Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst

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Название Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband)
Автор произведения Andreas Brandhorst
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan-Taschenbuch
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845331966



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ließ. Sollte das die »Belohnung« sein – Abstumpfung?

      »Das Peschtan macht es uns leichter, entelechisch zu denken«, betonte der Vordenker. Er wandte sich ab, um demonstrativ seine Ausrüstung vor dem Aufbruch zu überprüfen. Die Soldaten verstanden den Wink und taten es ihm gleich.

      An-Keyt beugte sich vor – und spukte das Peschtan aus. Ihre Tat blieb unbemerkt. Zumindest kommentierte niemand ihr Vorgehen. Um Gleichmut bemüht, verstaute sie das aufgeweichte Tütchen in ihrem Tornister, um es später, in einem unbeobachteten Moment, wegzuwerfen.

      Der Trupp brach auf, hektisch angefeuert von Negan-Parr. Der Vordenker war nervös. Sie blieben hinter den vorgegebenen Zielen. Während der kurzen Subeinheiten, die Negan-Parr neuerdings auf das Studium der strategischen Lage verwandte, hatte An-Keyt auf dem Holo gesehen, dass sie weit nach hinten gefallen waren. Bis zum Tag des Hinterhalts hatte ihr Trupp die Speerspitze des Vormarschs gestellt. Als handelte es sich um ein Rennen, hatten der Vordenker und der Söldner laufend den Frontverlauf geprüft, sich daran berauscht, dass sie ganz vorn mitmarschierten.

      Das war lange her. Negan-Parr und Jevek-Kart sprachen kein Wort mehr miteinander, schlugen ihre Schlafplätze jeweils am gegenüberliegenden Ende des Nachtlagers auf.

      Jetzt hechelte An-Keyts Trupp hinterher. Während andere sich mit Erfolgsmeldungen überschlugen, kamen sie nur quälend langsam voran. Wie konnte es auch anders sein? Ihre Zahl war dezimiert. Der Ersatz für die Toten, um den Negan-Parr das Oberkommando täglich anbettelt, war bislang nicht eingetroffen. Ebenso wenig wie der Ersatz für die Helk-Module. Ihre Zahl war weiter geschrumpft. Drei der beim Gefecht um das Depot beschädigten Module hatten sich selbsttätig vernichtet. Ihre Funktionstüchtigkeit war zu stark eingeschränkt, eine Reparatur unmöglich. Die Selbstvernichtung war die einzige Möglichkeit, die blieb, um sicherzustellen, dass sie nicht in den Besitz der Flachaugen fielen.

      Wenn Mev-Sopran noch gelebt hätte ...

      An-Keyt hätte niemals geglaubt, dass sie den Waffenwart vermissen könnte. Mev-Sopran war ein seltsamer Mann gewesen, ein Sonderling. Besessen davon, immerzu neue und effizientere Tötungsmethoden zu entwickeln, darüber hinaus in einem zwielichtigen Bund mit dem Söldner, dem An-Keyt jede abstoßend un-entelechische Tat zutraute.

      Und dennoch, die Loowerin wünschte sich nichts mehr, als dass der Waffenwart von den Toten auferstand. Mev-Sopran, spürte sie jetzt, schmerzhaft, war ein zentraler Überlebensfaktor des Trupps gewesen. Lebte er noch, wären die beschädigten Helk-Module längst repariert, besser noch, optimiert. Und hätten sie über Waffen verfügt, die den Namen verdienten.

      An-Keyt verstärkte den Griff um den Kombistrahler. Die Waffe, die ihr noch vor kurzer Zeit Sicherheit eingeflößt hatte, unterstrich jetzt nur noch das Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins, das von ihr Besitz ergriffen hatte.

      Die Projektilwerfer, Mev-Soprans Wunderwaffen, hatte der Trupp am Tag nach seinem Tod weggeworfen. Die Werfer hatten versagt. Sie hätten die Feinde aufspüren, sie in mikroskopische Fragmente zerreißen müssen. Sie hatten es nicht getan. Der Waffenwart musste einen Fehler bei der Konstruktion gemacht haben. Oder die Flachaugen, die sich seit dem Gefecht nicht mehr hatten sehen lassen, hatten herausgefunden, wie der Projektilwerfer funktionierte, und ihn neutralisiert. An-Keyt glaubte an Letzteres. Die Flachaugen waren gerissen und verschlagen. Sie schreckten vor nichts zurück, das hatten sie bewiesen. Sie hatten den Trupp in Sicherheit gewogen, ihn um ein Haar komplett ausgelöscht. Die Projektilwerfer weiter zu benutzen, hätte nichts anderes geheißen, als dem Feind mit bloßen Greiflappen gegenüberzutreten.

      Ihnen blieben die Strahler. Auf Negan-Parrs Bitte, den Trupp mit den rundlichen Waffen auszustatten, die die Retter getragen hatten, war nie eine Antwort vom Oberkommando gekommen. Wahrscheinlich war die Bitte in der verwirrenden Woge der Kommunikation, die das Helk-Netz auslastete, verloren gegangen. Negan-Parr hatte sich jedenfalls nicht getraut, sie ein zweites Mal zu äußern.

