Geschichtsmatura. Christian Pichler

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des Gelingens einer Reflexion darüber die Entwicklung praktikabler didaktischer Konzepte, Ansätze einer Individualdiagnostik und das Ermöglichen professioneller Systemevaluation. Daher versteht FUER die Niveaubeschreibungen nicht als Endpunkt der Kompetenzentwicklung, sondern als Türöffner für den Weg der Kompetenzorientierung in die Unterrichtspraxis.390 Die Graduierungstheorie hat die Kompetenzbereiche, Orientierungs-, Methoden- und Sachkompetenz konkretisiert. Das wird nachfolgend dargestellt.

Parameter Niveaustufe I Niveaustufe II Niveaustufe III
Formale Logik der Niveau-Unterscheidung basal intermediär elaboriert
Konkrete Logik der Niveau-Unterscheidung a-konventionell konventionell trans-konventionell
Definition Keine Kenntnis von Konventionen, keine Standardisierungen Kenntnis und Nutzung der Konventionen, es gibt Standardisierungen Hinterfragen und Überschreiten von Konventionen
Indikatoren Spontanität, fehlende Systematik Anwendung gängiger Methoden und Muster Eigenständigkeit, Plausibilität
Überprüfung keine Standardisierte Aufgaben samt Erwartungshorizont Nicht standardisierte Aufgaben

      Tabelle 1: Logik der Niveau-Unterscheidung (Quelle: Körber et. all.: Kompetenzen, S. 465).

      Die Orientierungskompetenz weist auf den tieferen Zweck historischen Denkens hin. Sie beschreibt Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, mentale Vorgänge lebensweltlich wirksam zu machen. Das manifestiert sich in der Identität des Individuums, die sich dessen Gegenwärtig-Sein verdeutlicht. Kann sich der Mensch in ein Kontinuum einordnen und den eigenen Standort bestimmen, den anderer reflektieren und kritisch nachdenken, was sein Tun in Gegenwart und Zukunft bewirkt, dann verfügt er über Orientierungskompetenz.391 Körber meint, in diesem Fall gelinge es, Erkenntnisse nutzbar zu machen und den Schritt vom „[…] case-knowledge zu operablem Wissen“392 zu tun. In der Logik des Kompetenz-Strukturmodells ist „Orientierung“ zwar das finale Produkt mentaler Prozesse historischen Denkens, das bedeutet aber nicht, dass diese Kompetenz „höherwertiger“ ist, zumal Orientierung bei jeder Anwendung jeder Art von Kompetenz auf jeder Stufe der Entwicklung erfolgt. Der Graduierungsparameter ist daher, „[…] in welcher Art und mit welchem Reflexionsgrad derartige Bezüge hergestellt werden“.393 Orientierungskompetenz verlangt nicht die permanente Revision eigener Geschichtsbilder, aber eine reflektierend-kritische Haltung samt der Bereitschaft, bei plausiblen neuen Einsichten, Änderungen vorzunehmen. Auch eine begründete Nicht-Änderung ist Ausdruck hoher Kompetenz.394 Es werden vier Teilkompetenzen unterschieden:

      Re-Organisation des Geschichtsbewusstseins:

      Dabei handelt es sich um die „Kompetenz zum Umbau des Geschichtsbewusstseins“.395 Sie kann sowohl Folge der Bearbeitung historischer Fragen (methodengeleitete Erkenntnis) als auch einer Metareflexion (z. B. Diskussion) sein. Beide Vorgänge können zu Ergänzungen, Erweiterungen und Differenzierungen des Geschichtsbewusstseins führen. Ihre Anwendung, dürfte eine Zunahme der Fähigkeit des selbstständigen Umgangs mit historischen Fragestellungen und zur Analyse lebensweltlicher Erfahrungen bewirken. Entscheidend für den Grad der Kompetenzentwicklung ist die Bereitschaft zu Veränderung und die Beherrschung von Mechanismen der Umstrukturierung eigener Geschichtsvorstellungen.396

