Название | Verbot, Verfolgung und Neubeginn |
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Автор произведения | Helmut Reinalter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706561495 |
„Hochgeborner Graf!
Am Tage nach Ablauf meiner gehorsamsten Anzeige vom 25ten d. Mt. Zahl 49/gP erhielt ich auch vom Kreishauptmann in Botzen den Bericht über den daselbst affigirten aufrührerischen Anschlag, und am heutigen Tage das Resultat der diesfalls zu Entdeckung des Thäters getroffenen Verfügungen. Der größte Verdacht dieser That fällt nach dem Berichte des genannten Kreishauptmannes auf den Landgericht Kanzellisten zu Carneid Joseph Jacob, der dem Kreishauptmann selbst das erste Exemplar dieses Aufrufes als auf seinen Gang zur Kirche aufgefunden überbrachte, und am 23ten d. Mt. den Aufsatz, oder eine Abschrift hievon in der Kanzlei verlor, welche sogleich dem Kreishauptmann überbracht wurde, und wenn gleich mit deutschen Lettern geschriben, doch viele Schrift – Aehnlichkeit mit den ausgestreuten Exemplaren hat. Auf übereinstimmende Ansichten des k.k. Collegialgerichts Botzen wurde auch die Criminal Prozedur gegen gedachten Jacob beschlossen, und derselbe dem Criminalgerichte übergeben. Indem ich Euer Excellenz hievon in Kenntniß zu setzen nicht ermangle, füge ich zugleich die beruhigende Versicherung bei, daß nirgends – als in Botzen, derlei Aufruhr angeschlagen wurden, und behalte mir bevor, Euer Excellenz das Resultat der diesfälligen Untersuchung nachträglich vorzulegen.
Ich geharre mit ganz vorzüglicher Verehrung
Eurer Excellenz
Gehorsamster Diener
Graf Stoten
Innsbruck am 28.ten März 1821
An Seine des Herrn Präsidenten der k.k. Polizey-Hofstelle Grafen v. Sedlnitzky Excellenz.“103
In einem weiteren Schreiben an den Polizeiminister heißt es, dass gegen Jacob keine Gründe zu einer Kriminaluntersuchung bestehen. In der Voruntersuchung stieß man allerdings auf mehrere aufrührerische Schriften, die auf die angebliche „Kommission der Carbonari für Tyrol“ hinweisen:
„Lieber Graf Sedlnitzky! Das Tyroler Appellationsgericht hat dem obersten Gerichtshofe am 7ten Julius 1821 die Voruntersuchungsakten wider den Kanzellisten des Landgerichtes Karneid, Jakob, wegen Hochverraths, eingesendet, und der oberste Gerichtshof hat sowohl, wie das Trienter Kollegialgericht, und das Tyroler Appel. Gericht einstimmig gefunden, daß gegen denselben keine gesetzlichen Inzichten zu einer Kriminaluntersuchung bestehen. Da sich nun diese Voruntersuchung aus mehreren gefundenen aufrührerischen Affichen mit der Unterschrift: ‚Die Kommission der Carbonari für Tyrol‘ entspann, und der Verfertiger oder Verbreiter dieser aufrührerischen Zettel noch nicht entdeckt zu seyn scheint; so werden Sie Mir umständliche Anzeige erstatten, ob – und was hierwegen im Polizeiwege vorgekehrt worden sey, und welches Resultat sich hieraus ergeben habe?
Baden den 18ten September 1821.
Auf allerhöchsten Befehl Seiner Majestät.
EH Ludwig.“104
Diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass der Geheimbund der Carbonari bei den Polizeiuntersuchungen in der Habsburgermonarchie nach 1815 eine gewisse Rolle spielte.
