Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst

Читать онлайн.
Название Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband)
Автор произведения Andreas Brandhorst
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan-Taschenbuch
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845331966



Скачать книгу

Nichts bringt deinen Verstand mehr auf max, als draußen, auf dem Eis, zu sein. Wenn du dich vom Eis einlullen lässt, bist du Robbenfutter, oder Frostie, der Schneemann, packt dich in seinen großen Gefrierschrank. Dem Eis fällt immer 'n Weg ein, dich zu kriegen.

      Vierte sind dumm, denken die Kuppler. Okay, sie kriegen uns dran, manchmal. Aber nicht, weil wir zu blöd sind, sondern weil wir uns in den Kuppeln nicht auskennen. Ist nicht unsere Welt. Aber ich sag' dir eins: Wirf mal 'nen Kuppler über dem Eis ab – der packt es keinen Tag. Aber wir Vierten überstehen die Kuppeln, meistens.

      DOLSON: Die Stadtbewohner haben also auf die vermeintlichen Wilden herabgesehen. Das leuchtet ein. Es ist ein Muster, das wir von vielen anderen heterogenen Gesellschaften kennen.

      YUN: Hetero... was redest du da? Ach, egal. Du hast mich verstanden, oder? Aber ich sag' dir noch was: Das ist nicht die ganze Geschichte. Die Kuppler halten sich für was Besseres, das stimmt, aber da ist noch mehr – sie sterben fast vor Neid auf uns. Wir Vierten sind frei. Wir kommen und gehen, wann wir wollen. Wir tun, was uns gerade einfällt. Haben wir genug von 'ner Kuppel – von den Leuten, der Luft, die sowieso immer stinkt, oder gefällt uns die Farbe ihrer komischen, rauen Gehwege nicht –, hauen wir ab. Durch die nächste Schleuse ab aufs Eis. Einfach so. Irgendwie kommen wir immer durch. Das Eis ist nämlich unser Freund, unser bester Kumpel. Eines Tages bricht das Eis dir das Genick, das weiß jeder Vierte, genauso wie er weiß, dass jede Freundschaft irgendwann in die Brüche geht, aber bis dahin ist das Eis gut zu dir. Es schenkt dir die Ruhe, die du brauchst, um Mensch zu sein. Die Weite, die Kälte, sorgt dafür, dass du nicht faul und weich wirst.

      Das Eis macht uns stark, und das spüren die Kuppler. Sie können uns aufs Kreuz legen, so viel sie wollen, aber sie können uns nicht das Eis nehmen. Wir haben immer einen Platz, an den wir gehören.

      DOLSON: Das ist ein sehr, äh, berührendes Statement, Yun. Aber wenn das Leben in den Kuppeln so schlecht ist, wieso sind die Kuppelstädte immer weiter angewachsen? Die statistischen Daten weisen für die letzten zwanzig Jahre ein durchschnittliches Bevölkerungswachstum von 12,4 Prozent aus. Und ich weiß, unsere Daten sind nicht so zuverlässig wie angenommen. Aber die Tendenz dürfte stimmen. Über 10 Prozent pro Jahr – das ist förmlich eine Bevölkerungsexplosion, die sich nur durch Zuwanderung erklären lässt. So schlecht, wie du sagst, kann das Leben in den Kuppeln also nicht gewesen sein. Wieso sonst sollten so viele neue Siedler nach Flake geströmt sein?

      YUN: Vielleicht ging's ihnen woanders noch dreckiger?

      DOLSON: [Überlegt.] Möglich. Aber wieso sind sie dann gerade nach Flake gekommen? Wieso nicht nach Terra oder Olymp oder eine der vielen Kolonialwelten mit milderem Klima?

      YUN: Vielleicht, weil sie Schiss hatten, so zu werden wie du.

      DOLSON: [Ruckt hoch.] Wie bitte?

      YUN: Ein Sesselfurzer. So ein Typ, der im Gefängnis hockt.

      DOLSON: Im Gefängnis? Yun, was soll das heißen? Bist du ...

      YUN: Wieso hockst du hier mit mir?

      DOLSON: Weil es meine Aufgabe ist. Weil ich es für wichtig halte.

      YUN: Hast du dir die Aufgabe selber ausgesucht?

      DOLSON: Natürlich, ich habe lange dafür gearbeitet, diesen Posten ...

      YUN: Das meine ich nicht. Nicht, dass du auf dem Kahn hier mitfliegst. Ich meine, hier mit mir zu sitzen.

      DOLSON: Meine Vorgesetzte hat mich dafür ausgewählt. Sie hielt mich von allen Spezialisten an Bord am besten geeignet für die Aufgabe.

      YUN: Jemand anders hat dich also geschickt. Was ist, wenn du keine Lust mehr hast?

      DOLSON: Wieso sollte ich keine Lust mehr haben? Zugegeben, du bist manchmal, na ja, anstrengend, aber nicht so anstrengend, dass ich daran denken würde aufzuhören.

