Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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ihrer Kutsche geschleppt. Bei Nacht und Nebel. Und ob sich darin etwas von Wert befand, würde sich erst zeigen müssen.

      Der Concierge überdachte Benedicts Angebot und nickte endlich. »Gut. Das ist eine billige Unbill.«

      Benedict schaute ihn verständnislos an. Eva lächelte. Kein Wunder, der junge Mann pflegte wirklich eine wunderliche Ausdrucksweise. Monsieur Gisberts Blick ruhte derweil auf ihr. Vielleicht erwog er ja doch ihr Angebot zur Bereicherung der abendlichen Unterhaltung.

      »Nun, ich werde Ihnen das Gepäckstück bringen lassen, sobald es eingetroffen ist. Dann werden wir sehen.« Er betätigte die Klingel auf dem Tresen, und ein Junge kam herbeigelaufen. »Hänschen wird Ihr Gepäck hinaufbringen. Der Lift ist dort nebenan.« Er wies den Gang entlang, aus dem der Junge herausgekommen war.

      »Ah, eine Kleinigkeit noch …«, hob Benedict an und warf einen schnellen Blick zur Eingangstür. »Es mag sein, dass sich ein Herr nach uns erkundigt. Ein Franzose. Es wäre gut, erführe er nichts von unserer Anwesenheit.«

      »Wie Sie wünschen – Mylord.«

      Der Page öffnete ihnen die Tür und stellte die Reisetasche ab. Benedict wühlte in seiner Jacketttasche und fand noch eine Münze, die er dem Jungen in die Hand drückte. Mit einer Verbeugung schloss dieser die Tür hinter sich.

      Eva sah sich um. Zierliche Sessel, eine Kommode, ein passender Tisch boten allen Komfort. An den Salon schloss sich das Schlafzimmer an. Benedict war ihr gefolgt und ließ sich auf das breite Bett fallen. »Eine gute Tasse Tee könnte ich jetzt gebrauchen.«

      Eva lehnte am Fenster und sah hinaus. Der Ausblick in den Garten, fast einen Park, war malerisch; bunt blühende Rabatten, kleine Baumgruppen, rechts und links eingehegt von den Seitenflügeln des Gebäudes. Sie wandte sich zu Benedict und sah ihn an, ihren Mann, wegen dessen gefährlicher Leidenschaften sie auf der Flucht waren. Und sie dachte an Yann, ihren Fels in der Brandung des Varietés. Und nun ihr Verfolger. Was würde er tun, fände er sie? »Mir wäre ein Cognac lieber. Ich bin doch ein wenig beunruhigt, Liebster. Meinst du, wir können diesem Monsieur Gisbert vertrauen? Wenn …«

      »Nun ja«, sagte Benedict. »In der Tat wirkt er ein wenig unerfahren. Ein so junger Mann und schon Concierge …«

      Es klopfte an der Tür. Eva erschrak. Ihr Herzschlag beruhigte sich bei dem Gedanken, dass Yann sicher nicht so höflich gewesen wäre. Ein Zimmermädchen wartete vor der Tür, ein Tablett balancierend, auf dem eine Kanne, zwei Tassen, Zuckerdose und Milchkännchen sowie eine halbvolle Karaffe und zwei Cognacschwenker standen.

      »Madame, ich habe Tee für Sie bereitet. Aber vermutlich ist auch eine Stärkung ganz angenehm, nach der strapaziösen Reise.« Eva trat beiseite, damit das Mädchen ihre Last abstellen konnte. Nach einem Knicks ging es wieder hinaus.

      »Was sagt man dazu …« Eva staunte.

      Benedict erhob sich von dem Bett, schenkte ihnen beiden eine Tasse Tee ein und füllte die Gläser mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Der Duft von Earl Grey und Cognac verteilte sich im Raum. »Das Hotel ist wirklich jeden Pfennig wert, das muss man sagen.« Er trank einen Schluck, stellte das Glas auf das Nachtschränkchen.

      Eva spürte dem Geschmack des Cognacs nach und beobachtete Benedict, der sich wieder auf dem Bett ausstreckte, die Ruhe selbst. So war er. Kein Gedanke mehr an Yann oder die offene Hotelrechnung, Seit sie ihn in Paris überstürzt geheiratet hatte, schien ein Problem immer zwei neue nach sich zu ziehen, aber ihr Lord genoss das Leben. Savoir-vivre eben. Da war er französischer als die Franzosen. Yann dagegen war die Zuverlässigkeit in Person. Immer hatte sie sich auf ihn verlassen können. Auch Odilon Sauvage konnte sich auf ihn verlassen. Sein Patron, und bis vor kurzem auch ihrer. Sie wusste genau, dass Yann nicht allein wegen des Geldes hinter ihnen her war, sondern weil Odilon selbst ein Auge auf sie geworfen hatte. Er würde sie zurückhaben wollen.

      Sie nahm einen großen Schluck und betrachtete ihren Lord, den Spieler und Hallodri, der im Handumdrehen ihr Herz gewonnen hatte.

