Der Hund, der die Welt rettet. Ross Welford

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Название Der Hund, der die Welt rettet
Автор произведения Ross Welford
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636434



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      »Alles, was wir hören, sehen und anfassen, wird im Gehirn verarbeitet. Ohne unser Gehirn geht gar nichts. Könnt ihr mir folgen?«

      Ramzy und ich sehen uns an. Worauf will sie hinaus? Dr. Pretorius ist so in ihrem Element, dass sie nicht auf uns achtet.

      »Doch das Gehirn lässt sich austricksen. Optische Täuschungen, Zauberkunststücke, Déjà-vu-Erlebnisse – all das führt den Verstand in die Irre. Das haben schon die Höhlenmenschen gemacht. Und jetzt gibt’s das hier!«

      Dr. Pretorius hält den Helm wie eine Trophäe hoch und funkelt uns an.

      »Das hier, meine Lieben, ist die größte Illusion überhaupt. Oder wird es werden. Dieser Projektor da«, mit dem Finger fährt sie über den Metallbügel, »täuscht die Augen mit vorprogrammierten Szenen. Keine klobigen Brillen mehr! Aber das Besondere sind eigentlich die da, diese Kontakte, da und da und da …« Dr. Pretorius zeigt auf die Metallhubbel auf der Innenseite des Helms, die an meinem Schädel lagen. »Die senden Signale an den Parietallappen und …«

      »Moment mal«, sagt Ramzy. »Wohin?« Ich bin froh, dass Ramzy dabei ist. Endlich ist seine nervige Angewohnheit, alles infrage zu stellen, mal zu was nütze.

      Dr. Pretorius wirkt nicht gerade glücklich über die Unterbrechung, aber dann lenkt sie ein. »Na gut. Ich habe mich ein Leben lang damit beschäftigt, um es zu verstehen. Im Parietallappen werden alle Sinneseindrücke, die das Fühlen betreffen, verarbeitet. Man kann den Computer so programmieren, dass er Signale an die Kontakte sendet, die wiederum elektrische Impulse an den Parietallappen weiterleiten und dem Gehirn zum Beispiel die Wärme einer virtuellen Sonne vorgaukeln. Das ist sogar ziemlich einfach. Sand ist da schon schwieriger. Zu fühlen, wie einem die feinen Körner durch die Finger gleiten, erfordert einiges an Illusion. Darauf bin ich ziemlich stolz. Wollt ihr noch einen Keks?«

      Verständnislos sehe ich sie an. Noch immer versuche ich zu begreifen, was sie uns da gerade erklärt. Da helfen auch keine Kekse. Ramzy sieht es anders und nimmt gleich zwei.

      »Als ich dieses … Skorpion-Wesen getreten habe, war das also auch eine Illusion?«

      »Richtig! Genau wie beim Sand. Das Programm hat dir vorgegaukelt, dass der Skorpion aus fester Materie besteht. Und mit dem Fuß hast du den Widerstand gespürt, so wie du mit den Händen den Sand gespürt hast, obwohl beides nicht existiert.«

      »Aber als ich den Liegestuhl nach dem Skorpion geworfen habe«, sagt Ramzy und spuckt Krümel, »ist er natürlich einfach durch ihn durchgeflogen.«

      Dr. Pretorius zwinkert. »Kluges Köpfchen. Daran arbeite ich noch.« Dann klatscht sie plötzlich in die Hände und erhebt sich. »Für heute reicht’s! Ich hab noch eine Menge zu tun.«

      »Es ist also noch nicht fertig?« Ramzy nimmt sich den letzten Keks und springt vom Tisch.

      Dazu sagt Dr. Pretorius nichts. Ramzy und ich folgen ihr schweigend mit Mister Masch aus dem Studio, die Stahltreppe hinunter bis zum Lagerraum und der verlassenen Laderampe. Statt aber dieselbe Tür wie vorhin zu nehmen, dreht sich Dr. Pretorius um und schließt eine andere Tür mit einem großen altmodischen Schlüssel auf.

      »Abkürzung«, sagt sie.

      Die Tür führt direkt in die Arkaden von Spanish City. Hier gibt es einen lärmigen Raum voller Spielautomaten und Kinderkarussels, die Gelateria (ein protziger Name für eine simple Eisdiele, wenn ihr mich fragt), eine teure Fish & Chips-Bude und Polly Donkins Tea Rooms. Mir kommt es vor, als hätten wir einen Geheimgang genommen, obwohl es doch bloß eine verschlossene Tür war.

      Der Hauptgang liegt ein paar Meter vor uns, und wir drängen uns durch die Menge, doch plötzlich bin ich gezwungen, stehen zu bleiben. Sass Hennesseys Mum bringt gerade einen Teller Pommes an einen Tisch draußen, als sie mich entdeckt.

