Adoptivkind Michaela. Marie Louise Fischer

Читать онлайн.
Название Adoptivkind Michaela
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия Michaela
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719572



Скачать книгу

für ein Schulmädchen. Seit wann kennst du ihn?«

      »Schon ’ne ganze Weile.«

      »Hat er jemals etwas von dir verlangt …«

      Seine Frau unterbrach ihn. »Nicht, Erhard. Bitte nicht.«

      »Wunderbar. Du weißt es wieder einmal besser.«

      Erhard Schneider füllt sich ein neues Glas Kognak ein und leert es in einem Zug. »Du wirst diesen Gregor Hellmer nicht mehr Wiedersehen. Verstanden?«

      »Aber — Greg kann wirklich nichts dafür, daß es so spät geworden ist. Er ist anständiger, als ihr glaubt. Er ist mein einziger Freund.«

      »Das wird ja immer schöner. Mit sechzehn braucht man keinen Freund. Und schon gar keinen Zwanzigjährigen, der sicherlich schon einiges erlebt hat … Damit du nicht in Versuchung kommst, diesen Burschen wiederzutreffen, verbiete ich dir hiermit, das Haus ohne Erlaubnis zu verlassen.«

      »Paps, ich …«

      »Michaela«, sagt Isabella sanft. »Hab Vertrauen zu uns. Wir wollen doch nur dein Bestes. Du bist noch viel zu jung, um dies alles zu verstehen. Später wirst du uns einmal dankbar sein.« Michaela sprang auf. »Dankbar? Dafür, daß ihr mich einsperrt?«

      »Kind, sei vernünftig …«

      »Schluß mit dem Gerede«, befahl jetzt Erhard Schneider laut. »Michaela, du hast dich unglaublich benommen. Ich habe zumindest etwas Einsicht von dir erwartet.

      Aber anscheinend habe ich mich auch darin getäuscht. Verschwinde jetzt in dein Bett. Ich hoffe, daß du morgen früh vernünftiger bist.«

      Mit Tränen in den Augen sah Michaela ihre Eltern an. Dann drehte sie sich ohne Gruß um und rannte aus dem Zimmer.

      Am nächsten Morgen läutete es kurz vor neun an der Schneiderschen Villa. Anna Beermann, die Haushälterin, öffnete. Eine blonde, nicht mehr ganz junge Dame im grauen Persianermantel trat ein.

      »Könnte ich Frau Schneider sprechen?« fragte sie atemlos. »Es ist sehr dringend.«

      »Ich fürchte, das ist unmöglich«, sagte die Haushälterin, »die Herrschaften schlafen noch.«

      »Aber es ist wirklich ungeheuer wichtig … Bitte, wecken Sie Frau Schneider. Sagen Sie, Gerda Ackermann ist da.«

      »Anna, was ist denn los?« ertönte plötzlich Isabellas Stimme vom Obergeschoß des Hauses, wo die Schlafgemächer lagen.

      »Eine Frau Ackermann möchte Sie sprechen«, gab die Haushälterin zurück.

      »Augenblick — ich komme sofort!«

      Wenige Minuten später kam Isabella die geschwungene Treppe zur Diele herunter. Über ihrem Pyjama trug sie einen eleganten Morgenrock aus blauer Seide, der das Blau ihrer Augen unterstrich. Ihr braunes Haar war vom Schlaf noch verwirrt.

      Sie nickte Gerda Ackermann kurz zu und ging voraus ins Wohnzimmer. »Komm herein«, sagte sie hastig zu der Besucherin.

      Bereits in der Tür wandte sie sich noch einmal um. »Anna, achten Sie darauf, daß wir nicht gestört werden … Falls mein Mann — oder Michaela — herunterkommt, sagen Sie mir sofort Bescheid.«

      Sie schloß die Tür und sah Gerda Ackermann an. »Was willst du? Wir hatten abgemacht, daß wir uns nur außer Haus treffen …«

      »Es ist etwas Furchtbares passiert, Isa … Till Torsten, dein Bruder, ist wieder in München.«

      »Ich weiß«, sagte Isabella Schneider gelassen.

