Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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Komfort.«

      Und für den Chauffeur, dachte Eva angesichts des verklärten Blicks des Fahrers. Allerdings könnte er bei der Pflege seiner Uniform größere Sorgfalt walten lassen. Sie musterte den Ölfleck, der auf seinem Ärmel prangte.

      »Ein Freund von mir fuhr einen Typ B«, meinte Benedict und umrundete den Wagen.

      Der Chauffeur nickte anerkennend. »Das Modell wurde vor zwei Jahren Alpensieger in Österreich. Unser Wagen ist erst ein Jahr alt, Baujahr 1912, und natürlich eine ganz andere Klasse.«

      Benedict pflichtete ihm bei. »Respekt.«

      Gustav nickte ein weiteres Mal. Er räusperte sich. »Folgen Sie mir bitte. Unser Concierge, Monsieur Gisbert, wird Ihnen weiterhelfen.«

      Ihnen war nicht zu helfen, befürchtete Eva. Mit einem letzten Blick auf die still in der Sonne liegende Zufahrt betrat sie am Arm ihres Gatten das Hotel.

      Rotgoldgestreifte Tapeten, zwischen den großen Bleiglasfenstern Sessel mit passendem Samtpolster, kleinere Sessel um runde Tischchen aus dunklem Holz. Von der Decke hingen zwei Kristallleuchter, die im einfallenden Sonnenlicht funkelten. Der schwere Orientteppich dämpfte ihre Schritte.

      Hinter dem Tresen stand ein junger Mann, etwas vornübergebeugt, und las. Allerdings nicht in dem großen aufgeschlagenen Folianten vor ihm, sondern in einem daraufliegenden Buch. In einem Aschenbecher glomm eine filterlose Zigarette und schickte eine Rauchfahne zur Decke. Als er die Gäste bemerkte, schlug er das Buch zu und schob es beiseite. The Innocence of Father Brown konnte Eva den auf dem Kopf stehenden Titel entziffern und Chesterton, als sie vor dem Tresen stand. Ein englischsprachiger Roman, wie es schien; von dem Autor hatte sie allerdings noch nichts gehört. Der junge Mann strich sich seinen Schnauzer glatt. »Willkommen in unserem bescheidenen Etablissement, Monsieur, Madame.«

      Wie alt mochte er sein? Zwei-, dreiundzwanzig Jahre? »Sie sind Franzose?«, fragte Eva auf Französisch und dachte an Yann. Hoffentlich fand der in diesem Concierge keinen Verbündeten. »Schon der Chauffeur erweckte den Eindruck …«

      »Mais non!«, erwiderte der Concierge. »Aber wir bemühen uns, la culture française et le savoir-vivre zu verbreiten. Sie sind aus dem Lande des Grand Napoléon?«

      Eva lächelte. »Ich bin aus Köln, habe aber lange in Paris gelebt.«

      Monsieur Gisbert lächelte wohlwollend zurück. »La cité de l’amour, wie überaus erwärmend. Aber ohne seinen Dom gibt es für einen Kölner ja kein Wohlsein.«

      »Haben Sie ein Zimmer für uns?«, unterbrach Benedict ihr Geplauder. »Für drei Nächte …«

      Monsieur Gisbert nickte verbindlich und schlug eine Seite im Folianten um; sein Zeigefinger glitt die beschriebenen Zeilen entlang. »Hm, ein Zimmer ist nicht mehr frei. Ich bedaure sehr.« Dann blickte er auf, schwieg und musterte erst Benedict, kurz, dann Eva, eingehend.

      Eva hielt seinem Blick stand, da war sie anderes gewohnt. »Oh, Monsieur, wie kann das sein?« Sie sah sich um. »Es ist niemand hier!«

      Der Concierge nickte. »Wir haben gerade elektrisches Licht bekommen, die Arbeiten werden erst heute abgeschlossen. Daher nein, kein Zimmer. Doch unsere Kaisersuite hat einen wunderbaren Blick in den Garten. Ja. Ich denke, die ist angemessen.« Er wirkte so zufrieden, als hätte er sie mit den eigenen Händen für sie errichtet.

      »Sie befindet sich in der oberen Etage. Und wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise dienlich sein kann, so lassen Sie es mich wissen. Das Haus steht ganz im Dienste seiner Gäste; kein Ding ist unmöglich.«

      »Das ist sehr freundlich.« Eva war erleichtert. Hoffentlich mussten sie die Suite nicht vorab bezahlen …

      »Wenn Sie mir noch Ihre Namen …«

      »Of course – äh, ja, natürlich. Mein Name ist Benedict Cyril Pace, und das ist meine Frau Eva.« Er legte den Arm um sie. Vielleicht wegen der Blicke, mit denen der Concierge sie bedachte. Doch. Ganz sicher wegen der Blicke.

