Der Hund, der die Welt rettet. Ross Welford

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Название Der Hund, der die Welt rettet
Автор произведения Ross Welford
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636434



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dunklen Kuppel von Whitley Bay stehe. »Ziemlich gut? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Ziemlich gut?« Ihre sonst so dunkle Stimme klingt auf einmal schrill.

      »Es … es tut mir leid. Ich meine toll. Es ist …«

      »Fass mal den Sand an. Los, der beißt schon nicht! Fass den Sand an!«

      Als ich mich hinhocke und den Sand berühre, quieke ich überrascht auf. Ich weiß ja, dass unter mir ein halber Meter winziger Kugellager aufgeschüttet ist. Doch berühren tue ich …

      Sand. Jedenfalls fühlt es sich so an.

      Die Körner rieseln mir durch die Finger. Ich schnappe nach Luft und Dr. Pretorius kichert heiser. »Es ist besser als ziemlich gut, was?«

      Ich nicke. »Ja. Es ist … perfekt.«

      »Ha! Noch nicht ganz, aber danke. Nimm dir noch mal Sand und sage mir, was du fühlst.«

      Ich nehme mir eine Handvoll Sand. Ramzy tut das Gleiche und sagt: »Fühlt sich … kalt an? Sollte der Sand in der Sonne nicht wärmer sein?«

      »Hhm«, sagt Dr. Pretorius und hämmert auf der Tastatur herum. »Wie ist es jetzt?«

      Auf einmal fühlt sich der Sand wärmer an. »Ist er auch nicht zu warm?«, fragte sie. Stumm vor Staunen schüttle ich den Kopf.

      »Was zum …?« Ramzys Gesicht ist pures Entsetzen. »Georgie! Hinter dir!«

      Ich wirble herum und schreie. Ein Skorpion von der Größe eines Couchtisches hebt drohend seine riesigen Scheren, der Schwanz ragt zitternd in die Höhe. Er ist noch fünf Meter entfernt und kommt auf mich zu.

      8. Kapitel

      Skorpione habe ich bislang nur auf Fotos und im Fernsehen gesehen. Und ich bin froh, vermelden zu können, dass sie an der Nordostküste Englands nicht heimisch sind. Aber so viel weiß ich über Skorpione: Sie sind nicht größer als eine Hand und normalerweise giftig.

      Dieser Skorpion erinnert mich an einen riesigen, glänzend schwarzen Hummer, leicht rötlich, mit einem extra langen Gliederschwanz, der sich über den Rücken nach oben biegt. Am Ende befindet sich eine orangerote Blase mit einem langen Stachel. Die Scheren sehen aus wie bei einem Krebs und klappern bedrohlich, während der Skorpion auf seinen acht Beinen im Zickzack auf mich zustakst. An den Rändern ist die Illusion nicht perfekt, da verschwimmen die Konturen, wenn er sich bewegt, so wie beim Barmann.

      Doch dass der Skorpion nur virtuell existiert, macht ihn leider nicht weniger furchterregend.

      »Dr. Pretorius!«, brülle ich. »Ramzy!«

      Ramzy ist vor Angst wie gelähmt. Sonst höre ich bloß Dr. Pretorius murmeln: »Ach, du Schande, nicht der schon von wieder.«

      Als der Skorpion noch zwei Schritte auf mich zumacht, trete ich verzweifelt mit dem Fuß nach ihm. Zu meiner Überraschung treffe ich die Schere. Ich spüre die Berührung, aber dennoch rückt der Skorpion näher und richtet sich drohend auf. Ohne groß zu überlegen, laufe ich davon. Statt Augen hat das Tier offenbar bloß Erhebungen auf dem Kopf, schwarz glänzende halbe Fußbälle, trotzdem hat es mich damit direkt angesehen.

      Das Laufen fühlt sich seltsam an, der Sand unter meinen Füßen kommt mir eher vor wie winzige Metallkugeln, die sich beim Drüberlaufen drehen. Aber Hauptsache, ich komme möglichst weit weg von dem riesigen schwarzen Skorpion.

      »Dr. Pretorius! Was ist das für ein Ungetüm?«, brülle ich. Ramzy hat sich den Liegestuhl geschnappt und schleudert ihn. Er zielt nicht schlecht, bloß dass der Stuhl durch den Skorpion durchsegelt, als wäre er ein Geist.

      »Tsss. Keine Angst«, erklingt Dr. Pretorius’ Stimme über die Kopfhörer. Sie klingt eher genervt als besorgt. »Was soll das, du kleines …«, doch ich glaube, sie spricht mit dem Skorpion.

      Ramzy und ich laufen den Strand weiter hoch, aber der Skorpion lässt nicht von uns ab, krabbelt immer wieder zwei oder drei Schritte über den Sand.