      »Komm her, Darling«, er hob einladend die Bettdecke. »Beschäftigen wir uns mit erfreulicheren Dingen.«

      Am nächsten Morgen klopfte es an der Tür.

      »Ihr angekündigtes Gepäck ist eingetroffen.« Der Chauffeur trug zusammen mit einem Fuhrknecht die Kiste in den Salon. Benedict drückte beiden seine letzten Geldstücke in die Hand, damit sie gingen.

      »Ah, Gepäck aus Ägypten. Wie interessant.« Monsieur Gisbert war unbemerkt eingetreten, als die beiden Kistenträger gerade die Suite verließen.

      »Das alte Ägypten war eine außerordentliche Zivilisation«, sagte der Concierge. »Wussten Sie, dass die Pyramiden keineswegs von Sklaven erbaut worden sind, wie alle behaupten?« Er betrachtete die Kiste von allen Seiten.

      »Wer sonst sollte denn diese unliebsame Arbeit verrichten? Sklaven gab es doch im Überfluss«, erwiderte Benedict ruppig. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand in seinem Fachgebiet wilderte, obgleich er selbst darin nur dilettierte. Und ein Concierge, soweit kannte Eva ihren Lord inzwischen, gehörte nicht zu den raren Spezialisten, deren Urteil Benedict würdigte.

      Monsieur Gisbert zündete sich eine Zigarette an und zog daran. Den Rauch ausstoßend, antwortete er abwesend: »Wer sonst sollte solch gigantische Bauwerke errichten, Bauwerke zu Ehren eines Königs und Gottes, wenn nicht freie Menschen mit freiem Willen?« Er streifte den Aschekegel über einem Bakelitdöschen ab, das er in der anderen Hand hielt. »Natürlich waren Sklaven im Altertum die Basis der Wirtschaft, in Ägypten, wie fürderhin im alten Griechenland oder Rom. Auch in Karthago, dem Erbfeind der Römer, bildeten Sklaven einen Wirtschaftsfaktor. Haben Sie sich einmal mit den Karthagern befasst? Nein? Welch Frevel! Hier wurde in nuce vieles schon gedacht und gemacht, was die moderne Wissenschaft stets dem Genius der Griechen oder Römer zuschreibt. Welch Fehlung! Vielmehr waren es doch die Karthager, die Schiffe am Fließband produzierten! In diesen Tagen wären Kaiser Wilhelm und Großadmiral Prinz Heinrich von Preußen gut beraten, sich eingehend mit den Fertigkeiten der Karthager zu befassen, ja, sogar über den Schiffbau hinaus! Hannibal und seine Kesselschlacht bei Cannae zum Beispiel, davon konnte auch ein Helmuth von Moltke lernen.«

      »Können Sie uns freundlicherweise beim Öffnen der Kiste behilflich sein?«, unterbrach ihn Eva. Benedicts wissenschaftliche Exkurse stillten ihren Bildungshunger bereits ausreichend.

      »Dann wollen wir einmal sehen …« Der Concierge rüttelte am Deckel, der sich keinen Millimeter bewegte.

      Eva hatte sofort erkannt, dass das so einfach nicht sein würde. »Können Sie uns eine Brechstange, einen großen Schraubenzieher oder dergleichen besorgen? Und eine Zange.«

      »Sehr wohl, Lady Pace«, sagte der Concierge.

      »Und wenn nicht kostbare Artefakte«, murmelte Benedict, als sich die Tür hinter Monsieur Gisbert geschlossen hatte, »dann liegt da vielleicht eine Mumie drin.«

      Am Nachmittag brachte Monsieur Gisbert eine Brechstange, und Benedict machte sich sogleich ans Werk. Dicht an dicht reihten sich die Nägel auf dem Kistenrand, für die Ewigkeit verschlossen, schien es Eva. Nun, angesichts ihres Transports über Tausende von Kilometern kein Wunder. So sehr sich Benedict aber auch mühte – die Kiste blieb verschlossen. »Und jetzt?«, fragte er.

      Eva zuckte hilflos die Schultern.

      Es klopfte. Eva schrak zusammen. Himmel! Kam das aus der Kiste? Ah, nein, es war nur an der Tür, das Zimmermädchen meldete, Monsieur Gisbert habe eine Nachricht für sie; sie möchten sich bitte hinunterbemühen.

      Der Concierge sah ihnen entgegen. »Ein Franzose war hier und hat sich nach Ihnen erkundigt.«

      Eva und Benedict wechselten einen Blick. Yann. Der Teufelskerl hatte sie gefunden.

      »Er ist gegangen«, sagte der Concierge und schüttelte sich eine Zigarette aus einem braunen Päckchen. »Ein unangenehmer Mensch mit schauerlicher Redensart. Er meinte, ein Gepäckstück sei doch für Sie eingetroffen. Ich indes erklärte, nichts dergleichen zu wissen. Nun, Gustav hat ihn nach- und eindrücklichst hinausgeworfen.«

      Eva