Seelensplitterkind. Stefan Bouxsein

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Название Seelensplitterkind
Автор произведения Stefan Bouxsein
Жанр Языкознание
Серия Mordkommission Frankfurt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939362517



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      »Es stimmt also tatsächlich«, sagte Peter Lich erfreut. »Siebels und Till sind wieder vereint im Dienst zurück. Herzlich willkommen.«

      »Hallo, Peter. Schön, dass es doch noch jemanden gibt, der sich an uns erinnern kann.«

      »Ihr seid doch Legenden, schon seit Tagen werden überall eure alten Geschichten wieder aufgewärmt.«

      »Ach ja? Gerade haben wir erst einen Anschiss bekommen, weil wir uns dem Tatort nähern wollten. Aber egal, wie geht es dir?«

      »Mir geht es gut. Aber ich arbeite lieber, wenn kein Toter mehr im Raum rumliegt.« Er warf einen kurzen Blick auf den Leichnam, der in unmittelbarer Nähe von ihnen auf dem Boden lag.

      »Ja, das kann ich verstehen. Ich denke, er kann jetzt auch in die Gerichtsmedizin überführt werden. Fotos habt ihr ja bestimmt gemacht.«

      »Natürlich, aber nicht nur gemacht, sondern auch gefunden. Auf der Brust des Mannes wurde ein Foto hinterlassen. Warte, ich habe es schon eingetütet.«

      Peter Lich griff in einen geöffneten Aluminiumkoffer, in dem er Utensilien für seine Arbeit aufbewahrte. Er reichte Siebels ein Plastiktütchen, in dem er das Foto verwahrt hatte.

      Siebels pfiff leise durch die Zähne. »Und das lag auf seiner Brust?«

      »Ja, da wollte wohl jemand eine Botschaft hinterlassen.«

      »Das wurde hier im Haus aufgenommen«, stellte Siebels fest. »Sie liegt auf der Couch da.« Siebels deutete auf das schwarze Ledersofa hinter dem Leichnam.

      »Wer liegt auf der Couch?«, fragte Till, der sich bisher herausgehalten hatte, weil er die Gelegenheit nutzte, mit Anna noch ein paar Dinge zu besprechen.

      Siebels reichte ihm das Foto. Darauf war eine junge Frau abgebildet, die seitlich auf der schwarzen Ledercouch lag, die nur zwei Schritte vom Fundort der Leiche entfernt stand. Sie war Anfang bis Mitte zwanzig und hatte kurzes braunes Haar mit einem frech geschnittenen Pony. Mit abgewinkeltem Arm stützte sie ihr Kinn auf der Hand ab. Lasziv blickte sie in die Kamera - nackt.

      »Wow«, entfuhr es Till, bevor er Siebels das Foto zurückgab.

      »Das muss ich aber behalten«, sagte Siebels zu Peter Lich.

      »Klar, dachte ich mir schon. Die Kleine ist wahrscheinlich des Rätsels Lösung. Fingerabdrücke waren keine drauf. Die wurden abgewischt. Gleiches gilt für die mutmaßliche Tatwaffe, einer Skulptur aus Eisen. Ich brauche nur eine Unterschrift von dir, Entnahme von Beweismitteln, du weißt ja Bescheid.« Lich reichte Siebels auch gleich das entsprechende Formular, das er bereits ausgefüllt hatte.

      »Wo ist das Handy des Opfers?«, wollte Siebels wissen.

      »Das liegt auf dem Wohnzimmertisch. Da lag es schon, als wir eingetroffen sind. Das hat niemand angerührt.«

      Zwei Männer von der Pietät kamen mit einem Sarg herein. Siebels gab ihnen zu verstehen, dass sie noch einen Moment warten sollten. Er legte das Foto mit der jungen Frau auf die Brust des Opfers und versuchte alles andere um sich herum auszublenden. Die Männer von der Pietät, Peter Lich, Anna Lehmkuhl, Petra Schlesinger. Er konzentrierte sich ganz auf das Opfer. Wollte sich einen Eindruck von dem Mann verschaffen, aus dem alles Leben gewichen war. Till stand seinem Kollegen gegenüber und tat es ihm gleich. Sie schwiegen, ließen sich von nichts ablenken und wanderten mit ihren Gedanken in den Fall, der sie nun eine Weile beschäftigen würde. Schließlich gab Siebels den Sargträgern ein Zeichen und begab sich zu der angrenzenden Küchenzeile, wo sich Petra Schlesinger noch aufhielt.

      »Wo ist denn der Mann, der seinen toten Kollegen gefunden hat?«, wollte Siebels wissen.

