Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ernst Wichert
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027237517



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träges und nichtsnutziges Gesindel. Auch hat er die ganze Vorburg mit Weibervolk und Kindern überladen, die nur überall im Wege sind und den Vorrat an Lebensmitteln schnell aufzehren helfen. Auf Entsatz darf er nicht hoffen. Was bleibt ihm übrig, als sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben?

      Und wenn der König mit dem Orden Frieden schließt?

      Er nimmt nur völlige Unterwerfung an, das ist sein Schwur.

      Solche Schwüre bricht die Not.

      So sorgt dafür, daß ihn die Not nicht zwinge, sie zu brechen. Auf euch, die Bürger dieses Landes, wird er sich am liebsten stützen; beweist ihm, daß er euch ohne Rückhalt vertrauen kann.

      Freilich würde unsere Stärke seine Stärke sein. Zu unserer und seiner Sicherheit müßten wir große Forderungen stellen und Pfänder in Händen haben.

      Fordert! Ich will's an ihn bringen und für euch vermitteln. Mir selbst ist daran gelegen, daß der König nicht übermütig wird.

      Letzkau überlegte eine Weile. Ich will erst mit eigenen Augen sehen, sagte er dann. Im Lager wollen wir weiter über die Sache verhandeln. Die großen Städte stehen zusammen.

      Der Bischof preßte die Lippen aufeinander und maß ihn mit einem listigen Blick von der Seite her. Dann schob er sich im Sessel vor, so daß er ihm ganz nahe kam, und sprach zischelnd: Herr Bürgermeister, verständigen wir uns bei guter Zeit. Ich weiß, daß der König Euch hochschätzt und daß ich ihm einen Dienst erweise, wenn ich ihm einen solchen Mann gewinne. Darum bemühe ich mich gern für Euch. Sagt ohne Umschweife: Was begehrt Ihr für Euch selbst?

      Letzkau stand rasch auf. Nichts, rief er unwillig, bei Gott dem Allwissenden, nichts! Ich stehe hier und vor dem Könige nur für die Stadt Danzig. Ihr beleidigt mich durch solchen Verdacht.

      Der Priester lächelte und zog ein wenig die Achsel auf. Gut – gut, sagte er, ich lobe solche Gewissenhaftigkeit und achte Euch deshalb um so höher. Es sollte mir leid tun, wenn Ihr versäumtet, Euch beim König eine Gnade auszubitten, was durchaus mit der strengsten Pflicht bestehen kann. Weiter wollte ich nichts sagen. Gehen wir zu Tisch! Ich begleite Euch dann selbst ins Lager. Überzeugt Euch dort, daß ich in allem recht habe und zum Besten rate.

      Bei der Tafel ging's hoch her. Die polnischen Hauptleute betranken sich und würfelten dann um Beutestücke. Sie erzählten weinselig, daß der König jedem polnischen Edelmann ein Landgut in Preußen zugesichert habe. Dann kam es zum Streit zwischen ihnen und zwei litauischen Starosten, die prahlerisch behaupteten, daß der Großfürst Witowd der eigentliche Kriegsherr sei, der König ihn aber aus Neid zurücksetze. Die Säbel wurden gezogen, es floß Blut; nur mit Mühe konnte der Wirt seine Gäste beschwichtigen. Dann tranken sie wieder um so unmäßiger auf die Versöhnung, bis sie friedlich nebeneinander am Boden lagen.

      Letzkau hatte sich längst zurückgezogen. Neben ihm bei Tisch saß der Bischof Heinrich von Ermland, und gegenüber hatten einige Herren aus Thorn ihren Platz gehabt, die ebenfalls als Sendboten ihrer Stadt kamen. Mit ihnen sprach der Bürgermeister lange in einer Fensternische.

      Die Thorner entschuldigten sich, daß sie so rasch vom Orden abgefallen wären; ihre Stadt liege aber auf der Grenze, und der König habe dort schon seit Jahren Freunde geworben. Sie hofften nun, daß Danzig ihnen noch nachträglich günstige Bedingungen verschaffen werde.

      Übrigens meinten sie es gar schlau eingerichtet zu haben, wenn sie die preußischen Städte zu einer Tagfahrt nach Marienburg beriefen. So sei es auch in Friedenszeiten stets gehalten worden, und der Orden, wenn er wider Erwarten nochmals zu Kräften kommen sollte, könne es ihnen nicht übel deuten, daß sie bei löblicher Gewohnheit geblieben seien und gemeinsam ihre Gerechtsame wahrgenommen hätten.

      Gegen Abend stieg die ganze Gesellschaft zu Pferde und ritt, der kujawische Bischof an der Spitze, ins königliche Lager. Wagen mit Lebensmitteln und Zelten folgten. Zur Nachtzeit langte man an.