      Dann öffnet er ohne Vorwarnung die Scheren, stellt sich auf die haarigen Hinterbeine und geht auf mich los. Ich stolpere und lande genau in dem Moment mit dem Gesicht im Sand, als der silberne Bügel vor meinen Augen schwarz wird.

      Alles ist still.

      Als kurz darauf die Strahler in der Kuppel aufflammen, liege ich noch immer keuchend mitten im Studio. Ramzy kniet neben dem umgedrehten Liegestuhl am Boden, wo sich gerade eben noch der Skorpion befand. Dr. Pretorius kommt aus dem Kontrollraum und stapft freudestrahlend über die winzigen Metallkugeln auf uns zu.

      »Willkommen in der MSVR, der multisensorischen virtuellen Realität! Herzlichen Glückwunsch, ihr seid die Allerersten, die diese Welt erfahren.« Sie faltet ihre knochigen Hände und schüttelt den Kopf, sodass ihr Heiligenschein aus weißem Haar bebt. »Es ist fast so weit«, sagt sie. »Fast!«

      Ich bin noch immer außer Atem von meiner Begegnung mit dem Riesenskorpion. Dr. Pretorius bemerkt es. »Hey, Schätzchen. Tut mir leid wegen Buster! Ein Bug, den ich noch beseitigen muss. Aber er hätte dir nichts getan.« Dann fügt sie hinzu: »Glaube ich wenigstens nicht, ha!«

      Ramzy und ich sitzen auf dem langen Holztisch im Kontrollraum, während Dr. Pretorius neben uns auf die bunte Tastatur eindrischt, als würde sie Schlag-den-Maulwurf spielen. Jeder von uns hat eine Dose No-Name-Cola und eine Kekspackung vor sich. Falls Ramzy enttäuscht ist, weil ich ihm selbst gebackene Scones versprochen habe, lässt er sich nichts anmerken und stopft sich gerade noch zwei weitere Kekse in den Mund. Zu unseren Füßen schnüffelt Mister Masch nach Krümeln.

      Dr. Pretorius sieht uns beim Sprechen nicht an.

      »Ihr beide« – bam, bam, klack – »bleibt da mal schön sitzen« – klack, klack, BAMM – »ich bin gleich bei euch« – klickklack – klickklack – bamm – BAMM – »hol dich doch der Kuckuck! Nein, nein, euch meine ich nicht. Ach, verflixt, ich kümmere mich später drum.« Noch einmal drischt sie auf die Tastatur ein, bevor sie in ihrem Drehstuhl zu uns herumschwingt. »Dieser verdammte Skorpion. Der macht, was er will. Dabei sollte es ihn nicht mal geben.«

      Ramzy und ich nicken, als würden wir jedes Wort verstehen.

      Betretenes Schweigen. Dann fragt Dr. Pretorius: »Wie war es denn in diesem Virtuellen Erlebnisraum in Disneyland?« Sie haut uns die Frage quasi um die Ohren und widmet sich dann wieder ihrer Tastatur, als würde sie die Antwort eigentlich nicht interessieren, was natürlich nicht stimmt.

      »Überwältigend«, setze ich an, rudere aber lieber ein wenig zurück. »Na ja, überwältigend ist vielleicht zu viel gesagt. Es war gut. Sehr gut. Ziemlich gut. Wahrscheinlich gibt es noch bessere VRs. Also …« Was stammle ich eigentlich so blöde rum?

      Ramzy kommt mir zuhilfe. »Kennen Sie den Virtuellen Erlebnisraum dort, Dr. Pretorius?«, fragt er im Plauderton.

      »Ob ich ihn kenne? Ein wenig.« Dr. Pretorius tut, als wäre es ihr egal.

      Ramzy und ich tauschen Blicke. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie ihn mehr als nur ein wenig kennt.

      »Ich habe bloß einen Teil des Programms dafür geschrieben«, sagt sie. »Das Programm, ihr wisst schon. Die visuellen Darstellungen, die Akustik … so was. Die dicke Brille, die man tragen muss, habe ich auch entwickelt. Der 360°-Grad-Regenwald … war für mich wie ein Kind. Ein Kind, das nie erwachsen wurde.«

      Urplötzlich springt sie auf und ihre Stimme wird lauter, die Worte purzeln nur so heraus. »Wisst ihr noch, wie sich der Sand angefühlt hat? Ihr konntet ihn fühlen, obwohl nichts da war.« Ich nicke. »Und der Skorpion? Als du nach ihm getreten hast, hast du ihn berührt, nicht wahr? Du hast es gespürt. Aber als du«, nun deutet sie auf Ramzy, der zusammenzuckt, »den Liegestuhl nach Buster geworfen hast, ist er glatt durch ihn durchgegangen. Hat euch das nicht gewundert?«

      »Ja?«, sagen wir beide zögerlich. Klar habe ich mich darüber gewundert, aber ich habe mich die letzten zehn Minuten pausenlos gewundert. Da fiel das auch nicht mehr groß ins Gewicht.