Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ernst Wichert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027237517 |
Kommt Ihr aus eigenem Antriebe, werter Bruder? fragte Plauen, um ganz sicher zu gehen; oder wissen auch andere um Euer Vorhaben?
Ich will Euch nichts vorenthalten, antwortete der Ritter, die Brüder sind nicht zusammengetreten ohne Euer Gebot, aber viele hatte ich zu sprechen Gelegenheit, und alle waren sie derselben Meinung, so daß ich wohl mit Sicherheit voraussagen könnte, wie sie im Kapitel stimmen würden. Sie halten dafür, daß diese Burg keinen Entsatz zu erwarten hat und daß sie in kurzer Zeit fallen muß. Und sie überlegen weiter, daß dann die ganze Besatzung kriegsgefangen ist und der Orden seine letzten tapferen Streiter verloren hat, der König aber mit denen nicht verhandeln wird, die er unbedingt in seiner Macht hat. Jetzt ist er vielleicht noch geneigt, mit den unbesiegten Verteidigern des Haupthauses, mit dem Statthalter des Ordens, Frieden zu schließen –
Einen schimpflichen Frieden, fiel Plauen ein; keinen anderen haben wir zu erwarten.
Einen Frieden, der dem Orden schwere Opfer auferlegt, berichtigte der Greis, keinen schimpflichen Frieden. Denn es kann uns kein Schimpf sein, daß wir einen Teil verloren geben, wenn wir hinderten, daß alles verloren war, und wenn wir der Notwendigkeit weichen. Dem einzelnen Manne mag es zum Ruhm gereichen, wenn er, den sicheren Tod vor Augen, doch ritterlich mit eingelegter Lanze auf seinem Posten ausharrt bis zum letzten Atemzuge. Ihr aber steht nicht nur für Euch selbst, und keiner von uns steht hier nur für sich selbst und seine Mannesehre. Wir sind die Brüder vom Deutschen Hause und müssen sorgen, daß das Haus erhalten bleibe, damit es sich künftig wieder fülle. Lassen wir den Feind einziehen, so werden die Brüder es nie mehr zurückgewinnen. Geben wir jetzt aber einen Teil unseres Besitztums hin, damit wir Frieden erhalten, so kommt wohl noch die Zeit, wo wir das Verlorene wieder einbringen und uns reichlich entschädigen. Deshalb rate ich: sucht den Frieden mit dem König und seid versichert, daß niemand Euch tadelt. Im Kapitel darf keiner von den Brüdern wagen, einen solchen Vorschlag zu machen; wenn Ihr selbst aber sie darum befragt, werden sie einstimmig beitreten.
Und Ihr verlangt, rief Plauen, daß ich die Sache, für die ich mit Leib und Leben eingetreten bin, für die ich die Brüder zum Kampfe gerufen habe, aufgebe, daß ich mich aufs tiefste erniedrige vor unserm Todfeinde? Habt ihr mich deshalb zu eurem Statthalter erwählt, daß ihr meiner Ehre diesen Makel anheften könntet? Nein, verlaßt mich, wenn ihr wollt – setzt mich ab –, tötet mich, aber verlangt nicht, daß ich euch entehre!
Bändigt Euren Stolz, bat der Ritter, und bedenkt, daß wir alle nur Saatkörner sind in der Hand Gottes. Er streut sie aus, wie er will. Demütigt Euch vor der Heiligen Jungfrau, der Schutzpatronin dieses Hauses, und vergeßt nicht, daß ihr Sohn auch weltliche Schmach auf sich genommen hat, um seinem Vater im Himmel zu gefallen. Und eine Schmach ist's Euch nicht einmal, wenn Ihr als Oberhaupt des Ordens tut, was jeder Fürst in gleichem Falle unbedenklich tun würde, sich nach verlorener Schlacht sein Land zu erhalten. Der Orden ist besiegt, und der Besiegte bittet den Sieger um Frieden, so war's von Anbeginn. Tut, was Ihr vor Gott verantworten könnt.
Plauen stützte die schwere Stirn in die Hand und starrte auf den Tisch. Laßt mich's überlegen, sagte er mit keuchender Stimme. Wahrlich, es kommt mir schwer an, nachzugeben! Lieber ließe ich mein Roß satteln und stürmte gegen den Feind in den Tod!
Ich glaub's Euch gern, sagte der Alte. Aber auch Ulrich von Jungingen stürmte gegen den Feind in den Tod, und hätte dem Orden doch besser gedient, wenn er sich am Leben erhalten und sein geschlagenes Heer hinter der nächsten Burg gesammelt hätte. Es gehört freilich manchmal mehr Mut dazu, zu leben, als zu sterben.