Unter diesen schwierigen politischen Bedingungen waren die Freimaurer gezwungen, auf verschiedene Möglichkeiten von Deckorganisationen zurückzugreifen, wie z.B. auf die „Wildensteiner Ritterschaft auf blauer Erde“105, die auf Schloss Seebenstein ansässig war und der auch Erzherzog Johann angehörte. Die Farbe „blau“ weist hier auf die Johannisfreimaurerei hin.106 Im Jahre 1823 wurde sie von Staatskanzler Metternich wegen ihres liberalen Charakters aufgelöst. Die Ritterschaft wurde von Anton David Steiger, Edler von Amstein gegründet. Er pachtete 1788 die Burg Seebenstein und begann sie zu renovieren. Er pflegte eine enge Freundschaft mit Ignaz von Born, der bereits zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“ und deren Stuhlmeister war. Born förderte Steiger und empfahl ihn Kaiser Joseph II.107 Metternich war ein Anhänger von Verschwörungstheorien, sodass Polizeibeamte den Auftrag erhielten, sich in Logen des benachbarten Deutschland aufnehmen zu lassen, um die österreichischen Mitglieder der Freimaurerei enttarnen zu können. Unter Kaiser Franz II. wurde sogar der Amtseid eingeführt, wonach kein Staatsbeamter einer geheimen Gesellschaft angehören dürfe. Die Polizei kontrollierte auch Broschüren, Bücher und Schriften mit freimaurerischem Inhalt. Polizeiminister Josef Graf von Sedlnitzky übergab ihm zugespielte Broschüren dem Zensor, der in einem Bericht die Freimaurerei als „Durchbruch eines kranken Gehirns“ bezeichnete. Bei dieser schrankenlosen Herrschaft der Geheimpolizei, die im Vormärz ihre Fortsetzung fand, musste sich jede Geheimorganisation, auch die Freimaurerei, im Untergrund organisieren, wobei nun vor allem die politischen Geheimbünde stärker in Erscheinung traten, während die Freimaurerei diese reaktionären Aktivitäten eher aus der Distanz betrachtete.108
2. Die politische Entwicklung in der Habsburgermonarchie nach 1815 und Metternich
Die Eigenart und Bedeutung der Restauration und des Vormärz in der Habsburgermonarchie manifestierten sich am deutlichsten in der zum Teil widersprüchlichen Tendenz zur progressiven Entwicklung und restaurativen Beharrung und im Spannungsfeld zwischen Staat und Gesellschaft. Diese Entwicklung war in der Habsburgermonarchie vor allem geprägt durch die gesellschaftliche Umwälzung von der feudalen zur bürgerlich-kapitalistischen Ordnung. Dazu verhinderte noch ein stark ausgeprägtes Überwachungssystem die ideologisch-politische Diversion. Die neue Generation von liberal Denkenden und Freiheitskämpfern erlebte eine bittere Enttäuschung, da die alten Herrschaftsstrukturen in der Restauration erhalten blieben und teilweise sogar gefestigt wurden. Diese Enttäuschten schlossen sich ab 1815 in Geheimzirkeln zusammen, um Wege und Möglichkeiten zu finden, ihren Staat zu erneuern. Hier waren besonders die Universitäten, aber auch Geheimgesellschaften Zentren des liberalen bis demokratischen Radikalismus, die deshalb auch von Staatskanzler Klemens Wenzel Lothar Graf von Metternich einer strengen Kontrolle unterzogen wurden. Metternich störte vor allem der Freiheitsgedanke, der von den Burschenschaften und den Geheimgesellschaften ausging. Kaiser Franz I. scheint sich allerdings erst seit dem Wartburgfest mit diesem Problem näher beschäftigt zu haben, da er den Polizeikommissar Sicard nach Jena und Eisenach sandte, um dort Informationen über das Wirken der deutschen Burschenschaft einzuholen.109
Besonders schwer traf Metternich die französische Julirevolution von 1830, die auf Europa großen Einfluss ausübte. Metternich bezeichnete sie als Durchbruch eines Dammes in Europa. In der Tat setzte nach 1830 auch in Österreich eine breitere soziale Protestbewegung ein, die auch fast alle deutschen Teilstaaten erfasste. Metternich, der sehr klare Vorstellungen über den Kampf gegen die Revolution und Geheimgesellschaften entwickelt hat, formulierte seine „Verschwörungstheorie“ und negative Einstellung zu den Ereignissen vorwiegend in Briefen und Berichten.110 Revolutionäre Ideen und Freiheitsgedanken der Freimaurerei waren für ihn stets hohle, nicht realisierbare Versprechen. „Alle Revolutionen sind Lügen“ und zu ihnen „gehört das Verheißen der wohlfeilen Regierung“. Revolutionen werden in seiner Auffassung durch gezielte Agitation verbreitet.111 Die Revolution – für ihn war die allgemeine Situation nach dem Wiener Kongress eine revolutionäre – verglich er mit einer schleichenden Krankheit, die das Volk vergifte und stets zu heftigen Fieberausbrüchen führe.112 Durch die Juli-Revolution in Frankreich verstärkte sich seine Ablehnung gegen revolutionäre und demokratische Bewegungen, in dem er betonte, dass der Thron des Bürgerkönigs auf dem republikanischen