Die zerbrochene Flöte. Maj Bylock

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Название Die zerbrochene Flöte
Автор произведения Maj Bylock
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711464915



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      Maj Bylock

      Die zerbrochene Flöte

      Aus dem Schwedischen

      von Birgitta Kicherer

      Saga

      1

      Brennender Schmerz durchzuckte Dans Hand, und als er sie hochhielt, rann es warm an seinem Arm hinunter. Blut!

      War das ein Messer, das da vorhin aufblitzte, oder ...? Er sah sich rasch um. Alles schwarz. Nicht einmal ein schmaler Streifen Mondlicht drang durch den Spalt der Tür, die soeben hinter ihm zugeschlagen worden war.

      Alles ringsum war finster und still, die Schritte und Flüche draußen schon verhallt. Dan trat wütend gegen die Tür. An der Außenseite war der Haken sorgfältig eingehängt. In einem Gefängnis hätte er nicht sicherer eingesperrt sein können!

      Enttäuscht sank er auf die Schwelle, streckte die Finger der verletzten Hand vorsichtig aus und spuckte auf die Wunde. Und trotzdem war ihm seine Hand im Augenblick nicht so wichtig wie das, was er an einem dünnen Lederriemen um den Hals trug.

      Vorsichtig steckte er die gesunde Hand unter den Kittel und holte einen eigenartig geformten Stein hervor, den er behutsam an der Hose abwischte und eingehend betastete, um festzustellen, ob er bei dem Sturz vorhin etwa beschädigt worden war.

      Der Stein war noch ganz! Dan verbarg ihn wieder unter seinem Kittel. Dort mußte er hängenbleiben, bis er Dan eines Tages den Weg zu dem einen Menschen gezeigt haben würde, den Dan sucht.

      Ja, der Stein würde es ihm sagen, wenn er den Richtigen gefunden hätte. Daher war der Stein auch das Wichtigste, was Dan auf dieser Welt besaß.

      Er untersuchte seinen Kerker noch einmal. Dort oben – war es dort nicht ein wenig heller? Vielleicht ein Loch in der Wand? Das mußte er feststellen. Er machte ein paar rasche Schritte, stolperte jedoch und fiel auf seine verletzte Hand.

      Au, das tat weh ...

      Er schaute zu dem hellen Schimmer empor. Die Öffnung befand sich zu hoch oben. Er reichte nicht hinauf. Aber wenn er auf etwas hinaufklettern könnte, dann vielleicht ...

      Worüber war er überhaupt gestolpert? Mit seiner unverletzten Hand tastete er über den Boden. Holz! Gespaltene Holzscheite! Dann müßte es hier drin doch auch einen Hackklotz geben?

      Dan tastete sich weiter durch die Dunkelheit. Da stand der Klotz, groß wie ein Baumstumpf und so schwer, als ob er noch mit der Erde verwurzelt wäre. Mit der verletzten Hand konnte ihn Dan nicht hochheben, er mußte den Hackklotz umkippen und rollen, das ging besser. Die Hand schmerzte, und Schweiß lief ihm über das Gesicht, als er endlich auf dem Hackklotz stand und sich der Helligkeit entgegenstreckte.

      Es war ein Loch, genau wie er es angenommen hatte. Kühle Abendluft strömte über sein erhitztes Gesicht. Die gesunde Hand bewegte sich rasch über die Wand. Die groben Holzbalken waren rauh, boten aber keinen Halt, um daran hinaufklettern zu können.

      Dan tastete das Loch noch einmal ab. Es war auch zu klein. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, irgendwie hinaufzukommen, könnte er sich nicht hindurchzwängen, obwohl er dünn und abgemagert war.

      Entmutigt ließ er sich auf den Hackklotz sinken. Das hieße also, daß er hierbleiben mußte, bis ihn jemand herauslassen würde.

      Jemand. Wer denn? Wenn es nur nicht derselbe wäre, der ihn vorhin hier eingesperrt hatte! Dan lehnte sich an die Wand und atmete den frischen Luftstrom tief ein, der aus der Öffnung oben drang. In seiner Hand pochte es hart und heftig, in seiner Brust ebenfalls.

      Wenn Jakob hiergewesen wäre, hätte er die Tür aufgerissen und den Schankwirt auf den Misthaufen geworfen, dachte Dan. Wenn ... Aber Jakob war nicht hier. Nach einer Weile wurde Dan ruhiger. Auch das Pochen in Hand und Brust ließ nach. Statt dessen begann nun der Hunger in Dans Eingeweiden zu rumoren. In der Tasche steckte noch ein Stück Brot, das nahm er jetzt heraus.

      „Dieb!“ hallte eine wütende Stimme in seinen Ohren.