      »Warum hast du mich nicht gewarnt?«

      »Damit mußten wir rechnen. Was regt dich daran so auf?«

      »Das fragst du noch?«

      »Du hast keinen Grund, dich vor Till zu fürchten. Er hat nicht die leiseste Ahnung, wie du jetzt heißt, daß du verheiratet bist, wo du wohnst … Vielleicht erkennt er dich überhaupt nicht mehr wieder — nach all den Jahren …«

      »Ich jedenfalls habe ihn wiedererkannt.«

      »Ja du — das ist doch kein Vergleich. In deinem Leben hat es zwei Männer gegeben, Till Torsten und Arnold Ackermann. Aber was glaubst du, wieviel Frauen in seinem Dasein eine Rolle gespielt haben?«

      »Ich habe entsetzliche Angst, Isa.«

      »Wovor denn? München ist eine Millionenstadt. Eine Begegnung wäre unwahrscheinlich. Und selbst wenn — was hätte es zu bedeuten? Ich kann mir kaum vorstellen, daß du noch einmal auf Till hereinfallen wirst.«

      »Darum handelt es sich doch gar nicht. Es ist nur — Arnold weiß nichts von der Geschichte.«

      Isabella hob die geschwungenen Augenbrauen. »Du hast ihm nichts erzählt?«

      »Wie sollte ich. Ich kann doch nicht plötzlich aus heiterem Himmel …«

      »Ich an deiner Stelle hätte schon längst mit meinem Mann gesprochen, Gerda. Eine Ehe muß auf gegenseitigem Vertrauen gegründet sein.«

      »Arnold trägt mich auf Händen. Und da soll ich ihm sagen, daß ich ihm von Anfang an etwas verheimlicht habe?«

      »Immer noch besser, als wenn er es durch Till erfährt. Das fürchtest du doch?«

      »Ja.«

      »Till macht nur Sachen, die ihm etwas einbringen.«

      »Eben.«

      In diesem Augenblick wurde leise gegen die Tür geklopft. Die beiden Frauen fuhren erschreckt zusammen.

      »Was ist?« fragte Isabella.

      Hinter der Tür war die Stimme der Haushälterin zu hören. »Ihr Gatte und Michaela sind zum Frühstück heruntergekommen.«

      »Ich komme gleich. Sie sollen schon anfangen.«

      Isabella wandte sich an die Besucherin. »Du mußt jetzt gehen, Gerda. Schnell.«

      Isabella öffnete die Tür. Die beiden Frauen gingen schnell durch die Diele dem Ausgang zu.

      Als die Haustür hinter Gerda Ackermann ins Schloß gefallen war, kam Erhard Schneider, die Serviette in der Hand, aus dem Frühstückszimmer.

      »Was war das für ein Besuch?«

      Isabella lächelte ihn an und küßte ihn rasch auf die Wange. »Nichts Wichtiges, Erhard«, sagte sie. Aber sie spürte, wie eine jähe Angst in ihr hochkroch.—

      Nach dem Mittagessen, als die Eltern sich niedergelegt hatten, gelang es Michaela, das Haus ungesehen zu verlassen.

      Die Schuhe in der Hand, schlich sie die Treppe hinunter und ließ die Tür so leise wie möglich ins Schloß fallen.

      Erst hinter der Vorgartentür begann sie zu laufen. Sie rannte, bis sie vor dem kleinen Café in der Holbeinstraße ankam.

      Das Telefon stand hinter der Kuchentheke. Noch war kein Gast da, der ihr Gespräch hätte mit anhören können. Die beiden Serviererinnen waren damit beschäftigt, sich ihre Erlebnisse vom gestrigen Abend zu erzählen.

      Das Mädchen wählte Gregors Nummer. Er war selbst am Apparat. »Greg«, sagte sie atemlos, »hast du Zeit?«

      »Wo brennt’s denn?« war seine erstaunte Stimme zu hören.

      »Das kann ich nicht am Telefon erzählen … Bitte, komm mal, Greg, ich bin im Café Holbein. Ich warte auf dich«, sagte sie eindringlich und legte schnell den Hörer auf.

      Michaela setzte sich an einen der kleinen weißlackierten Tische und bestellte eine Tasse Tee mit Zitrone. Die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Alle zwei Minuten sah sie auf die Armbanduhr.

      Plötzlich war eine Viertelstunde vorbei, und Gregor war immer noch nicht gekommen. Wenn er sie nun aber im Stich ließ?

      Seine Stimme am Telefon hatte nicht besonders freundlich geklungen. Vielleicht glaubte er, daß sie