Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman. Peik Volmer

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Название Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman
Автор произведения Peik Volmer
Жанр Языкознание
Серия Dr. Sonntag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740972318



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ich doch nur keinen Dienst hätte! Aber ich bin hier so was wie Mädchen für alles! Sogar, wenn ich offiziell frei habe, kann es sein, dass ich irgendwo oder für irgendwen einspringen muss! Das gibt dann gut Geld, aber …«

      »Ich verstehe«, unterbrach Maria. »Mit Ihnen geht es nur spontan oder gar nicht!«

      »So ungefähr, ja!«

      »Wir sind ja noch ein paar Tage unterwegs! Ich bin da ganz optimistisch!«

      *

      »Sag mal, wo steckst du denn? Seit Anton von Bord gegangen ist, habe ich dich nicht mehr … gesehen!«

      Dagmar Schattenhofers Stimme klang nach einem Anflug von Vorwurf.

      »Ich weiß, Dagmar, es tut mir auch leid, aber ich habe wirklich alle Hände voll zu tun!«

      Komisch. Mit Esfandars Zwillingsbruder lief es genau umgekehrt. Da war sie diejenige, deren Terminplan derart gefüllt war, dass Sepandar sich zurückgesetzt fühlte.

      »Kannst du dich denn heute Nacht freimachen?«

      Er kicherte anzüglich.

      »Das hat nur Sinn, wenn wir uns beide freimachen, findest du nicht?«

      »Alberner Kerl!«

      »Ich versuch’s! Offiziell habe ich um Mitternacht Schluss!«

      »Du weißt, wo du mich findest!«

      Der Besuch der alten Dame

      »Egidius! Das ist doch überhaupt keine Frage! Selbstverständlich zieht Theres zu uns!«

      »Ich habe ihr gesagt, dass es allein deine Entscheidung ist, Corinna. Ich bin wirklich froh, dass du es so siehst!«

      »Was ist mit Oma?«, unterbrach Lukas.

      »Mein Sohn … Ich …«, stotterte Egidius. »Verflixt! Ich hätte nicht gedacht, dass das so schwer werden würde!«

      »Ich glaube, Egidius, dass du deinem Sohn mehr zutrauen darfst!«, erklärte Corinna ruhig.

      Lukas sah von einem zum anderen.

      »Oma kommt zu uns? Für wie lange?«

      »Lukas, bitte setz’ dich mal zu uns. Also: Theres geht es nicht gut. Gar nicht gut. Und Corinna und ich – also, wir möchten nicht, dass sie damit am Tegernsee allein bleibt. Deswegen haben wir ihr angeboten, dass sie zu uns kommen kann, bis ….« Er biss sich auf die Lippen.

      »Bis was? Bis es ihr wieder besser geht?«

      »Lukas – deiner Großmutter wird es nicht wieder besser gehen. Deswegen kommt sie zu uns. Sie hat den Wunsch geäußert, nicht bei fremden Menschen – sterben zu müssen.«

      *

      In der Tat. Die Histologie der Gewebeprobe hatte das Magenkarzinom eindeutig bewiesen. Bei den Zellen handelte es sich um sogenannte Siegelring-Zellen.

      »Na prima«, knurrte Egidius sarkastisch. »Schlimmer ist nur noch die Atombombe!«

      »Werden Sie es Ihrer Mutter sagen, Herr Professor?«, fragte Frau Fürstenrieder vorsichtig.

      »Ich muss. Ich hatte gehofft, dass die feingewebliche Untersuchung die Möglichkeit zu einer Operation eröffnen würde. In diesem Fall jedoch … Nur ein Idiot würde hier operieren! Diese Information bin ich ihr schuldig. Wenn ich es verschwiege, würde sie mich fragen.«

      »Es tut mir so leid, Herr Professor. So viel habe ich allerdings von Medizin begriffen, dass der Erfolg nicht immer im Gesundwerden und in der Heilung liegt. Man kann eben den Tod nicht verhindern. Er gehört zum Leben dazu, und meine Mutter hat immer gesagt, dass man es ja nicht merkt, wenn man tot ist. Nur für die anderen, die Hinterbliebenen, wäre es schwierig.«

      »Das ist richtig, Frau Fürstenrieder. Ich denke auch, dass Theres es gelassen aufnehmen wird. – Sind Sie so lieb und veranlassen einen Krankentransport, morgen, nach dem Frühstück?«

      »Ins Rupertistift oder zum Laubries?«

      »Zum Laubries. Wir bereiten heute Abend alles vor. Ich muss noch mit den Jungs sprechen. Lukas wird es hart treffen. Der liebt seine Großmutter, und sie ihn nicht minder!«

      *

      Ja, er hatte recht behalten. Lukas starrte seinen Vater voller Entsetzen an.

