Название | Free Zone |
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Автор произведения | Charles Platt |
Жанр | Языкознание |
Серия | Memoranda |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948616472 |
Manche Leser fanden solche Sachen unbefriedigend oder gar anstrengend. Theoriebasierte Fingerübungen wollten sie nicht lesen. Sie wollten eine unkomplizierte Geschichte, die ihnen eine von Zweifel unbehelligte Lektüre ermöglichte. Ich kann ihre Einstellung gut verstehen, denn einige meiner Lieblingsromane sind sehr konventionell geschrieben. Doch reizte mich eben auch das Spiel mit den Verfahren des Schreibens – und ich dachte mir, es sollte möglich sein, beides zu tun. Warum also nicht Metafiktion, die zugleich eine gute, lesbare Story ist?
Das Erzählverfahren ausloten
Mein erster Roman, Garbage World, war kein ambitioniertes Buch, doch es mischte die traditionelle Erzählweise insofern mit etwas bewusster Selbstbeobachtung, als es humorvolle Anspielungen auf Traditionen der Science Fiction und zwanghaft Bücher sammelnde Fans brachte.
Ein anderer Roman von mir, betitelt Planet of the Voles, war sogar noch weniger ambitioniert. Dies Buch schien nur eine schlichte Abenteuergeschichte zu sein, doch hatte ich Spaß daran, es mit freudianischer Symbolik vollzustopfen, die jahrzehntelang bewusst oder unbewusst in der Science Fiction benutzt worden war und von den Gestaltern der Magazin-Cover ausgeschlachtet wurde.
Die Warum-Fragen tauchen immer wieder auf, weil das »Warum« ein häufiger Einwand gegen Metafiktion ist. Warum schraubt jemand am Erzählverfahren herum? Was soll das?
Ein paar Begründungen habe ich schon angeführt, es folgen noch einige mehr:
Für manche Autoren und Leser wird geradliniges Geschichtenerzählen mit der Zeit langweilig. Ballard sprach gern verächtlich vom »leidigen Verfahren«, Figuren herumzubewegen und sie miteinander reden zu lassen.
Einige Autoren haben Spaß an Spielereien. John Sladek, dessen Werk ich überaus schätze, ist wahrscheinlich das beste Beispiel. Doch auch dessen alten Freund Thomas M. Disch verlockte es in die Richtung, und er strukturierte seinen Roman 334 nach einem von Sladek angeregten System.
Was mich angeht, so bin ich einfach fasziniert von den verschiedenen Weisen, in denen Autoren tun, was sie tun. Ich möchte immer wissen, wie Erzählen funktioniert und wie eine Erzählung aufgebaut ist. Ich veröffentlichte sogar zwei Bücher (Dream Makers und Dream Makers II), in denen ich Autoren nach ihrem Vorgehen beim Schaffen von Erzähltexten befragte.
Ich war überzeugt, ich könnte einen Roman schreiben, der die gesamte Liste meiner 43 Begriffe enthält, und auch davon, dass dieser einen doppelten Zweck erfüllen könnte. Obschon manche Leser nicht willens zu sein schienen, sich mit Metafiktion abzugeben, würde es sie sicherlich interessieren, wie das Buch so disparate Ideen wie Zeitreisen und Alternativwelten zusammenbringt. Und ich hoffte, sie dadurch zu gewinnen, dass ich eine actiongeladene und unterhaltsame Geschichte erzählte.
Das einzige Problem war, für ein solches Projekt einen geeigneten Verlag zu finden. Ich konnte mir nur einen vorstellen, der davon versucht sein könnte: John Douglas, der 1988 bei Avon Books tätig war.
Ein Roman mit allem drin
John und ich hegten beide eine innige Liebe zur Science Fiction und waren zugleich mit all ihren Traditionen und Klischees sehr vertraut. Ich rief ihn an, um mich selbst zu einem Business-Lunch einzuladen. »Ich habe eine Idee, der du, glaube ich, nicht wirst widerstehen können.«
In einem chinesischen Restaurant in der Innenstadt, an einem runden Tisch mit weißem Tischtuch, gab ich John meine Liste. »Ich habe vor, all diese Begriffe in einem Roman unterzubringen«, sagte ich. »Wir können ihm den Untertitel ›Der einzige Science-Fiction-Roman, den Sie jemals lesen müssen‹ geben. Weil alles drin sein wird.«
In der folgenden halben Stunde versuchte John aus Spaß, irgendeinen Begriff zu finden, der mir für meine Liste entgangen war. Ich glaube, er kam auf zwei oder drei. Er strich auch ein paar meiner Begriffe, die er für nicht wichtig genug hielt. Als wir unsere Glückskekse bekamen, waren wir der Meinung, eine schlüssige und vollständige Liste zu haben.