      Das „Nullniveau“ beschreibt die völlige Unfähigkeit und die fehlende Bereitschaft, das Geschichtsbewusstsein zu revidieren. Das kommt de facto nicht vor, denn bei jedem Denkvorgang über Vergangenes oder Geschichte gibt es automatisch Abläufe des Ineinandergreifens von Denkprozessen mit eigenen Erfahrungen. So entstehen „subjektive Geschichten“,397 die bereits über dem „Null-Niveau“ angesiedelt sind. Auf „basalem Niveau“ besitzt man die Erkenntnis, dass historisches Denken Auswirkungen hat, wobei Denkprozesse weitgehend folgenlos bleiben. Gesellschaftlich anerkannte (Denk-)Verfahren werden nicht in Anspruch genommen, die mentalen Prozesse verlaufen unsystematisch und spontan, situativ, vielfach zufällig. Aber es ist die grundsätzliche Fähigkeit und Bereitschaft erkennbar, Erkenntnisse aus historischem Denken mit dem eigenen Repertoire an Prinzipien, Kategorien, Konzepten und Verfahrens-Scripts in Beziehung zu setzen, also Geschichtsbewusstsein zu verändern. Auf „intermediärem Niveau“ suchen Denkende aktiv nach anerkannten Verfahren und sind bereit, sich diese anzueignen, sie zu erschließen und nicht-konventionelle Vorstellungen durch konventionelle zu ersetzen, sowie darüber zu kommunizieren. Eine Revision des Geschichtsbewusstseins erfolgt nach konventionellem Muster (z. B. durch Lesen von Fachliteratur, Nutzung von Expertenwissen, anerkannten Institutionen etc.). Auf diesem Niveau sind Menschen in der Lage, historische Fragen zu beantworten, sich in der Vergangenheit zurecht zu finden und Orientierung für Gegenwart und Zukunft zu lukrieren. „Elaboriertes Niveau“ weist die Fähigkeit nach, auf der Basis bestehender Erkenntnisse, Geschichtsbewusstsein selbstständig um neue Dimensionen zu erweitern, die eingeübten Formen des Lernens zu überschreiten und so in einen Bewusstseinszustand zu geraten, in dem gesellschaftliche Konventionen das Denken nicht mehr dominieren. Deren Überschreiten hat um der Erkenntnis willen zu geschehen. Zudem bedarf es der Bereitschaft, sein Geschichtsbewusstsein auch auf die Gefahr hin zu verändern, dass das Ergebnis der Forschungen keine Anerkennung findet. Körber weist darauf hin, dass dieser Grad der Fähigkeit Geschichtsbilder zu re-organisieren hauptsächlich in der Geschichtswissenschaft und bei geschichtskulturellen Be- und Verarbeitungsformen historischer Fragen vorgefunden wird. Elaboriert ist der Umgang mit einem historischen Thema auch dann, wenn daraus Fragestellungen erwachsen, aus denen „[…]eigenständige, neue, die gesellschaftliche Diskussion erweiternde Konzepte und Kategorien entstehen und für das eigene (wie das gesellschaftliche) Handeln Bedeutung erlangen können […]“.398 Das betrifft auch den Umgang mit Geschichtspolitik, Erinnerungskultur, Vergangenheitspolitik etc.399

      Revision des Welt- und Fremdverstehens:

      Die Teilkompetenz „Welt- und Fremdverstehen“ beschreibt die Fähigkeit und Bereitschaft, konkrete Vorstellungen über Vergangenheit, Zusammenhänge in der Vergangenheit und zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überprüfen und die daraus erwachsenen Geschichtsbilder eventuell zu revidieren. Dazu ist es nötig zu erkennen, welche Operationen zu eigenen Urteilen geführt haben und wie die Beziehung zwischen altem und revidiertem Geschichtsbild aussieht. Auch in diesem Fall bestimmt nicht eine vermeintliche Qualität des Geschichtsbildes das Niveau, sondern die Bereitschaft, die Revisionsnotwendigkeit von Vorstellungen aufgrund neuer Erkenntnisse als Haltung sich zu eigen zu machen. Das gelingt, wenn der Denkende um die Historizität der bis dahin dominanten Geschichtsauffassung weiß. Die Konfrontation mit eigenen Werten und Normen, persönlichen Vorstellungen über Vergangenheit und Gegenwart, eigenen Handlungsweisen und mit dem Verständnis für deren Geworden-Sein im Zuge der Sozialisation ist die Voraussetzung dafür, eine Haltung prinzipieller Revisionsbereitschaft für Geschichtsauffassungen aufzubauen.400 So könne man „[…]zu einem eigenen Verhältnis zwischen Anerkennung des Vergangenen und sicherem gegenwärtigen Urteilsvermögen gelangen“.401

      Auf „Nullniveau“ findet keine Veränderung des Urteils über Welt und Menschen durch neue Erkenntnisse, keine Differenzierung und somit kein (historisches) Denken statt. Auf „basalem Niveau“ gibt es kleinere Änderungen, etwa durch additive Erweiterung des Wissens, verbunden mit raschen Urteilen.402 Es entsteht zwar ein „[…] Spannungsverhältnis