      19. DIE BELAGERUNG DER MARIENBURG

       Inhaltsverzeichnis

      Traurig genug sah's in der Marienburg aus. Ununterbrochen vom frühen Morgen bis zum späten Abend donnerten die Kanonen vom Turm der Stadtkirche gegen die Mauern des rechten Schlosses. Ein großer Teil der Brustwehren auf dieser Seite war zerstört, und wenn auch die städtischen Bauhandwerker fleißig mit Ziegelsteinen und Mörtel arbeiteten, so waren doch die Nächte zu kurz, eine vollständige Herstellung zu ermöglichen, und schnell rissen bei Tage die gut gezielten Kugeln das frische Mauerwerk wieder fort. Die Verteidiger hatten hier einen schweren Stand.

      Auf der anderen Seite litt auch das mittlere Schloß, die Hochmeisterwohnung, sehr von den Geschossen der Angreifer, die hohen Zinnen waren zum Teil eingestürzt. Die Schützen auf dem Brückentor und den Mauern am Flusse reichten mit ihren Kugeln und Pfeilen nicht so weit, um die Belagerer zu schädigen. Nur wenn sie sich mit Sturmleitern heranwagten, wurden sie mit blutigen Köpfen zurückgetrieben.

      Oft stand Plauen auf der Platte des hohen Wachtturms und schaute sorgenvoll ringsum ins Land hinaus. Eine weite Aussicht hatte er von dort. Da glänzten im Sonnenschein die weißen Zelte der Polen und Litauer in langen Reihen, geschützt durch Erdwerke. Viele davon hatten früher dem Orden gedient und in den Vorratsspeichern des Haupthauses gelagert. Weiter zurück gegen Stuhm hin schien eine ganze Zeltstadt errichtet zu sein; dort war des Königs Lager. Gegenüber zeigte sich in wenig geringerem Umfange des Großfürsten Quartier. Überall starrte es von Waffen.

      Kein Tag verging, an dem nicht näher oder ferner einige Gehöfte oder Dörfer in hellen Flammen loderten. Deutlich war's zu sehen, wie die Reiterscharen über das Feld zogen und mit Beute beladen zurückkehrten. Stromauf von Elbing her und stromab aus der Richtung von Thorn, Kulm, Graudenz kamen Lastkähne mit Lebensmitteln aller Art an und wurden von den Belagerern abgeladen. Dann ging's lustig her zwischen den Zeltreihen: bis in die Nacht hinein wurde geschmaust und gezecht.

      Das alles sah der Statthalter, und trübe Gedanken bestürmten sein Gemüt. Vergebens spähte er nach Hilfe aus; die Freunde waren fern und mutlos. Vielleicht hatten die Brüder in den Burgen am Memelstrom sich gegen die Einfälle der Szamaiten zu wehren. Von den Häusern Königsberg, Brandenburg, Balga war kaum auf Unterstützung zu hoffen, da sie selbst den Feind erwarten mußten. Es wäre auch Tollkühnheit gewesen, sich mit einem kleinen Haufen vorzuwagen, da das Heer des Königs in freiem Felde den Eintritt in die Burg hinderte. Das hielt Plauen sich selbst vor, und doch sagte er sich: du an ihrer Stelle würdest es wagen – du würdest nicht müßig liegen – du würdest das Landvolk bewaffnen oder mit Sensen und Dreschflegeln heranführen – du! Gab es denn wirklich im Orden keinen beherzten Mann mehr, der die Ehre höher achtete als das Leben?

      Wenn er dann durch die Wehrgänge und hinter den Zinnen entlang ging, sich selbst zu überzeugen, daß seine Befehle pünktlich ausgeführt waren, begegnete er hier und dort Ermüdeten und Entmutigten, auf deren Gesichtern schon die Unzufriedenheit über den strengen Wachtdienst geschrieben stand. Den eisernen Komtur nannten ihn die Söldner, und sie behaupteten allen Ernstes, er schlafe sogar im Harnisch. Er sprach wenig, aber wen sein Blick traf, der richtete sich unwillkürlich auf und stand in strammer Haltung, bis er vorüber war.

      Saß er in seinem Gemach – er hatte sich der bescheidensten eines zu seiner Wohnung gewählt –, so ließ man ihm doch keine Stunde Ruhe. Die Befehlshaber des mittleren Schlosses und der Vorburg schickten Boten, berichteten von neuen Notständen und forderten Verhaltungsregeln. Dann klopften die Soldhauptleute bei ihm an und stellten vor, daß ihre Leute schwierig würden. Sie hätten keine Hoffnung mehr, daß der Orden die Oberhand behalte, und wenn die Marienburg erliege, werde schwerlich der König ihre Rechnungen ausgleichen. Was wollt ihr? bedeutete der Stadthalter sie dann wohl. Wenn ich euch auf Heller und Pfennig bezahlte oder euch ausreichend Pfand gäbe, hättet ihr dann Sicherheit? Nimmt der König die Burg mit Sturm, so wird er keinen der Euren abziehen lassen, bevor seine Taschen geleert sind. Euch kann nur geholfen werden, wenn ihr dem Orden helft, die Burg zu behaupten. Dann soll niemand zu klagen haben. So beschwichtigte er sie für den Augenblick, aber er wußte