      YUN: Das ist keine Antwort. Stell dir vor, morgen früh wachst du auf und hast keine Lust mehr, dich mit diesem kleinen vorlauten Scheißer aus dem Eis herumzuquälen. Was dann?

      DOLSON: Das wäre nicht gerade verantwortungsvoll. Keiner meiner Kollegen könnte sich schnell genug einarbeiten, um ...

      YUN: Vergiss die anderen Leute. Es geht um dich. Nur um dich. Für wen lebst du sonst? Also: Du hast keine Lust mehr. Du weigerst dich. Was dann?

      DOLSON: Nun, ein Disziplinarverfahren würde eingeleitet. Wahrscheinlich müsste ich die LUCKY JIM verlassen, vielleicht sogar die Flotte insgesamt.

      YUN: Und dann?

      DOLSON: Na ja, für Spezialisten wie mich gibt es außerhalb der Flotte nur wenig Möglichkeiten. Und da man mich unehrenhaft entlassen ...

      YUN: Es wäre also aus. Du wärst am Ende.

      DOLSON: [Schweigt.]

      YUN: Hab' ich Recht?

      DOLSON: [Strafft sich.] Genug. Es reicht. Das muss ich mir nicht anhören, nicht von einem Jungen, der noch nie seinen Planeten verlassen hat und sein kurzes Leben lang Taxi geflogen ist!

      YUN: Was ist schlecht dran, Taxi zu fliegen? Man ist wenigstens sein eigener Herr – und wenn ich keine Lust mehr hab', lass' ich Prinzessin stehen und geh' aufs Eis. So, wie's der Typ vor mir getan hat. Wohin gehst du, wenn du keine Lust mehr hast, Spezialist?

      DOLSON: [Holt tief Luft.] Lassen wir das. Unser Gespräch ist auf eine Ebene geraten, auf die es nicht hätte geraten dürfen. Es geht hier nicht um mich oder dich und was wir uns erlauben können oder nicht. Wir haben über die Kuppelbewohner gesprochen, und wieso es so viele von ihnen gibt.

      YUN: Eben. Die Kuppler sind arme Hunde im Vergleich zu uns Vierten. Aber im Vergleich zu euch Terranern ... die Kuppler sind auf ihre Weise frei. Niemand sagt 'nem Kuppler, was er tun oder lassen soll. Ein Kuppler kann selber entscheiden, was er mit sich anfangen will. Er muss nur die übrigen Kuppler davon überzeugen, ihn machen zu lassen. Aber wenn er keine Lust auf etwas hat, dann hat er keine.

      DOLSON: Das kaufe ich dir nicht ab. Du entwirfst ein geschöntes Bild. Du hast mir eben erst erzählt, dass die Kuppler immer auf Geld aus sind. Wie soll das damit zusammenpassen?

      YUN: So sind sie eben. Und so sind sie nicht. Keiner verhungert in den Kuppeln, irgendwas fällt immer ab. Man dreht ihnen nicht die Luft ab, wenn sie sie nicht bezahlen können. Kein Kuppler kommandiert 'nen anderen herum. Man einigt sich, kommt miteinander aus oder kämpft, bis die Dinge klar sind. Und wenn es einem nicht passt, kann er immer zu einer anderen Kuppel und es dort versuchen. Niemand fragt dich in den Kuppeln, woher du kommst und was dich hierher getrieben hat. Und wenn alles nichts ist, hast du ja immer noch das Eis.

      DOLSON: Das Eis, auf dem ein Kuppler keinen Tag überlebt? Schöner Ausweg.

      YUN: Besser als hier. Im Vakuum hast du nur 'n paar Sekunden. Auf dem Eis hast du wenigstens 'ne Chance. Die meisten neuen Kuppeln sind so entstanden. Jemand hat genug gehabt, ist gegangen und hat 'nen neuen Anfang gemacht.

      DOLSON: Plötzlich klingen die Kuppler aus deinem Mund ja wie wahre Helden – vorhin waren sie noch ein Haufen finsterer Bösewichte.

      YUN: Sind sie ja auch. Aber sie sind immer noch Flakies, Mann. Was ist daran so schwer zu kapieren?

      DOLSON: Schon gut, ich sehe schon. Es geht nichts über Lokalpatriotismus, nicht wahr? Du sagst also, in den Kuppeln war alles möglich. Wie konnte die Regierung das zulassen?

      YUN: Die Regierung? [Prustet.] Welche Regierung?

      DOLSON: Die offiziell bei der Liga gemeldete Regierung von Snowflake. Sie kann doch nicht einfach tatenlos zugesehen haben, wie ...

      YUN: Ich sag dir, was die Regierung ist – der älteste Witz von Flake. Wenn dir beim Angeln am Eisloch die Schnur aus den steif gefrorenen Fingern rutscht, schimpfst du »Daran ist nur die Regierung schuld!«, und dann lachst du und das Leben geht weiter. Oder wenn du ausrutscht und du so richtig auf die Fresse knallst. Dann wischt du dir das Blut von der Lippe und brüllst: »Verdammt, kann die Regierung nicht wenigstens das Eis anständig aufrauen?«

      Die Regierung gibt's