      »Lord Benedict Pace«, ergänzte Eva und verstummte abrupt. Warum ließ sie sich so ablenken von diesem sonderbaren Mann? Natürlich hätte Benedict besser einen falschen Namen angegeben, aber nun lag das Kind im Brunnen.

      »Oh, ein Lord als Gast bei uns.« Der junge Concierge sah beeindruckt aus. »Wie schön. Eine Kleinigkeit noch …« Er trug ihre Namen schwungvoll in das Buch ein, dann sah er sie beflissen an. »Bei uns ist es üblich, füglich im Voraus zu zahlen. Acht Mark und achtzig Pfennig die behagliche Nacht.« Monsieur Gisbert sah sie mit erhobenen Brauen an. »Bar oder mit Scheck?«

      Der Preis an sich war in Ordnung; er lag sogar unter dem, was man in Paris für ein vergleichbares Etablissement zu zahlen hätte. Aber es war dennoch zu viel. Sie hätten sich momentan noch nicht einmal den Abstellraum in einer schäbigen Pension leisten können.

      »Natürlich. Sofort.« Benedict griff in die Innentasche seines Jacketts, die Hand kam indes leer wieder heraus. »Well, sagen Sie, logiert eigentlich Baron Auerbach noch hier? Er war es übrigens, der uns Ihr Hotel empfohlen hat.«

      »Wie überaus weitsichtig von ihm. Ja, in der Tat, der Herr Baron ist unser Gast.«

      »Er ist ein alter Freund meines Vaters. Ich würde ihn gern begrüßen, ist er im Hause?«

      »Bedaure.«

      Das war schlecht. Eva ahnte, dass Benedict wegen der Hotelrechnung auf den Baron gesetzt hatte.

      »Wann kommt er zurück?«, fragte Benedict.

      Monsieur Gisbert hob bedauernd die Hände. »Er pflegt seine Abtrünnigkeiten nicht zu erläutern.«

      »Wie bedauerlich.«

      Der Concierge faltete die Hände. »Wenn Sie mir nun mitteilen würden, wie Sie die Rechnung zu begleichen gedenken, stelle ich Ihnen flugs die Quittung aus. Drei Nächte im Voraus? Das macht summa summarum sechsundzwanzig Mark und vierzig Pfennige. Wäre das genehm?«

      »Ja, doch, sicher.«

      »Sie zahlen in bar?«

      »Ja, aber können wir das vielleicht später erledigen? Wir sind wirklich sehr erschöpft von der Reise.«

      »Tut mir aufrichtig leid, Mylord. Aber ich bin angehalten, für die prompte Begleichung der Rechnung Sorge zu tragen.« Die Stimme des Concierge ließ keinen Spielraum für Kompromisse.

      »Lieber Monsieur Gisbert«, gurrte Eva mit einem Augenaufschlag, der das ewige Eis zum Schmelzen bringen würde, »mein lieber Monsieur Gisbert, können Sie nicht eine Ausnahme machen? Sie lieben Frankreich, das spüre ich; Paris, kennen Sie Paris?«

      Der Concierge verneinte.

      Eva beugte sich zu ihm über den Tresen. »Wissen Sie, ich war in Paris eine bekannte Sängerin, vielleicht kann ich hier ja eine Kostprobe geben, quasi als Anerkennung Ihrer Großmut … Gleich heute Abend zur Freude Ihrer Gäste … Was meinen Sie? Ein Auftritt, quasi als Anzahlung für die erste Nacht?«

      Monsieur Gisbert zögerte einen Augenblick, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. »Bedauere, ich habe meine Anweisungen … Dergleichen ist nicht zutunlich. Wir sind ein sehr besonderes Haus.«

      »Und ich bin eine sehr, sehr besondere Künstlerin …« hauchte Eva und schob ihren Busen vor.

      Monsieur Gisbert schaute unbeeindruckt in sein Buch. »Vielleicht haben Sie etwas anderes von Wert, was Sie als Pfand hinterlegen, dann könnte ich eines meiner Augen zudrücken.« Er musterte zweifelnd die Reisetasche, die, das musste Eva einräumen, verschlissen und wenig vielversprechend wirkte. »Aber Sie reisen offenbar mit sehr kleinem Gepäck.«

      Benedict wiegte den Kopf. »Nur für den Moment. Zu dumm, das Baron Auerbach nicht da ist, er könnte für uns bürgen. Aber vielleicht können Sie sich ein wenig gedulden. Wir erwarten noch ein größeres Gepäckstück. Aus Paris. Ich hoffe, es ist kein Problem, dass wir es an dieses Hotel adressiert haben. Es ist recht sperrig. Darin befinden sich aber einige Dinge von großem Wert.«