Der Hund, der die Welt rettet. Ross Welford

Читать онлайн.
Название Der Hund, der die Welt rettet
Автор произведения Ross Welford
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636434



Скачать книгу

Handgelenk?«

      Da senkt sie den Blick und sieht sogar ein wenig verschämt aus. »Tut mir leid.« Als sie aufschaut und unsere entsetzten Gesichter sieht, sagt sie schnell: »He, lasst mich ja nicht im Stich. Wir sind so nah dran.«

      »Nah dran an was?«, frage ich. Ich kann die Ungeduld kaum aus meiner Stimme verbannen.

      Dr. Pretorius kneift die Augen zusammen. »Ihr werdet schon sehen. Vertraut mir. Ihr werdet sehen. Bald ist es so weit für das Große Experiment.«

      »Heute?« Ramzy ist noch ganz aufgekratzt, weil er vorhin im VR-Spiel einen Hubschrauber mit angsteinflößenden Aliens abgeschossen hat.

      Ohne direkt zu antworten, sagt Dr. Pretorius: »Gebt mir noch ’ne Woche, Kids. Eine Woche. Wo ich euch hinbringe, ist noch keiner gewesen.« Sie öffnet die Tür, die zu den Arkaden und Polly Donkins führt. Rasch sehe ich mich nach Sass Hennesseys Mutter um, die ist zum Glück aber nicht da. Ein paarmal hat sie mich bestimmt schon gesehen, auch wenn sie bislang nichts gesagt hat, fürchte ich mich davor.

      Doch mich erwarten schon bald andere Sorgen.

      Denn in dieser Woche geht alles schief.

      In dieser Woche erfahren wir alle von der Seuche.

      10. Kapitel

      Erst mal muss ich aber von Sankt Bello erzählen.

      Die alte Gemeindekirche von Sankt Baldo und Allerheiligen, die alle nur als Sankt Bello kennen, ist eine kleine Kirche nicht weit vom Strand, alt mit einem gedrungenen Turm. Nur, dass es keine Kirche mehr ist, jedenfalls keine mit einer Gemeinde, einem Chor und Hochzeiten und so. Sankt Bello ist bloß noch ein Gebäude in Form einer Kirche. Mit ihren massigen Eichentüren und den dicken Sandsteinwänden ist die Kirche gut geeignet, den Lärm von fünfundzwanzig Hunden zu dämmen.

      Für mich ist es der beste Ort der Welt.

      Zu Beginn des letzten Schuljahres habe ich dann Ramzy das erste Mal mit nach Sankt Bello genommen. Ich wollte, dass er mal sieht, wovon ich immer spreche (oder womit ich die Leute immer zu Tode langweile, wie er sagt. Danke, Ramz!).

      Wenn man neu in Sankt Bello ist, registriert man als Erstes den Lärm: das Heulen, das Bellen, das Kläffen und das Schnüffeln. Ich liebe diesen Lärm fast so sehr wie den Geruch, der einem als Nächstes entgegenschlägt. Zu meinem Entsetzen hielt Ramzy sich die Nase zu.

      »Verflikse Kacke«, näselte er. »Hier stings.«

      »Daran gewöhnt man sich.« Ehrlich gesagt, fällt es mir kaum noch auf. Hunde riechen tatsächlich ein wenig, aber meistens schön, wie warmes Holz. Und wusstet ihr, dass Hundepfoten nach Popcorn riechen? Ehrlich wahr!

      (Ihr Atem kann schon mal so ein bisschen fischig müffeln, und ich gebe gern zu, dass ihre Kacke stinkt, aber wessen Kacke stinkt nicht?)

      Jedenfalls bin ich an einem Samstagmorgen kurz vor der wöchentlichen Reinigung der Zwinger mit Ramzy dort aufgekreuzt und da riecht es in Sankt Bello immer am schlimmsten.

      »Guten Morgen, Georgie!«, rief der Pfarrer. Ich mag den Pfarrer. Er ist schon ziemlich alt, bestimmt um die siebzig. Schlank mit struppig grauem Haar wie ein Irischer Wolfshund. An dem Tag trug er einen selbst gestrickten Schlabberpulli und fingerlose Handschuhe. Er saß an dem langen Tisch gleich hinter der Tür. »Und wer gibt uns denn hier die Ehre?«, fragte er, als er Ramzy sah. So redet er immer. Man gewöhnt sich dran.

      Bevor ich noch reagieren konnte, schlug Ramzy die Hacken zusammen und salutierte: »Ramzy Rahman zu Diensten, Sir!«

      Im ersten Moment war der Pfarrer etwas verdattert, aber das ergeht vielen so, die Ramzy noch nicht kennen. Doch dann salutierte der Pfarrer ebenfalls und schmunzelte.