      »Aber du bist doch Arzt! Du musst ihr doch helfen! Du kannst sie doch operieren, Papa! Bitte! Du kannst sie doch nicht einfach sterben lassen!«

      »Lukas, ich kann dich verstehen. Aber es gibt Krankheiten, die man eben nicht mehr einfach wegschneiden kann.«

      »Aber du hast es gar nicht versucht! Man weiß dass doch erst, wenn man es versucht hat! Bitte, Papa!«

      »Schau mal, Lukas, ich habe mit Theres gesprochen. Das ist ja nicht allein meine Entscheidung. Auch sie hält es so für das Beste!«

      *

      Er hatte sich mit der grauen Patientenakte in der Hand zum Zimmer seiner Mutter begeben. Der Befund war noch nicht eingeheftet. Die Schwester hatte das Blatt mit einer überdimensionalen Büroklammer an dem Plastikdeckblatt befestigt.

      Er traf Theres lesend und mit einer Tasse Tee am Tisch sitzend an.

      Er trat zu ihr und küsste sie auf die Stirn.

      »Grüß Gott, Mama!«

      »Grüß dich, mein Kind!«

      Ja. Das war er. Komisch, dieses Wort aus ihrem Mund zu hören. Komisch und ungewohnt. Immerhin: Er war Chirurg. Professor, mit internationalem Ruf. Ärztlicher Direktor. Nicht zuletzt Ehemann, und Vater, sogar mehrfacher Vater. Und dennoch blieb er Kind. Lebenslänglich. Ihr Kind.

      Er nahm auf dem Stuhl, der dem Ihren gegenüberstand, Platz.

      »Wie lange sitzt du schon auf diesem Ding?«, erkundigte er sich erstaunt. »Ich merke heute zum ersten Mal, wie unbequem die sind!«

      Theres lächelte.

      »Bist du sicher, dass der Stuhl das Gefühl des Unbehagens verursacht?«

      Er hatte sie nicht täuschen können. Er hob die Krankenakte vom Tisch und hielt sie vor sich wie einen Schutzschild.

      Er erklärte den Befund.

      »Für eine Operation im Stadium IV ist es zu spät, Mama. Aber es gibt noch die Möglichkeit einer Chemotherapie, und zwar als Dreier- oder Vierer-Kombination …«

      Sie hob gebieterisch die Hand.

      »Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, mein Junge. Ich verstehe, dass es dir als Arzt nicht passt, dass eine Patientin ohne Therapie verstirbt. Aber ich habe keine Lust auf eine Chemotherapie. Ich lege keinen Wert auf permanente Übelkeit, ausgefallene Haare und Augenbrauen, Erbrechen und wunde Schleimhäute.«

      Egidius öffnete den Mund.

      »Und versteige dich bitte nicht zu Versprechungen der Art, dass das heutzutage gar nicht so schlimm wäre und dass man diesen Widrigkeiten mit wunderbaren Medikamenten begegnen könnte!«, kam sie ihm zuvor. »Ich merke, dass mein Leben verrinnt, und daran wirst auch du nichts ändern können. Einer Chemotherapie stimme ich nicht zu. Unter keinen Umständen!«

      *

      Lukas schluchzte laut auf.

      »Mein lieber Junge«, versuchte Egidius zu beschwichtigen, »ich verstehe, wie es in dir aussieht. Es handelt sich immerhin um deine Großmutter. Bitte glaub mir, dass das auch an mir nicht spurlos vorbeigeht. Theres ist meine Mutter, und so viele hat man ja nicht von der Sorte.«

      »Dann hilf ihr doch! Du stehst nur da und schaust zu!«, schrie der Junge verzweifelt. »Aber dir ist es ja offenbar egal!«

      »Lukas, bitte rede nicht so«, mischte sich Corinna ein. »Und behalte abgedroschene Phrasen wie ›Du bist nicht meine Mutter‹ für dich. Dein Vater leidet wie ein Viech, glaub mir. Morgen kommt Theres zu uns, und