      Ein Gutes hatten die Strahler wenigstens, tröstete sich An-Keyt. Man spürte den Tod, den man austeilte. Die Projektilwerfer waren bequem gewesen und – beinahe – narrensicher. Es hatte nur einen Knopfdruck gebraucht, und die Projektile hatten alles Weitere erledigt. Und selbst dieser Druck war eigentlich überflüssig gewesen, kein echter Auslöser, lediglich eine Freigabe für die selbststeuernden Mikrobomben, die im Lauf darauf warteten, entfesselt zu werden. Es brauchte keinen Soldaten, die Projektilwerfer zu bedienen, jedes Kind hätte genügt, ein Helk oder sogar ein dressiertes Tier.

      Die Strahler dagegen ... es war Töten. Echtes Töten. Die computergesteuerte Zielhilfe erleichterte die Bedienung der Waffen, aber die Hilfe tat nur, was ihr Name sagte. Das Ziel zu finden, das eine Flachauge aus der Masse der Feinde auszuwählen, dessen Leben man beendete. Ihm in dem Moment, in dem man den Strahl auslöste, in die Augen zu blicken – das war ganz allein die Sache des Schützen. Ihre, An-Keyts, Sache.

      Das Töten war eine Sache, von der An-Keyt inzwischen geradezu besessen war. So sehr, dass sie manchmal Schrecken über sich selbst empfand. Sie war auf die PAN-THAU-RA gekommen, hatte den Weg der Neo-Entelechie, der Zweidenker gewählt, um für das Leben zu kämpfen. Auf diesem Weg Leben zu nehmen, war ihr als ein notwendiges Übel erschienen, ein Übel, das zu akzeptieren sie bereit gewesen war. Die Loowerin hatte es als ihre Pflicht betrachtet, als logischen Schluss ihres neo-entelechischen Denkens, dieses Opfer zu bringen. Töten. Zum Wohl des Lebens an sich.

      Doch die Tage auf dem Sporenschiff hatten sie verändert. Es hatte lange gedauert, bis sie es bemerkte. Der Hinterhalt hatte den Schleier zerrissen, der sich um ihre Wahrnehmung gelegt hatte. Tolt-Sekolgs Tod war der Wendepunkt gewesen. Sie träumte jede Nacht von dem Arzt. Von dem Mann, den sie bis zu seinem Tod bestenfalls am Rande wahrgenommen hatte, von dem sie nichts Persönliches wusste, ihn nur in seiner Funktion als Arzt kannte, als Wundheiler, und in seinen letzten Tagen als Vermittler innerhalb des Trupps. Im Traum sah An-Keyt, was der ID-Stift des Loowers nicht aufgezeichnet hatte, seine bleiche Haut, den kalten Schweiß, der auf ihr klebte. Sie hörte sein ersticktes Gurgeln, als das Blut aus seinem Stumpf sprühte, spürte seine Todesangst, die Taubheit an der Stelle, an der sich sein Greiflappen befunden hatte, fühlte, wie sich der Schließmuskel seines Anus entleerte und der dünnflüssige Brei seiner Exkremente – Loower-Körper unterscheiden nicht zwischen Urin und Kot – seine Schenkel herunterrann.

      Das war der Moment, an dem An-Keyt unweigerlich aufwachte und entsetzt an sich heruntertastete, im Glauben, ihre eigenen Därme hätten sich entleert. Seltsamerweise taten sie es nie. Trotzdem war für An-Keyt die Nacht damit zu Ende. Die übrige Zeit lag sie da, versuchte ohne Erfolg, Tolt-Sekolg aus ihren Gedanken zu vertreiben, während die Verzweiflung und die Wut in ihr stetig anstiegen, bis zu dem Punkt, an dem der Drang beinahe übermächtig wurde, aufzuspringen, hinaus in die endlosen Korridore der PAN-THAU-RA zu stürmen und die Feinde zu bestrafen, die ihr das angetan hatten.

      Beinahe.

      An-Keyt hatte sich geschworen, in dem Sporenschiff nicht zu sterben. Sie war noch nicht soweit, ihren Schwur zu revidieren, und ihr Leben in einem blinden Amoklauf wegzuwerfen.

      Die Zweidenkerin war nicht die Einzige, die sich verändert hatte. Es war still geworden auf ihrem Vormarsch. Es war nicht die Stille der ersten Tage, als sie alle noch unerfahren und angespannt gewesen waren und geschwiegen hatten, um nicht ihre Angst herauszuplappern. Nein, jeder der Loower schien auf seine Weise mit sich selbst beschäftigt. An-Keyt hatte versucht, das Schweigen zu durchbrechen, zumindest gegenüber Belor-Thon. Sie wollte mit ihm teilen, was in ihr vorging. Aber der Junge hatte sich abgewandt. Er wollte nicht mit ihr sprechen, sich lediglich paaren. An-Keyt ließ es zu. Manchmal ekelte sie sich vor sich selbst. Doch die Berührung des warmen Körpers tat gut, und der Samen, den der Junge jeden Abend über ihr ausstieß und den An-Keyt sorgsam über ihre Haut verteilte und einrieb, war wie ein Schild, in dessen Schutz es ihr gelang, Schlaf zu finden, bis der Tod Tolt-Sekolgs sie weckte.

      So rückte der Trupp vor, Tag um Tag.

      Schweigend, bis zu diesem Tag.

      An-Keyt hörte ein lautes Schmatzen. Sie drehte sich um. Es war Mirton-Kehn, der Logistiker des Trupps. Er hatte die unscheinbarste Aufgabe von allen. Verrichtete er sie ordnungsgemäß – was er offensichtlich tat – bemerkte es keiner. An-Keyt war