Plauen richtete sich auf und reichte ihm die Hand. Ihr habt recht, antwortete er. Wohlan denn – es muß sein! Beruft die Brüder morgen in der Frühe, daß ich ihre Vollmacht einhole. Ich will dem König einen Frieden antragen, solange wir noch Macht haben, den Krieg fortzusetzen. Möge er dem Orden nicht zu teuer werden!
Er winkte, und der Ritter ließ ihn allein. Nun stand er auf und ging mit schweren Schritten im Gemach hin und her, oft mit der Hand ins buschige Haar greifend. Seine Stirn war finster, seine grauen Augen hatten einen fiebernden Glanz. Doch – doch … murmelte er. Alles vergebens! Sie folgen nicht weiter – sie halten nicht aus bis zum Ende. Klug mag's sein – vielleicht! Aber tapfer ist's nicht, heldenmütig ist's nicht! Sie sind die Ritter nicht mehr, denen Siegfried von Feuchtwangen Gesetze schrieb. Sie verstehen es kaum, daß mein Herz sich empört, diesen traurigen Gang zu gehen.
Aber wenn ich ihn weigere –? Nein, ich bin ihres Beistandes nicht sicher – sie halten nicht aus bis zum Ende! Zu groß war mein Vertrauen! Auch diese äußerste Not erzieht dem Orden keine todesmutigen Helden mehr. Sie wollen verhandeln, und ich – ich –! Nieder in den Staub!
Die Tür öffnete sich, und Hans von der Buche trat ein, er hatte eine Bestellung von des Statthalters Vetter, dem Befehlshaber der Vorburg, zu überbringen. Der wollte bemerkt haben, daß man im Lager einen Sturm vorbereitete, und forderte einen Teil der Besatzung des mittleren Hauses zur Aushilfe. Ich wollte, er hätte recht gesehen! rief der Statthalter. Der König soll wissen, daß er noch weit vom Ziele ist. Ein
siegreicher Kampf diese Nacht, und unsere Niederlage morgen ist nicht so schwer! Unsere Niederlage? fragte der Junker bestürzt. Ich hoffe – Sorgen wir nicht um morgen, unterbrach Plauen. Heute wollen wir kämpfen wie Männer! Ich komme selbst!
Er warf den Mantel um, gab im Vorgemach Befehle und hieß Hans von der Buche ihm folgen. Im mittleren Schlosse ordnete er an, daß ein Teil der Mannschaft zur Nacht gerüstet unter der Mauer am Graben Wache halten und auf ein gegebenes Zeichen nach der Vorburg eilen solle.
Dann ging er über die Brücke. Der weite Hof der Vorburg sah einem Wanderlager von Nomadenvölkern ähnlich. Hier hatten die Marienburger und die Bauern aus dem Werder ihre Habseligkeiten zusammengehäuft. Jeder Familienvater hatte einen besonderen Raum angewiesen erhalten und sich darauf in der Enge einzurichten gesucht. Aus Brettern waren Baracken zusammengeschlagen; viele begnügten sich auch mit einem Gerüst von Stangen, über die Decken von verschiedener Größe und Farbe befestigt waren. Das Vieh stand daneben in Hürden. Häufig brach ein Stück aus und wurde dann von den Weibern und Kindern durch die Lagergassen mit Geschrei zurückgetrieben, bevor es den Söldnern in die Hände fiel, die dergleichen gute Beute ungern herausgaben. Auf offenen Herden hingen große Kessel über den Feuern, und die Bürger- und Bauersfrauen mußten sich daran gewöhnen, hier ihr gemeinsames Mahl zu bereiten, da in den Baracken und Zelten keine Feuerstelle gelitten wurde. Bewaffnete Männer saßen hier und dort, die irdene Schale mit dem Abendessen auf den Knien, wohl auch einen Krug mit Tafelbier zur Seite, sich zum Nachtdienst zu stärken. Von Zeit zu Zeit ließ sich der dumpfe Ton eines Geschützes vernehmen, eine Steinkugel schwirrte durch die Luft und fiel nicht weit von der Mauer in den Sand, viel Staub aufwirbelnd. Man achtete kaum darauf.
Plauen schritt mit seinem jungen Begleiter mitten durch das Lager, mitunter eine Minute stehenbleibend und dem Treiben der Leute zuschauend. Sein Dienst im alten Schlosse hatte ihm bisher nicht erlaubt, hier in den Außenwelten sich