      »Den habe ich wieder nach Hause geschickt, nachdem mir niemand sagen konnte, wann die Mordkommission eintreffen würde.« Sie zückte wieder ihren Notizblock und gab Siebels die Adresse und die Telefonnummer von Nils Brenner. Im gleichen Moment meldete sich ihr Kollege, der vor dem Haus stand, über Funk und machte eine Meldung.

      »Draußen steht eine Frau Markowitz«, gab Petra Schlesinger an Siebels weiter. »Sie ist die Putzfrau von Martin Schlosser.«

      »Gut, mit der möchte ich mich gerne unterhalten.«

      *

      Frau Markowitz saß mit Siebels in der Küchenzeile. Sie wirkte geschockt. Als sie das Haus betreten durfte, wurde der Blechsarg gerade rausgetragen. Siebels gab ihr einen Moment, um sich zu sammeln, und reichte ihr ein Glas Leitungswasser.

      »Wie oft putzen Sie denn bei Herrn Schlosser?«, begann Siebels behutsam mit seiner Befragung.

      »In der Regel zweimal pro Woche. Herr Schlosser mag es ordentlich und sauber.«

      »Ja, das sieht man«, bestätigte Siebels und ließ seine Augen durch die Küchenzeile wandern. Kein Krümel war zu sehen. »Wie lange arbeiten Sie schon für Herrn Schlosser?«

      »Seit ungefähr einem halben Jahr. Seine Frau ist kurz zuvor ausgezogen. Sie haben sich scheiden lassen.«

      »Hatte Herr Schlosser wieder eine Beziehung zu einer anderen Frau?«

      Frau Markowitz zuckte mit den Schultern. »Nicht, dass ich wüsste. Im Haus gab es dafür nie Anzeichen. Ich sehe ihn aber nicht oft. Ich weiß nicht viel über sein Leben. Nur, dass er Rechtsanwalt ist und viel arbeitet.«

      »Sie haben also einen Schlüssel und putzen immer, wenn er außer Haus ist?«

      »Ja. Als ich angefangen habe, war er die ersten Male noch anwesend. Aber da konnte ich nur abends putzen oder samstags.«

      »Wie sind Sie zu dieser Anstellung bei Herrn Schlosser gekommen?«

      »Ich wurde ihm empfohlen. Von Herrn Brenner. Die beiden arbeiten für die gleiche Kanzlei. Bei Familie Brenner putze ich schon seit vier Jahren. Sie haben drei Kinder. Frau Brenner ist auch berufstätig, halbtags.«

      »Ist Ihnen im Haus in der letzten Zeit etwas aufgefallen? Hat sich etwas verändert?«

      Frau Markowitz überlegte und sah Siebels fragend an. »Nein, es war alles wie immer. Er wurde ermordet? Stimmt das wirklich?«

      »Ja, das stimmt. Mehr kann ich Ihnen dazu aber nicht sagen.«

      Frau Markowitz nickte. »Das ist schrecklich. Hoffentlich finden Sie schnell heraus, wer das getan hat.«

      Siebels zeigte der Putzfrau das Foto der nackten jungen Frau. »Wissen Sie, wer diese Frau ist?«

      Sie schaute es eine Weile an und schüttelte den Kopf. »Nein, das weiß ich nicht. Aber es ist hier aufgenommen worden. Auf der Couch drüben. Sie ist noch so jung. Viel zu jung für Herrn Schlosser.«

      Siebels nickte, sagte aber nichts dazu. »Gut, Sie können dann wieder gehen. Aber Ihre Telefonnummer möchte ich mir noch notieren, falls es doch noch Fragen geben sollte.«

      2

       90 Tage zuvor

       Christian Schlosser war 24 Jahre alt, studierte Jura und lebte in einer WG. Er war zufrieden mit seinem Leben. Jedenfalls nachdem er aus seinem Elternhaus ausgezogen war, in dem ein erbitterter Ehestreit zu einem unerbittlichen Scheidungskrieg ausgeartet war. Mit seinen Mitbewohnern Joshua und Daniel verstand er sich gut, sie feierten gemeinsam Partys oder chillten bei angesagten Netflix-Serien vor dem Fernseher.

      

       An einem heißen Sommertag im August ging er allerdings allein ins Freibad. Seine Mitbewohner hatten anderes vor und manchmal genoss Christian es auch, mal wieder ganz für sich zu sein.

       Er hatte sein Handtuch auf der großen Liegewiese ausgebreitet und war in Gedanken versunken, nahm das Treiben um sich herum nicht wirklich wahr.

       Sein Vater war Rechtsanwalt und teilhabender Partner bei der Kanzlei Lang und Partner. Christian hatte sein Jurastudium begonnen, weil