      Ja, das Stück Brot war gestohlen. Und dennoch schmeckte es ihm besser, als Honig und gebackene Tauben einem Fürsten schmecken könnten. Satt wurde Dan nicht davon, aber wenigstens war der Hunger nicht mehr ganz so reißend. Jetzt nahm er auch die Geräusche draußen wieder wahr.

      Von weitem hörte er Schreie und Gelächter. Der Jahrmarkt war zu Ende. Torkelnde Bauern und ihre lachenden Frauen machten sich an Saumzeug und Deichseln zu schaffen. Die Pferde mußten angespannt werden. Es war an der Zeit, nach Hause aufzubrechen. Heute nacht würden viele Pferde den Heimweg allein finden müssen, während der Bauer im Wagenstroh seinen Rausch ausschlief.

      Die Stimmen machten es Dan noch deutlicher, wie einsam er war. Und wie so oft, wenn Einsamkeit und Schmerz angeschlichen kamen, nahm er den Stein in die Hand. Der Stein ... Der Stein würde ihm helfen, Jakob zu finden. Dann würde seine Einsamkeit endlich ein Ende haben.

      Wie jedesmal bisher verströmte der Stein Ruhe. Dan schloß die Augen und lehnte sich an die Wand. Die Laute von außen versanken, und er lauschte einer Melodie in seinem Inneren.

      Er ließ den Stein los und holte eine kleine Flöte aus seiner Tasche. Als er zu spielen begann, spürte er den brennenden Schmerz in der Hand kaum noch. Dan spielte alle Sehnsucht und Trauer, alle Angst und alles Entsetzen von sich weg.

      Dans Kopf lag auf Holzscheiten und Hobelspänen. Er träumte den immer wiederkehrenden Traum von seinem Geheimnis, dem Geheimnis des Steins.

      Da spürte er, wie jemand an seinem Hals entlangtastete und den Stein packte! Mit einem verwirrten Schrei warf er sich auf die Seite und versuchte, die Hände des Angreifers zu erwischen. Statt dessen bekam er einen kalten, behaarten Schwanz in die Hand.

      Eine Ratte – so groß wie eine Katze!

      An Ratten war er gewöhnt. Daheim in der Stadt hatte er sie häufig groß und fett Rübenschalen und andere Küchenabfälle futtern sehen. Wenn es zu Hause nichts mehr zu essen gab und sein Magen wie üblich vor Hunger knurrte, hatte er sie manchmal sogar um diese Abfälle beneidet.

      Aber eine Ratte, die einem über den Hals kroch ... Wenn er an die räudigen Pelze und nackten Schwänze dachte, wurde ihm übel. Nackte Schwänze? Der, den er gerade eben in der Hand gehalten hatte, war nicht nackt, sondern behaart. Wenn es keine Ratte war, was war es dann? Hellwach richtete er sich auf. Morgenlicht strömte durch das Loch oben unter der Decke und durch den Türspalt. Jetzt konnte er endlich etwas erkennen.

      Dort hinten in der Ecke ... Zwei glänzende braune Augen musterten ihn gespannt, als er mit einem Holzscheit in der Hand vorsichtig aufstand. Das Tier war häßlich und sah überhaupt nicht wie eine Ratte aus. Es erinnerte eher an eine Katze, hatte aber Hände anstelle von Pfoten. Das Gesicht war flach und runzlig mit einer platten Schnauze und faltiger, graugrüner Haut.

      Jetzt erkannte er es! Das war doch dieser Affe, den er gestern bei den Gauklern auf dem Jahrmarkt tanzen gesehen hatte! Der Affe war angebunden und tanzte im Kreis herum, während die Gaukler auf ihren Flöten spielten.

      Er muß ausgerissen sein, dachte Dan. Die Schnur hing ihm ja noch um den Hals. Aber wie war er hier hereingekommen?

      Er schaute rasch zur Tür. Die war noch immer fest verriegelt. Aber der Affe war klein genug, um durch das Loch unterm Dach schlüpfen zu können. Vielleicht hatte er Dan spielen hören und war deswegen hereingeklettert?

      „Komm her, kleines Äffchen“, lockte Dan und legte das Holzscheit aus der Hand.

      Der Affe scheute zurück und zwinkerte unruhig mit seinen braunen Augen. Dan streckte seine Hand aus. Doch der Affe drückte sich erschrocken in die Ecke. Da nahm Dan die Flöte und spielte ein paar Töne. Jetzt kam der Affe vorsichtig näher, und als Dan weiterspielte, begann das Tierchen zu tanzen. Genau wie auf dem Marktplatz tanzte es immer im Kreis herum. Bald kauerte es auf Dans Schulter und versuchte, die Flöte zu fangen. Die Scheu war fast verschwunden.

      Dan vergaß alles bis auf den kleinen Affen. Jetzt fand er ihn gar nicht mehr so häßlich.

      „Du bist eine richtige kleine