      »Willkommen in Sankt Bello, Gefreiter Rahman! Ich nehme an, Sie sind hier um, ähm … Sergeant Santos zu helfen?« Der Pfarrer nahm die Brille ab, zog unter dem Schlabberpulli einen Hemdzipfel hervor und putzte die Gläser.

      Ramzy nickte eifrig.

      »Spitze. Tipptopp! Vielen Hände, schnelles Ende, eh?« Er setzte sich die Brille wieder auf und sah auf die Liste vor sich. »Du bist auf deiner üblichen Station, Georgie. Erst sauber machen, dann bürsten und vergiss nicht …« Der Pfarrer hob den Finger und blinzelte mir zu. Gemeinsam sagten wir:

      »Alles, was ihr tut, tut von Herzen, dann ist es dem Herrn wohlgetan

      »Prima. Ab mit euch!«

      Mit verwirrtem Gesicht trottete Ramzy neben mir davon. »Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte er so laut, dass der Pfarrer es noch glatt hören konnte.

      »Schhh! Keine Ahnung. Altes Zeug aus der Bibel. Dem Pfarrer gefällt es. Ist irgendwie lustig und er …«

      »Was? Das soll ein Pfarrer sein?«

      »War er früher. Schnapp dir mal den Eimer da. Das hier war seine Kirche. Dann blieben wohl die Leute weg, deshalb haben sie es in ein Hundeheim umgewandelt und er durfte bleiben.«

      Von den alten Kirchenbänken sind kaum noch welche übrig. Stattdessen befindet sich in der Mitte der Kirche ein Hundeauslauf mit Sägespänen. Zu den vier Seiten liegen die Zwinger. Richtig cool.

      Von meiner Station hatte der Pfarrer gesprochen. Das gefällt mir. Als gehörten diese vier Hunde mir. Sogar mein Name steht da:

      Station 4

      Freiwillige Helferin am Samstag: Georgina Santos

      Auch wenn es bloß eine handgeschriebene weiße Tafel ist, bin ich sehr stolz drauf.

      Die Hunde von Station 4 sind schon am längsten in Sankt Bello, aber sie brauchen keine Angst zu haben, eingeschläfert zu werden.

      In manchen Hundeheimen ist das üblich. Wenn sich kein neues Zuhause für das Tier findet oder der alte Besitzer nicht ausfindig gemacht werden kann, kommt nach ein paar Monaten der Tierarzt und …

      Wisst ihr, was? Allein der Gedanke macht mich traurig. Deshalb liebe ich das Sankt Bello auch so. Natürlich sucht man hier auch ein neues Zuhause für die Hunde, aber wenn es nicht klappt, dann … werden sie eben Dauergäste.

      Ein wenig wichtigtuerisch führte ich Ramzy herum und zeigte ihm die Zwinger und die Pflege-Tafeln. Ziemlich altmodisch wird alles per Hand vermerkt: frisches Wasser geben (man macht einfach einen Haken, der Stift hängt an einer Schnur daneben), bürsten (Haken), Stuhlkontrolle (Haken) … und so weiter.

      Nun zu den Hunden selbst …

      1. Ben. Jack Russel Mix, wahrscheinlich mit Cocker Spaniel. Schwarz, weiß, braun. Alter: um die sechs. Leute, die er nicht kennt, knurrt er an, deshalb hat er auch noch kein Zuhause gefunden.

      Bei Ramzys Anblick fletschte Ben die Zähne. Ramzy machte einen Schritt zurück.

      »Keine Sorge«, sagte ich zu ihm, »sein Bellen ist schlimmer als sein Beißen.«

      »Beißen tut er auch?«

      »Nein. Eigentlich nicht. Einmal hat er mich so ein bisschen gezwickt, aber da wollte er nur spielen.«

      Ramzy schien das nicht zu beruhigen und er hielt Abstand, während ich Bens Wasser nachfüllte, mit der Kackschaufel Bens Hinterlassenschaften aufsammelte und in den Eimer tat, den Ramzy auf Armlänge von sich weghielt.

      2. Sally-Ann. Sally-Ann ist ein »zahlender Gast«, denn ihre Besitzerin Mrs Abercrombie ist sehr alt und oft im Pflegeheim. Sie ist braun-weiß, sehr haarig und hat immer einen überheblichen Ausdruck auf dem platten Gesicht. (Natürlich der Hund und nicht Mrs Abercrombie, wobei die zwei sich eigentlich ziemlich ähnlich sind.) Sally-Ann ist eine reinrassige Lhasa Apso Hündin.

      3. Dudley. Brauner Staffordshire Bullterrier Mischling, der ein wenig Furcht einflößend aussieht, weil ihm ein halbes Ohr fehlt,