»Aber du kannst es nicht den einzigen Science-Fiction-Roman nennen, den man jemals lesen muss«, sagte er.
Ich war bestürzt. Ich dachte, genau das wäre das schlagende Verkaufsargument.
»Wir bringen vier Titel im Monat heraus«, erläuterte John. »Die anderen Autoren sind wohl nicht glücklich, wenn wir den Eindruck vermitteln, dass man ihre Bücher nicht lesen muss.«
Na ja, damit könnte er recht haben. Also gut, vergiss den Untertitel. Die Konzeption des Buchs war immer noch einzigartig und bestechend.
John war sich da nicht so sicher. Er wollte ein Exposé sehen.
Der beleidigende Vorschuss
Das Exposé zu schreiben war schwierig, aber nicht unmöglich. Eine Woche später hatte ich es fertig. Bald darauf war John gewillt, ein Angebot zu machen.
»Eins, was ich in diesem Geschäft gelernt habe«, sagte er, »ist, dass ich, wenn ich ein idiosynkratisches Buch rausbringe, nicht viel Geld hineinstecken sollte.« Also bot er mir 2000 $. Ich glaube, das war das Minimum eines gegen Tantiemen aufzurechnenden Vorschusses, das Avon damals für Erstlingsromane zahlte.
Selbst für das Jahr 1988 war es ein beleidigend niedriges Angebot und völlig absurd, wenn man bedenkt, dass man voraussichtlich vier bis sechs Monate brauchte, um einen Roman zu schreiben. Ich erzählte ihm, dass die Konzeption meines Buchs so überaus originell sei, dass es garantiert viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen werde. Das Publikum würde neugierig gemacht und fasziniert sein. Kritikern wäre es eine Freude, die Liste meiner Begriffe durchzugehen. Wir würden reichlich Exemplare absetzen.
John war immer noch skeptisch.
Ist das zu glauben, 2000 $? Er musste einfach in der Lage sein, mehr als das zu zahlen. Selbst wenn es nur 500 $ extra wären! Nachdem ich ihm eine oder zwei Wochen lang etwas vorgemault hatte, lenkte er endlich ein. Ich würde 2500 $ bekommen.
Ich hatte noch andere Einkommensquellen, daher konnte ich es mir leisten, das Buch zu schreiben. Schlicht aus Liebe zur Sache.
Die Zutaten
Da das Buch bereits idiosynkratisch war (um Johns Ausdruck zu verwenden), beschloss ich, ein paar Situationen und Figuren einzumischen, die noch idiosynkratischer wären, einfach weil sie mir gefielen. Ich interessierte mich zunehmend für libertäre Ideologie, das Buch würde also ein libertäres Utopia beschreiben – was per se ein wiederkehrendes Motiv in der Science Fiction ist.
Die Handlung wäre in einem Teil von Los Angeles angesiedelt, den ich entdeckte, als ich einer Autorin namens Cherie Wilkerson begegnete, die zwischen dem Hollywood Freeway und dem Golden State Freeway wohnte. Zu der Zeit war es eine bescheidene, gepflegte Gegend. Ich fand sie sympathisch und stellte mir vor, dass sie sich vom Rest der Stadt abspaltete, als die USA auf das Jahr 2000 zutaumelten (das Buch wurde, notabene, 1988 geschrieben).
Ich wählte eine muskulöse Bikerbraut als Protagonistin und gab ihr einen nerdigen, fügsamen Freund zur Seite, allein aus Spaß daran, Stereotype umzukehren.
Weil ein libertäres Utopia keine Gesetze zu opferlosen Straftaten hätte, stellte ich mir vor, dass die Universal-Studios (am nördlichen Ende des Gebiets) in einen der Mafia gehörenden Vergnügungspark mit Jugendverbot umgewandelt wurden.
Ich fügte auch ein paar Motive hinzu, die mehr zur Fantasy als zur Science Fiction gehören, wie beispielsweise Barbaren aus dem hohlen Erdinnern. Damals war der Fantasyautor John Norman populär, und mir war danach, seine Bücher zu parodieren.
Das Schreiben machte eine Menge Spaß.
Abb. 2. Einband der Avon-Ausgabe.
Mikuru