auf das leuchtend rote Haar hin. Zuerst verneinten alle Angesprochenen, und Kay wollte schon aufgeben.

      Diesen einen noch, nahm er sich vor, als er einen jungen Mann vom See aus auf sich zukommen sah, danach werde ich zu Madlon zurückgehen. Vielleicht ist Nils ja inzwischen zurückgekommen.

      »Einen Moment bitte, ich möchte Sie nur kurz etwas fragen«, hielt er einen jungen Mann auf, der an ihm vorbeieilen wollte.

      »Ja, was kann ich für Sie tun?«

      »Ich suche einen Jungen. Er ist dreizehn Jahre alt und hat auffallend rotes, leicht gewelltes Haar. Haben Sie zufällig einen Jungen gesehen, auf den diese Beschreibung paßt?«

      »Ja, das habe ich. Vor etwa einer halben Stunde. Ich hatte mich noch darüber gewundert, daß er ganz allein in einem Boot auf den See hinausruderte. Ich habe ihm zugerufen, daß er lieber zurückkommen solle, da wir in Kürze ein Gewitter bekämen, doch der Junge tat so, als habe er mich nicht gehört, und er ruderte einfach weiter auf die Mitte des Sees zu.«

      Die letzten Worte übertönte Kay mit einem knappen Dank, und schon eilte er los, um sich am See beim nächsten Bootsverleiher ein Boot zu besorgen. Er mußte auf den See hinaus und Nils finden, denn jeden Moment konnte das Unwetter losbrechen. Der Himmel wurde von Sekunde zu Sekunde dunkler.

      *

      Völlig außer Atem langte Kay am Bootssteg an.

      »Guten Tag. Ich brauche sofort ein Boot. Ein Motorboot, wenn es möglich ist.«

      Der ältere Mann, der gerade dabei war, die Boote zu sichern, sah Kay verständnislos an und sagte:

      »Das geht nicht, guter Mann. Motorboote dürfen nur in Ausnahmefällen auf den See. Und überhaupt, sehen Sie denn nicht, was wir für ein Wetter haben? Wir sind froh, wenn die hinausgefahrenen Boote rechtzeitig wieder einlaufen. Es sind nämlich immer noch einige draußen.«

      »Es handelt sich doch um einen Notfall«, sagte Kay eindringlich, fast flehend. »Da ist ein dreizehnjähriger Junge allein auf den See gerudert. Wollen Sie es verantworten, wenn dem Jungen etwas passiert? Ich möchte ihn doch nur zurückholen.«

      »Das ist in der Tat ein Notfall«, bestätigte der Mann, »dann kommen Sie rasch.«

      Er löste die Sicherheitskette von einem Motorboot, und mit einem Satz sprang Kay hinein und brachte den Motor in Gang. Sekunden später schoß er mit dem Boot davon. Zu allem Unglück öffnete der Himmel in diesem Moment seine Schleusen, und die Wassermassen prasselten auf den aufgewühlten See.

      Bis auf vereinzelte Boote, die wild auf dem Wasser schaukelten, war der See leer. Aber in welchem der Boote war Nils?

      Kay hatte zusätzlich zu der schlechten Sicht durch den starken Regen auch noch Mühe mit dem Boot, das bedenklich auf den hohen Wellen schaukelte.

      Angst stieg in Kay hoch, aber es war die Angst um den Jungen. Nils durfte einfach nichts passieren. Madlon würde es nicht verkraften.

      Doch so sehr Kay auch suchte, er konnte Nils roten Haarschopf nicht entdecken.

      Da drang ein verwehter Schrei an sein Ohr. Durch den Regenschleier sah er gerade noch unweit vor sich ein Boot umschlagen und erkannte im selben Augenblick an den roten Haaren des ins Wasser Stürzenden, daß es sich um Nils handeln mußte.

      Kay riß das Steuer herum in diese Richtung, trat das Gaspedal durch, um näher an die Unfallstelle heranzukommen. Schon war er da, stellte den Motor ab und sprang mit einem mächtigen Satz ins Wasser, auf den wild um sich schlagenden Jungen zu. Er konnte ihn buchstäblich in letzter Sekunde fassen.

      Kay brauchte alle seine Kräfte, um Nils festzuhalten und dessen Kopf über Wasser zu halten. Die hochschlagenden Wellen erschwerten alles noch zusätzlich. Als er sich umwandte, erkannte er mit