      »Hallo, Georgie!«, ruft sie, als wären Sass und ich die besten Freundinnen. Ramzy grinst breit, obwohl er sie nicht mal kennt. »Schön, dich zu sehen. Und, ähm …« Neugierig sieht sie Dr. Pretorius an. Wahrscheinlich fragt sie sich, wer das wohl ist.

      »Hallo«, murmle ich.

      »Was macht Sankt Bello? Saskia hat mir ja so viel davon erzählt«, sagt Sass’ Mum und räumt dabei die Gläser vom Tisch. Aber ich bin schon halb am Ausgang und antworte nicht mehr. Mir hat nicht gefallen, wie sie Dr. Pretorius gemustert hat. Vielleicht täusche ich mich und Mrs Hennessey kennt sie doch. Vielleicht ist Dr. Pretorius hier Stammgast. Was weiß ich.

      Dr. Pretorius führt uns hinaus auf die belebte Straße. »Kommt morgen um die gleiche Zeit. Und denkt dran: Das ist unser Geheimnis! Was ihr gesehen habt, war noch gar nichts.« Damit dreht sie sich um und verschwindet auf dem gleichen Weg, den wir gekommen sind. Ramzy und ich sehen ihren weißen Schopf über die Menschenmenge schweben.

      »Na? War das jetzt ein Abenteuer oder nicht? He, Erde an Georgie!«

      Ich bin ganz woanders in Gedanken. Schaue hinauf zu den verdunkelten Fenstern der Kuppel.

      »Was ihr gesehen habt, war noch gar nichts. Was meint sie wohl damit, Ramzy?«

      »Keine Ahnung. Wahrscheinlich dürfen wir demnächst Waffen testen: der Kampf der Riesenskorpione! Oder …«

      »Nein, das glaube ich nicht. Mit Spielen hat das nichts zu tun. Da geht es um was anderes.«

      Ramzy sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Traust du ihr nicht?«

      Ich denke darüber nach.

      Trau keinem, der keine Hunde mag.

      Dr. Pretorius kam mit Mister Masch klar. Jedenfalls hatte sie keine Antipathie gegen ihn. Sie hat sogar seinen Gestank hingenommen. (Im Kontrollraum hat er eine üble Stinkbombe abgelassen, wie Dad es nennen würde. Und Dr. Pretorius hat so getan, als bemerke sie es nicht. Fand ich echt nett.)

      Andererseits kennen wir sie erst seit heute Morgen und schon hat sie mich und Ramzy zu Stillschweigen verpflichtet.

      »Ich weiß nicht«, antworte ich schließlich. »Aber irgendwas hat sie vor.«

      »Dann lass es uns herausfinden«, sagt er. »Morgen um die gleiche Zeit. Das wird ein richtiges Abenteuer.«

      Ich lächle ihn an. »Okay.«

      Damit wäre das geklärt. Fürs Erste trauen wir Dr. Pretorius.

      Und verrückte Wissenschaftler sind nicht grundlos verrückt, stimmt’s?

      9. Kapitel

      In den nächsten Wochen wird es zur festen Gewohnheit, nach der Schule immer zu Dr. Pretorius zu gehen. Nie ruft sie uns auf dem Handy an, und wir können sie auch nur erreichen, indem wir am verabredeten Tag zur verabredeten Zeit mit dem Wolfskopf an ihre Tür klopfen. Alles ziemlich »oldschool«, wie Ramzy begeistert sagt.

      Mal testen wir eine neue MSVR-Umgebung. Dann wieder hängen wir bloß im Kontrollraum ab und sehen fasziniert zu, wie Dr. Pretorius am Computer für uns neue Welten programmiert.

      Einmal hatte ich anschließend Kopfschmerzen, aber die hielten nicht lange an. Ramzy auch. Dr. Pretorius wirkte nicht weiter besorgt und gab uns bloß eine Schmerztablette.

      (Übrigens befindet sich unter der blauen Plane tatsächlich ein Multi-Copter. Einmal habe ich die Drohne gesehen: ein Schalensitz inmitten von zehn Speichen, an deren Enden Rotoren sitzen. Offensichtlich ein Eigenbau, denn überall schauen Kabel heraus, die Schweißnähte sind uneben und der Boden unterm Sitz ist der zurechtgebogene Deckel einer Keksdose von McVitie’s. Dr. Pretorius hat sofort mein Interesse bemerkt: »Ja, das ist mein neues Projekt. Solarbetrieben mit unbegrenzter Reichweite.«)

      Und immer wieder sagt sie zu uns: »Was ihr gesehen habt, war ja noch gar nichts.« Vom Großen Experiment spricht sie, wobei sie nichts weiter verraten will. Außerdem vergewissert sie sich, dass wir alles geheim halten:

      »Und ihr habt auch wirklich nichts verraten? Ihr beide seid meine Mitverschwörer. Außer uns dreien weiß